Als vor einiger Zeit ein vertraulicher Brief der SPD-Schatzmeisterin an eine gesetzliche Krankenkasse öffentlich wurde, war die Blamage groß. In dem Schreiben bat sie ganz offen um eine Spende für den bevorstehenden Wahlkampf – dabei dürfen Parteien von gesetzlichen Krankenkassen gar keine Spenden annehmen. Nach dem Parteiengesetz sind Zahlungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts verboten.
Der Bettelbrief der SPD war peinlich, blieb aber juristisch folgenlos.
Diese Anekdote aus dem Bundestagswahlkampf von 2013 zeigt die Herangehensweise einiger Parteien, um an Geld zu gelangen. Politiker und Funktionäre auf Kreis-, Landes- und Bundesebene – regelmäßig treten sie im Namen ihrer Partei an Unternehmen und Interessenverbände heran und bitten um finanzielle Unterstützung. Wenn man sich bei den Parteien und in der Wirtschaft umhört, wird aus dieser Praxis auch kein Geheimnis gemacht. Doch offen darüber reden, das wollen nur wenige.
"Erwartungshaltung, dass es ein Selbstläufer ist"
Einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt, ist Andreas Möller von der Trumpf GmbH & Co. KG, einem weltweit führenden mittelständischen Hersteller von Werkzeugmaschinen. Der Name Trumpf taucht als Großspender regelmäßig in den Rechenschaftsberichten von CDU und FDP auf, zuletzt im Jahr 2017, als die CDU eine 100.000 Euro-Spende erhielt. „Spenden-Anfragen von Parteien kommen wie alle Spenden-Anfragen immer schriftlich, auf dem Post-Weg. Manchmal gibt es die Erwartungshaltung, dass die Beantwortung eine Art Selbstläufer ist. Aber wir prüfen jede Anfrage sehr individuell“, erzählt Möller.
In den Schreiben führen Parteien nicht selten über mehrere Seiten aus, was sie bislang politisch geleistet haben und welche Ziele sie verfolgen. Solche Spendenbriefe gehen auch beim Verband der Chemischen Industrie ein, wie ein Sprecher gegenüber abgeordnetenwatch.de bestätigt. Man gehe „in der Regel nicht selbst auf die Parteien zu, sondern reagiert auf die Spenden-Anfragen der Parteien und Politiker.“ Im Bundestagswahljahr 2017 überwies der Lobbyverband auf die Konten von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen insgesamt 634.000 Euro – darin sind mögliche Sponsoringzahlungen, etwa für Anzeigen in Parteizeitungen oder Standmieten auf Parteitagen, noch gar nicht enthalten.
Unter PR-Gesichtspunkten eine delikate Angelegenheit
Andere Großspender aus der Wirtschaft wollen zu dem Thema öffentlich lieber nichts sagen. Denn Zahlungen an Parteien sind auch unter PR-Gesichtspunkten eine delikate Angelegenheit, bei der Begriffe wie Bestechung und Korruption oft nicht weit sind. Am Ende ist zumindest ein Interessenkonflikt nicht von der Hand zu weisen, wenn die Politik Gesetze und Regulierungen beschließt, von denen Geldgeber aus der Wirtschaft direkt betroffen sind.
abgeordnetenwatch.de hat die Bundesparteien sowie diverse Kreisverbände, in denen größere Unternehmen ansässig sind, angefragt, um mit ihnen über das Einwerben von Spenden zu reden. Einige erklärten, keine Spenden-Briefe zu verschicken. Der Grünen-Vorsitzende in Heidenheim antwortet, sein Kreisverband bitte überhaupt keine Unternehmen um Spenden – in der Region hat mit der Voith GmbH & Co. KGaA ein mehrmaliger Parteispender seinen Sitz. SPD-Bundeschatzmeister Dietmar Nietan schreibt: "Ich habe als Schatzmeister der SPD vor drei Jahren entschieden, auf den bis dahin üblichen regelmäßigen Versand von Spendenbitten an eine größere Zahl von Unternehmen dauerhaft zu verzichten. Grundsätzlich entscheidet jede Gliederungsebene eigenständig darüber, ob sie aktiv um Spenden wirbt."
Das Stichwort "Vertrauen" taucht in den Antworten häufiger auf
Die Linkspartei bekräftigt, überhaupt keine Spenden aus der Wirtschaft anzunehmen. Vom AfD-Bundesverband heißt es, man verschicke keine Spenden-Anfragen. Die CSU will aus „datenschutzrechtlichen Gründen“ keine Auskunft geben.
Bei anderen ist die Gesprächsbereitschaft weniger ausgeprägt. Der SPD-Kreisverband Marburg-Biedenkopf, aus dem mit der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG) ein bekannter Parteispender stammt, beruft sich gegenüber abgeordnetenwatch.de auf das Parteiengesetz. Dieses erlaube nicht, eine detailliertere Auskunft zu geben. Auf Nachfrage ist vom Geschäftsführer immerhin zu erfahren, dass man keine Spendenbriefe an die Deutsche Vermögensberatung schicke. Der Schatzmeister der CDU-Bielefeld reagiert auf eine E-Mail-Anfrage zunächst nicht. Auf telefonische Nachfrage erklärt er, gegenüber abgeordnetenwatch.de nicht auskunftspflichtig zu sein. Hermann Otto Solms, Bundesschatzmeister der FDP, bestreitet nicht, an Unternehmen und Verbände mit Spenden-Anfragen heranzutreten – Namen will er keine nennen. Ähnlich reagiert die Bundes-CDU. Der Bundesschatzmeister der Grünen, Marc Urbatsch, verweist lediglich auf die Rechenschaftsberichte seiner Partei, in der die Spender aufgeführt seien. Der FDP-Kreisverband Marburg-Biedenkopf erklärt: „Alle Prozesse rund um das Eintreiben und Erhalten von Spenden unterliegen dem gegenseitigen Respekt und sind somit vertraulich. Regelmäßigkeiten liegen nicht vor.“
Einer der großen Parteispender ist die Dr. August Oetker KG, ansässig in Bielefeld. In den vergangenen Jahren hat sie regelmäßig an CDU, FDP und Grüne gespendet, zum Teil hohe Beträge - nur der SPD seit 2012 nicht mehr. Der Schatzmeister der Kreis-SPD schreibt, in seiner Amtszeit habe er keine Anfragen an den Konzern geschrieben. Ein Sprecher von Dr. Oetker äußert auf Anfrage: "Spenden an politische Parteien erfolgen in unserem Hause auf deren Anfrage bzw. Bitte. Wenn die SPD in den vergangenen Jahren keine Spende von der Dr. August Oetker KG erhalten hat, dann hat uns kein entsprechender Antrag vorgelegen."
Einige Unternehmen haben sehr viel weniger Probleme über das Thema zu sprechen, als die Parteien. Aus deren Reihen will im Rahmen dieser Recherche kein Gesprächspartner die Namen von Unternehmen oder Verbänden nennen, an die er mit einer Spenden-Bitte herangetreten ist. Das Stichwort Vertrauen taucht häufiger auf in den Antworten. Zumindest der Verband der Chemischen Industrie hätte damit kein Problem gehabt. „Wenn eine Partei öffentlich machen würde, an uns offizielle Spenden-Anfragen zu stellen,“ so ein Verbandssprecher, „wäre das für uns kein Vertrauensbruch.“
Vertrauen – das scheint für manche ein willkommenes Argument zu sein, um keine Antwort zu geben.