Der Fall Maschmeyer oder Die gefährliche Nähe zwischen Lobbyisten und Politikern (Update)

von Martin Reyher, 29.04.2011

Insgesamt 800.000 Mark ließ sich der Unternehmer Carsten Maschmeyer offenbar den Wahlkampf seines Freundes Gerhard Schröder kosten. Eine jetzt aufgetauchte 150.000 Mark-Spende findet sich in keinem Rechenschaftsbericht und hat nun die Bundestagsverwaltung auf den Plan gerufen. In diesem Zusammenhang belegt ein interner Brief Maschmeyers, wie durch solche Zuwendungen Nähe zu politischen Entscheidungsträgern entsteht - und wie der AWD-Gründer diese zu nutzen wusste. [Ergänzung vom 12.11.2014: Wie der "stern" berichtet, soll Maschmeyer an Ex-Kanzler Schröder rund zwei Millionen Euro für Rechte an dessen Autobiographie gezahlt haben. Die Gespräche über diesen Deal begannen demnach während Schröders Amtszeit im Bundestagswahlkampf 2005, s. Update.]

„Ich habe Freude am Gutsein“, bekannte der Unternehmer Carsten Maschmeyer einmal in einem Zeitungsinterview. Besonders gut meinte Maschmeyer es in der Vergangenheit mit Gerhard Schröder. Bekannt war bereits, dass der Gründer des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD dem damaligen Ministerpräsidenten im Landtagswahlkampf 1998 eine Anzeigenkampagne im Wert von 650.000 Mark gesponsert hatte. Nun ist eine weitere angebliche Maschmeyer-Spende ans Tageslicht gekommen: Wie das ARD-Magazin Panorama am Donnerstag berichtete, soll Schröder im Bundestagswahlkampf 1998 über einen Strohmann eine Spende in Höhe von 150.000 Mark erhalten haben - angeblicher Auftraggeber: Carsten Maschmeyer.

Als Beleg veröffentlichte Panorama diesen Brief („persönlich/vertraulich“) des vermeintlichen Strohmanns an eine leitende Beamtin der niedersächsischen Staatskanzlei:

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Was wusste Steinmeier über die Strohmann-Überweisung?

Aus dem Schreiben und den handschriftlichen Vermerken der Beamtin geht hervor, dass Maschmeyer über den Strohmann offenbar nicht direkt eine Anzeigenkampagne für Schröders Bundestagswahlkampf finanzierte, sondern die 150.000 Mark zunächst auf ein Konto überwies. Dieses Geld wurde anschließend für Anzeigen in "Welt", "FAZ" und "Welt am Sonntag" verwendet. Dieses Detail könnte noch interessant werden. Denn während sich ein Politiker gegen die direkte Finanzierung einer ihn unterstützenden Zeitungskampagne nicht wehren kann - jeder kann für jeden ungefragt eine Zeitungsanzeige schalten -, sieht die Sache bei direkten Spendenflüssen

ganz anders aus. Nach § 25 Abs. 2 Nr. 6 des Parteiengesetzes dürfen Zuwendungen nicht angenommen werden, bei denen es sich erkennbar um die Weiterleitung einer Spende eines nicht genannten Dritten handelt oder bei denen ein Spender nicht feststellbar ist. Damit sollen sog Strohmannspenden ausgeschlossen werden. Fakt ist: Im SPD-Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 (ab S. 36, pdf) taucht die Spende nicht auf. Ein Bundestagssprecher bestätigte auf Nachfrage von abgeordnetenwatch.de, dass die Parlamentsverwaltung damit begonnen habe den Sachverhalt zu prüfen. Sofern sich bei der Prüfung Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz ergäben, würde die SPD zunächst um eine Stellungnahme gebeten. Kann die Bundestagsverwaltung der Partei nachweisen, von illegalen Praktiken gewusst zu haben, könnten am Ende Strafzahlungen stehen, die die eigentliche Spendensumme um ein mehrfaches übersteigen. (Ergänzung vom 13.11.2014: Die Bundestagsverwaltung konnte seinerzeit keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz finden.)

Neben der Frage, ob im Zusammenhang mit der vermeintlichen Maschmeyer-Spende illegal Wahlkampf aus der Staatskanzlei betrieben wurde und was deren damaliger Leiter, der heutige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Frank-Walter Steinmeier, wusste, gibt es einen weiteren interessanten Aspekt an der Geschichte, der allerdings bislang noch nicht beleuchtet wurde und der die gefährliche Nähe zwischen Lobbyisten und Politikern verdeutlicht.

Maschmeyers drigendes Anliegen

Maschmeyer, der auch Bundespräsident Christian Wulff und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen seine Freunde nennt, wurde nach dem Bundestagswahlsieg 1998 zu einem Abendessen für die Unterstützer des Schröder-Wahlkampfes eingeladen. Dieses richtete Schröders Nachfolger als niedersächsischer Ministerpräsident, Gerhard Glogowski, am 14. Mai 1999 im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung aus. Knapp zwei Wochen später schrieb Carsten Maschmeyer einen Brief an Gastgeber Glogowski (s. rechts, pdf), in dem er sich „herzlich für die Einladung und den angenehmen Abend“ bedankt. „Sie waren ein sehr offener und sympathischer Gastgeber und ich habe mich sehr geehrt gefühlt, daß ich an diesem Abendessen teilnehmen durfte.“

Maschmeyer nutzte das Abendessen allerdings nicht allein zum Small-Talk mit den handverlesenen Gästen, sondern hatte ein dringliches Anliegen, wie in seinem Brief an Glogowski deutlich wird: „Hoffentlich habe ich die Tischgespräche mit meinen Anmerkungen zum derzeitigen Thema Nr. 1 „Scheinselbständigkeit“ nicht belastet.“

Maschmeyers Schreiben an den niedersächsischen Ministerpräsidenten belegt, wie durch finanzielle Zuwendungen Nähe zu politischen Entscheidungsträgern entsteht und wie der AWD-Gründer diese zu nutzen wusste. Das Schriftstück ist ein Beispiel dafür, wie weit die Symbiose zwischen Lobbyisten und Politikern inzwischen vorangeschritten ist: Ein umtriebiger Unternehmenslenker unterstützt großzügig die Wahlkampftätigkeiten eines Ministerpräsidenten, der womöglich auch Dank der gesponsorten Großanzeigen zum Bundeskanzler gewählt wird. Seine finanzielle Unterstützung macht sich in Form einer Art Passierschein zum Hofe des neuen Machthabers an der Leine, Ministerpräsident Glogowski, bezahlt - politisches Sponsoring wird zum Einfallstor für einen Lobbyisten.

"Erinnerungsschreiben" nach dem gemeinsamen Abendessen mit dem Ministerpräsidenten

Und die Geschichte geht weiter: Damit sein Anliegen nicht in Vergessenheit gerät, schickt Maschmeyer dem Ministerpräsidenten nach dem gemeinsamen Abendessen noch einmal ein Erinnerungsschreiben hinterher, in dem er „empfiehlt“, eine für seine Interessen wichtige Frist „um einige Monate zu verlängern“. Maschmeyer nennt Glogowski praktischerweise auch noch zwei „Änderungsnotwendigkeiten“. Sein Schreiben schließt er mit den Worten: „Hoffentlich ist es nicht anmaßend, dass ich mich in diesem Zusammenhang noch einmal an Sie gewandt habe“ und schiebt noch eine weitere Handlungsempfehlung hinterher: „Sie können mit dazu beitragen, daß in der Regierung erkannt wird, daß es sich insgesamt um eine unzumutbare Situation für mehrere Millionen Menschen handelt.“

Epilog: Rente-Rente kommt - Maschmeyer darf sich freuen

Die Zuwendungen an Gerhard Schröder erweisen sich rückblickend als gute Investition für Carsten Maschmeyer. Einige Jahre nach dem Wahlsieg von 1998 wird es die Schröder-Regierung sein, die der Finanzdienstleisterbranche mit der Einführung der staatlich geförderten Riester-Rente ein Milliardengeschäft beschert. Der Erfinder dieser privatisierten Altersvorsorge, Arbeitsminister a.D. Walter Riester, zieht daraufhin nicht nur als gut bezahlter Werber für die Riester-Rente durch die Lande, sondern steht auch dem Vertreiber der Riester-Rente, Maschmeyers AWD, zu Diensten: Auf werbewirksamen Fotos posiert Riester mit AWD-Vertretern (s. rechts), mit denen diese später auf Kundenfang gehen (siehe dazu den 2. Teil der Panorama-Doku "Der Drückerkönig und die Politik" vom 12.1.2011 ab Minute 1:55 bei youtube).

Carsten Maschmeyer ist inzwischen bei AWD ausgeschieden und hat eine Beratungsfirma gegründet, die MaschmeyerRürup AG, wo er zuständig ist für die "Gewinnung von Auftraggebern". Dies dürfte ihm Dank seines guten Drahtes zu zahlreichen Spitzenpolitikern nicht allzu schwer fallen, denn zu den Kunden gehören u.a. "Regierungen und internationale Organisationen". Maschmeyers Geschäftspartner ist der ehemalige AWD-Chefökonom Bert Rürup, Ex-Regierungsberater von Gerhard Schröder - und Erfinder der "Rürup-Rente", die u.a. vom AWD vertrieben wird.

Transparency International nannte die Verbindung von Riester und Rürup zu Maschmeyer kürzlich "ein Beispiel für politische Korruption".

Update 12.11.2014:
Wie das Magazin stern heute auf seinem Onlineportal berichtet, soll Gerhard Schröder von Maschmeyer rund zwei Millionen Euro für die Rechte an seiner Autobiographie erhalten haben. Bislang war lediglich die Summe von einer Million Euro bekannt. Aus vertraulichen Dokumenten, die dem stern vorliegen, ergibt sich demnach, dass der damalige Bundeskanzler und der damalige AWD-Chef schon während Schröders Amtszeit Privates und Geschäftliches vermischten. Maschmeyer habe seine Beziehung zum damaligen Bundeskanzler genutzt, um sich an allerhöchster Stelle immer wieder für eine Reform der Riesterrente einzusetzen. Die Reform kam dann tatsächlich, und sie fiel zur Zufriedenheit Carsten Maschmeyers aus. Der AWD-Chef wähnte sich auf einer "Ölquelle", die sprudeln werde.

Die Gespräche über das "Buchgeschäft" begannen laut der dem stern vorliegenden Dokumente im Sommer 2005. Gerhard Schröder steckte damals als Spitzenkandidat der SPD im Bundestagswahlkampf.

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