Am Freitag hatte der Bundestag die Rechenschaftsberichte der Parteien für das Wahljahr 2013 öffentlich gemacht, aus denen u.a. die Zuwendungen an CDU, CSU, SPD, Grüne und Linkspartei hervorgehen. Nach abgeordnetenwatch.de-Recherchen wurden im zeitlichen Umfeld der Bundestagswahl Parteispenden in Höhe von über zwei Millionen Euro vor der Öffentlichkeit verborgen.
Möglich ist die Umgehung der Veröffentlichungspflichten durch die Aufteilung einer Parteispende in mehrere Teilzahlungen. Wenn diese unterhalb der Veröffentlichungsgrenze von 50.000 Euro liegen, tauchen auch hohe Gesamtbeträge erst sehr viel später in den Rechenschaftsberichten der Parteien auf.
Mehr als zwei Dutzend Unternehmen, Verbände und wohlhabende Privatpersonen haben von dieser Praxis Gebrauch gemacht, die nach dem Parteiengesetz nicht verboten ist. Ihre Zuwendungen aus dem Wahljahr 2013 waren bislang unbekannt, d.h. sie erscheinen nicht oder nur teilweise in der Spenderliste auf der Bundestagshomepage.
Rund ein Viertel der bislang unbekannten Großspenden stammt allein aus dem Umfeld der Deutschen Vermögensberatung AG. Über ein Firmengeflecht um den 2014 verstorbenen DVAG-Gründer Reinfried Pohl sowie aus dessen Privatschatulle flossen im Wahljahr 2013 Zuwendungen von insgesamt 493.000 Euro an die CDU. Hinzu kommt eine 40.000 Euro-Spende des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater, der von Firmenpatriarch Pohl aufgebaut wurde. Die DVAG ist der Union auch personell eng verbunden: Aufsichtsratschef ist der frühere Kanzleramtschef Friedrich Bohl, dem Unternehmensbeirat gehören Altkanzler Helmut Kohl, Ex-Finanzminister Theo Waigel sowie der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Bernard Vogel, an. Der heutige CDU-Generalsekretär Peter Tauber (Foto) war vor seinem Einzug in den Deutschen Bundestag im Jahr 2009 als Pressesprecher der Deutschen Vermögensberatung AG tätig, wie aus den Angaben auf der Bundestagshomepage hervorgeht:
Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung wollte Tauber sich nicht zu dem Fall äußern, die DVAG war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die CDU-Zentrale erklärte lediglich, sie halte "sich bei der Veröffentlichung von Spenden streng an die Vorgaben des Parteiengesetzes". Allerdings hatte auch niemand das Gegenteil behauptet.
Nicht nur Konzerne verschleierten ihre Zuwendungen durch die Aufteilung auf mehrere Geldgeber, sondern auch Privatpersonen. Aus dem Haushalt des Unternehmers Günther Herz, dessen Familie Eigentümer des Tchibo-Konzerns ist, flossen so insgesamt 152.000 Euro an die CDU:
Es sind vor allem Großspender der Christdemokraten, die sich lange Zeit nicht zu erkennen gaben. Von den gut zwei Millionen Euro, die der Öffentlichkeit bis jetzt durch Stückelung verschleiert wurden, entfallen rund 1,5 Millionen Euro auf die CDU. Der Rest kam CSU und SPD zugute.
Die Grünen hatten im Wahljahr 2013 zwar eine Großspende von mehr als 50.000 Euro erhalten, diese war allerdings schon vor langer Zeit auf der Bundestagshomepage bekannt gemacht worden (60.000 Euro von Südwestmetall).
Auch aus dem jetzt veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Linkspartei geht eine Großspende hervor. Demnach überwies der "Verein der Bundestagsfraktion DIE LINKE e.V." 2013 insgesamt 60.000 Euro an die Linkspartei. Diese Spende war bislang nicht bekannt, d.h. sie erfolgte in mehreren Teilzahlungen. (Wir haben darauf verzichtet, diese Spende in der oben stehenden Tabelle aufzunehmen, da es sich hierbei nicht um externe Spendenzuflüsse handelt. Der "Verein der Bundestagsfraktion DIE LINKE e.V." ist ein Zusammenschluss von aktiven und ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.)
Als Konsequenz aus der Verschleierungspraxis fordert abgeordnetenwatch.de die Veröffentlichungsgrenze von 50.000 auf 10.000 Euro zu senken, ab der eine Parteispende zeitnah im Internet veröffentlicht werden muss. Nur so lässt sich unmittelbar nachprüfen, ob Großspenden im zeitlichen Zusammenhang mit politischen Entscheidungen stehen, wie dies bei der “Möwenpick-Steuer” oder mehrerer Zuwendungen von BMW-Erben in den Wahljahren 2009 und 2013 der Fall war.
Weitere bislang unbekannte Parteispenden aus dem Wahljahr 2013 (Auswahl):
- Deutsche Vermögensberatung AG: 20.000 Euro an die Grünen
- EADS (Rüstungskonzern): je 20.000 Euro an CDU und CSU / 30.000 Euro an die SPD
- ERGO Versicherung: je 15.000 Euro an SPD und Grüne
- Gauselmann AG (Glücksspielautomaten): je 12.000 Euro an CDU, CSU und SPD
- IBC Solar: 20.000 Euro an die CSU / 15.000 Euro an die Grünen
- Kraus-Maffei-Wegmann (Rüstung): 28.500 Euro an die CDU, 19.500 Euro an die CSU
- Peter Löscher (Ex-Siemes-Chef): 50.000 Euro an die CDU
- Philipp Morris (Tabakindustrie): je 24.000 Euro an CDU und CSU / 25.000 Euro an die SPD
- Rheinmetall (Rüstung): 33.000 Euro an die CDU / 22.000 Euro an die SPD
- August von Finck (Unternehmer): 15.000 Euro an die CDU
- Verband der Chemischen Industrie: u.a. 14.000 Euro an die Grünen
Die Linkspartei erhielt keine Spenden von Konzernen, Verbänden oder bekannten Unternehmern bzw. Managern.
Informationen über Zuwendungen an die FDP liegen derzeit noch nicht vor. Veröffentlicht wurden bislang lediglich die Rechenschaftsberichte der aktuell im Bundestag vertretenden Parteien.
Update I:
Lobbycontrol hat die größten Parteispender 2013 ermittelt.
- Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie: 727.322,50 Euro
- Familie Quandt/Klatten: 690.000 Euro
- DVAG-Umfeld: 553.000 Euro
- BMW: 288.735 Euro
- Daimler: 281.000 Euro
- Verband der chemischen Industrie: 280.000 Euro
- Südwestmetall: 270.000 Euro
- Evonik: 210.000 Euro
- Südzucker: 205.500 Euro
- Hans-Joachim Langmann: 200.000 Euro
**Update II:
Auch die FDP wurde im Wahljahr 2013 großzügig aus dem DVAG-Umfeld bedacht. Wie aus dem Rechenschaftsbericht der Partei hervorgeht, erhielten die Liberalen bislang unbekannte Gesamtspenden in Höhe von 273.000 Euro:
- Allfinanz Deutsche Vermögensberatung AG: 40.000 Euro
- Deutsche Vermögensberatung AG: 63.000 Euro
- Deutsche Vermögensberatung Hlding GmbH: 40.000 Euro
- Reinfried Pohl: 90.000 Euro
- UBG Unternehmensberatung und Betreuung GmbH: 40.000 Euro.
Weitere bislang unbekannte Spenden erhielt die FDP u.a. vom Autovermieter Sixt (55.000 Euro), der Daimler AG (40.000 Euro), dem Automatenhersteller Gauselmann AG (13.000 Euro) sowie den Rüstungskonzernen Rheinmetall (27.000 Euro) und EADS (30.000 Euro).
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