Die Vollzeittätigkeit als Bundestagsabgeordneter lastet einige Ex-Minister offenbar nicht aus. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Kabinett im März haben sich Thomas de Maizière, Christian Schmidt und Sigmar Gabriel neue Betätigungsfelder gesucht, u.a. als Berater der Deutschen Telekom, Rechtsanwalt, Honorarredner und Lehrbeauftragter in Übersee. Immerhin: Wegen seiner häufigen Fehlzeiten im Bundestag zeigt sich ein Ex-Minister selbstkritisch – und gelobt Besserung.
Einige Wochen nach dem Verlust ihres Ministerpostens im März meldete Barbara Hendricks (SPD) der Bundesregierung eine neue Betätigung: Sie wolle künftig die katholische Friedensstiftung Hamburg in deren Beirat unterstützen. Die Regierung prüfte die Tätigkeit auf mögliche Interessenkonflikte und gab alsbald Entwarnung: Die frühere Umweltministerin konnte die Stelle unverzüglich antreten.
Während sich Hendricks nun einem Ehrenamt widmet, suchen einige ihrer früheren Kabinettskollegen eine neue berufliche Herausforderung. Der langjährige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt strebt eine „selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt“ an, zudem will er einen gut dotierten Aufsichtsratsposten bei der Deutschen Bahn einnehmen. Thomas de Maizière (CDU), vormals Chef des Innenressorts, zeigte der Regierung jüngst eine „rechtsanwaltliche“ Beratung der Deutschen Telekom in den Bereichen „nationale, europäische und internationale Telekommunikationsbeziehungen“ an. Und Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zieht es in den Verwaltungsrat eines Gemeinschaftsunternehmens von Siemens und Alstom, die ihre Schienenfahrzeugssparte zusammenlegen wollen.
Zwölf Monate Zwangspause
Nebenjobs Thomas de Maizière:
Beratung für die Deutsche Telekom AG (frühestens März 2019)
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom Stiftung
selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt
Honorar-Redner und Autor
Honorarprofessur an der Universität Leipzig
Anders als bei Hendricks winkte die Bundesregierung die neuen Jobs von Schmidt, de Maizière und Gabriel aber nicht ohne weiteres durch. Weil sie in den Tätigkeiten für Bahn, Telekom und Siemens-Alstom das öffentliche Interesse beeinträchtigt sah, verhängte die Regierung auf Anraten eines Beratungsgremiums jeweils eine Zwangspause, die im März 2019 abläuft (zwölf Monate nach Ausscheiden aus dem Ministeramt). Diese „Abkühlphase“, so die Regierung in einer Mitteilung, gilt bei Schmidt und de Maizière auch für sämtliche Tätigkeiten als Rechtsanwalt, die in einem engen Zusammenhang mit ihren früheren Ministerämtern stehen (die Mitteilungen werden im Bundesanzeiger veröffentlicht, einen Direktlink zu den Dokumenten existiert nicht).
Die genannten Fälle zeigen einmal mehr, wie wirkungslos die bestehenden Regelungen für Seitenwechsler sind. Spitzenpolitiker bleiben Dank ihrer Kontakte in die Regierung auch dann für einen Konzern interessant, wenn sie zunächst einige Monate pausieren müssen. Selbst in Fällen „schwerer Beeinträchtigung“ öffentlicher Interessen muss ein Ex-Minister nach dem Bundesministergesetz lediglich 18 Monate aussetzen – spätestens dann stände er zum Beispiel einem Interessenverband als Cheflobbyist zur Verfügung. Um die Seitenwechsel von Spitzenpolitikern in die Wirtschaft tatsächlich zu erschweren, fordert abgeordnetenwatch.de eine Karenzzeit von drei Jahren.
Ärger wegen Fehlzeiten im Bundestag
Nebenjobs Christian Schmidt:
Aufsichtsratsmitglied Deutsche Bahn AG (frühestens März 2019)
selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt
Honorar-Redner und Autor
Vorstandsmitglied bei der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung
Ein Problem sind aber nicht allein die möglichen Interessenkonflikte. Der frühere Außen- und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel handelte sich gerade Ärger ein, weil er wegen seiner Nebentätigkeiten das Abgeordnetenmandat vernachlässigt.
Vergangene Woche berichtete das ARD-Magazin Kontraste, dass Gabriel zu den Bundestagsabgeordneten mit der höchsten Fehlquote bei wichtigen Abstimmungen gehört. Seit Mitte Februar hat der SPD-Politiker – mit einer Ausnahme – an keiner namentlichen Abstimmung mehr teilgenommen; seit Beginn der Legislaturperiode vor einem Jahr fehlte er in 70 Prozent der Fälle.
Bis zu 30.000 Euro nebenher - pro Monat
Nebenjobs Sigmar Gabriel:
Autor Dieter-von-Holtzbrinck Media Group (15.000 bis 30.000 Euro monatlich)
Lehraufträge an verschiedenen in- und ausländischen Hochschulen
Seine häufigen Fehlzeiten begründet Gabriel mit einer "Phase der Neuorientierung" nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden als Außenminister, die zu Terminkollisionen geführt habe. Dies, so der SPD-Politiker gegenüber Kontraste, sei „natürlich auf Dauer nicht vertretbar." Gabriel ist inzwischen als Autor für den Holzbrinck-Verlag (u.a. ZEIT und Handelsblatt) tätig, was ihm monatlich zwischen 15.000 und 30.000 Euro einbringt. Außerdem hat er einen Lehrauftrag an der renommierten US-Universität in Harvard angenommen. Mit Ablauf des Aufenthalts in Harvard werde er dafür Sorge tragen, dass sich seine Präsenz im Parlament erhöhe. "Die in Ihren Fragen ausgedrückte Kritik ist berechtigt und ich werde für Abhilfe sorgen."
Auch bei Gabriels frühere Kabinettskollegen Schmidt und de Maizière stellt sich die Frage, wie sie ihren zahlreichen Tätigkeiten überhaupt nachgehen können. Beide haben eigentlich einen Vollzeitjob zu erledigen: Als Abgeordnete des Deutschen Bundestags. Um sich darauf konzentrieren zu können, werden sie aus Steuermitteln ordentlich bezahlt. Monatliche Bezüge derzeit: 9.780,28 Euro.
Fotos: Sandro Halank CC BY-SA 3.0 (Thomas de Maizière)| Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) CC BY-SA 3.0DE (Sigmar Gabriel) | Thomas Lothar CC BY-SA 4.0 (Christian Schmidt)