Für bezahlte Nebentätigkeiten habe er keine Zeit, erklärte dieser Tage der SPD-Politiker Rolf Mützenich auf abgeordnetenwatch.de. "Für mich ist der Beruf des Abgeordneten ein Vollzeitjob."
Keine Zeit für Nebentätigkeiten? Einige von Mützenichs Kollegen scheint das Abgeordnetenmandat bei weitem nicht auszulasten. Seit heute ist auf der Bundestagshomepage nachzulesen, welcher Parlamentarier welchen Nebenjobs nachgeht bzw. zuletzt nachgegangen ist. Manche kassierten ein derart üppiges Zubrot, das dieses ihre Abgeordnetendiät (derzeit 99.024 €/Jahr) übersteigt. Laut Spiegel Online haben 123 Abgeordnete Nebeneinkünfte von mindestens 1.000 Euro gemeldet.
Unter den Volksvertretern gibt es zum Beispiel jene, die in den ersten fünf Monaten dieser Legislaturperiode bereits hohe fünf- oder gar sechsstellige Beträge verdient haben. Wieviel genau, bleibt allerdings im Dunkeln. Anstatt ihre Nebeneinkünfte Euro genau offenzulegen, müssen Bundestagsabgeordnete nur ungefähre Angaben machen, die dann in einem 10-Stufen-Raster veröffentlicht werden (s. Tabelle rechts). Und so kann es kommen, dass u.U. große Teile des Nebenverdienstes vor der Öffentlichkeit verborgen bleibt - am Beispiel von Peer Steinbrücks Vortragshonoraren hat abgeordnetenwatch.de dies vor einiger Zeit nachgewiesen.
Aus den jetzt veröffentlichten Stufen-Angaben hat abgeordnetenwatch.de errechnet, welche Abgeordneten seit Beginn der Legislaturperiode Ende Oktober 2013 besonders hohe Brutto-Einkünfte gemeldet haben (davon sind bei Freiberuflern u.U. Entschädigungs-, Ausgleichs- und Sachleistungen abzuziehen). Bei den Beträgen handelt es sich wie gesagt um Mindestbeträge, die tatsächlichen Einkünfte dürften i.d.R. sehr viel höher liegen.
(Die Liste als .xls, Stand: 21.3.2014, 18:00)
Auch wenn Unions-Abgeordnete die höchsten Nebeneinkünfte bezogen: In anderen Fraktionen wurde ebenfalls gut verdient. Die SPD-Abgeordnete Daniela De Ridder beispielsweise hatte als freiberufliche Unternehmensberaterin für mehrere Hochschulen Bruttobezüge in Höhe von mindestens 57.500 Euro. Linken-MdB Dieter Dehm meldete als "Publizist, Autor und Liederschreiber" GEMA-Einkünfte von mindestens 15.000 Euro. Peter Meiwald von den Grünen bezog als Aufsichtsratsmitglied des Energieversorgers EWE AG mindestens 15.000 Euro. Unter dem Strich gibt es bei Linken und Grünen aber äußerst wenige Parlamentarier mit bezahlten Nebentätigkeiten.
Auffallend sind die extrem hohen Einkünfte der obersten Stufe 10 (mindestens 250.000 Euro), die einige Unionspolitiker meldeten. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler gab an, als Rechtsanwalt von einem (namentlich nicht genannten) Mandanten ein Honorar von mind. einer Viertelmillion Euro kassiert zu haben (tagesschau.de weist darauf hin, dass Gauweiler u.a. die Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch vertritt). Stephan Harbarth (CDU) erhielt vergangenes Jahr als Vorstandsmitglied der SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwalts AG ebenfalls Einkünfte von mindestens 250.000 Euro, genauso wie sein Fraktionskollege Hans Michelbach, der als Mitglied der Geschäftsführung bei der KIZ - MIBEG Group Unternehmensgruppe tätig ist. Ob diese Abgeordneten 250.001 oder eine Million Eruo verdient haben, erfährt die Öffentlichkeit nicht.
Hohe Nebenverdienste bergen immer auch die Gefahr möglicher Interessenskonflikte. Der SPD-Abgeordnete Ulrich Freese beispielsweise kassierte von dem Energiekonzern Vattenfall, dem Immobilienunternehmen Vivawest und dem Spezialchemie-Konzern Lanxess seit Beginn der Legislaturperiode im Oktober 2013 Bezüge von zusammen mind. 59.000 Euro. Hohe Geldzahlungen können Abhängigkeiten schaffen, insbesondere wenn sie von mächtigen Großkonzernen mit Partikularinteressen stammen. Deswegen ist volle Transparenz so wichtig.
UPDATE 17:30 Uhr: Der SPD-Politiker Ulrich Freese hat sehr viel höhere Einkünfte vom Chemie-Konzern Lanxess erhalten als aus der Veröffentlichung des Deutschen Bundestages hervorgeht. Laut eigener Angabe verdiente Freese als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender 2013 zwischen 30.000 und 50.000 Euro (Stufe 5). Der Lanxess-Geschäftsbericht 2013 weist für Freese allerdings Jahreseinkünfte von 181.500 Euro aus:
Die obige Tabelle "Abgeordnete mit hohen Nebeneinkünften" haben wir deswegen nun aktualisiert. - Danke für den Hinweis in den Kommentaren.
Update 24.3.2014: Ulrich Freese gibt inzwischen auf seiner Homepage detailliert Auskunft über seine Nebentätigkeiten und die daraus erzielten Einkünfte.
Gleichzeitig können hohe Nebeneinkünfte ein Anzeichen dafür sein, dass das Abgeordnetenmandat bei einem Parlamentarier eben nicht im Mittelpunkt steht. Spitzenverdiener Peter Gauweiler fällt seit Jahren als Abgeordneter mit der höchsten Fehlquote bei wichtigen namentlichen Abstimmungen auf.
Abgeordnete mit zahlreichen Nebentätigkeiten und hohen Einkünften sollten den Bürgerinnen und Bürgern deswegen die folgenden Fragen beantworten:
- Steht bei ihnen die Ausübung des Mandats tatsächlich „im Mittelpunkt der Tätigkeit“, wie es das Abgeordnetengesetz verlangt?
- Können sie ihren Pflichten als Volksvertreter nachkommen? In der Geschäftsordnung des Parlaments heißt es: "Mitglieder des Bundestages sind verpflichtet, an den Arbeiten des Bundestages teilzunehmen." Dazu zählen insbesondere Plenar- und Ausschusssitzungen.
- Erbringen sie tatsächlich eine „angemessene Gegenleistung“ (Abgeordnetengesetz) für das Geld, das sie mit ihren Nebentätigkeitem verdienen?
In Großbritannien müssen Unterhausabgeordnete detailliert darlegen, wie hoch der zeitliche Aufwand für eine Nebentätigkeit war und mit wie viel Pfund diese vergütet wurde (s. Grafik). So lässt sich für jede Bürgerin und jeden Bürger nachvollziehen, wieviel Zeit ein Parlamentarier für seine Nebenjobs aufwendet - und ob der Bezahlung zumindest ein angemessener zeitlicher Aufwand gegenübersteht. Falls nicht, müsste er erklären, wofür er das Geld eigentlich bekommt.
Hierzulande wehren sich insbesondere die Spitzenverdiener seit Jahren vehement gegen solche Transparenzmaßnahmen. Auch eine effektive Strafverfolgung von korrupten Abgeordneten lehnen sie ab. Vor einem Monat beschloss der Bundestag zwar ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung, doch das wird in dieser Form weitgehend wirkungslos sein.
In der selben Bundestagssitzung erhöhten sich die Abgeordneten von Union und SPD übrigens ihre Diäten um rund 10 Prozent und glichen sie damit an das Gehaltsniveau eines Bundesrichters an. Eine Gleichstellung mit den Richtern wollten die Groko-Politiker allerdings nur beim Gehalt: Auf eine deutliche Einschränkung von Nebentätigkeiten, wie sie für Bundesrichter gilt, haben sie verzichtet.
Update 4.4.2014:
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Achim Post teilte auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage zu seinen Nebeneinkünften mit:
Als Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas erhalte ich 15.625,74 Euro mtl.
Update 7.4.2014: Auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage teilte der RAG-Konzern mit, dass Aufsichtsratsposten im Geschäftsjahr 2013 mit 35.000 Euro vergütet wurden. Dem Gremium gehört u.a. Bundestagspräsident Norbert Lammert an.
Anmerkung der Redaktion: Ein einer früheren Version des Artikels hieß es in der Tabelle, der Abgeordnete Philipp Mißfelder habe als Buchautor Nebeneinkünfte von mindestens 100.000 Euro. Tatsächlich ist Herr Mißfelder aber Mitarbeiter im Verlag teNeues Verlag GmbH & Co. KG. Wir haben dies nun korrigiert.
Anmerkung: So berechnen sich die oben aufgeführten Nebeneinkünfte der Abgeordneten
Die Nebeneinkünfte eines Abgeordneten werden von der Bundestagsverwaltung in einem 10-Stufen-System (s. Grafik oben) auf der Parlamentshomepage veröffentlicht. Der jeweilige Nebenverdienst muss spätestens drei Monate nach Eingang durch den Abgeordneten gegenüber der Bundestagsverwaltung gemeldet werden. Dabei muss der Politiker erklären, ob eine Nebeneinkunft einmalig ist, monatlich erfolgt bzw. ob sie wiederkehrend (jährlich) gezahlt wird.
Für die Berechnung der Nebenverdienste eines Politikers hat abgeordnetenwatch.de die jeweils untere Grenze einer Stufe zugrunde gelegt, im Fall der Stufe 5 (Einkünfte zwischen 30.000 und 50.000 €) ist also der Betrag "30.000 €" in die Berechnung eingeflossen. Sofern ein Abgeordneter eine "monatlich" Nebeneinkunft meldete, hat abgeordnetenwatch.de die Angabe mit dem Faktor fünf multipliziert, da seit Beginn der Wahlperiode am 22. Oktober 2013 fünf Monate vergangen sind.
Dass einige Spitzenverdiener aus der vergangenen Wahlperiode diesmal nur geringe oder noch gar keine Nebeneinkünfte gemeldet haben dürfte daran liegen, dass die Vergütungen bislang noch nicht gezahlt wurden bzw. noch nicht offengelegt werden mussten. Sofern ein MdB eine Zahlung für ein Aufsichtsratsmandat im Jahr 2013 beispielsweise am 1. März 2014 erhalten hat, muss er dieses erst im Mai 2014 veröffentlichen.
Mitarbeit: Mathias Rakow, Keno Franke, Laura Herzig, Simon Kimmel und Fabian Hanneforth.