Wie die Zuckerlobby eine Sondersteuer auf Limonade verhindert

Seit Jahren nutzt die Zuckerlobby ihre guten Kontakte zur Politik – mit Erfolg: Staatliche Regulierungen wie eine Zuckersteuer konnte sie bislang verhindern. Dabei hilft, dass ihr Cheflobbyist lange Zeit einen hohen Posten im Ernährungsministerium hatte. #KurzErklärt

von Sabrina Winter, 05.07.2019
Süßigkeiten mit viel Zucker
Werbespot der Zuckerwirtschaft (Screenshot)
Werbespot der Zuckerwirtschaft (Screenshot)

Mit einem Werbeclip versuchte die Zuckerlobby kürzlich, Menschen für ihr Produkt zu begeistern. Die Botschaft lautete: Wer mit einem zuckerfreien Lebkuchenherz auftaucht, bekommt die Tür vor der Nase zugeschlagen.

Während die Zuckerwirtschaft in den Sozialen Netzwerken die Gefühle der Verbraucherinnen und Verbraucher anspricht – Hashtag: #ZuckerIstLiebe – versucht sie hinter den Kulissen, ihre Interessen gegenüber der Politik durchzusetzen. Denn der politische und gesellschaftliche Druck auf die Zuckerindustrie nimmt stetig zu. Zahlreiche Studien zeigen, wie schädlich das Süßungsmittel sein kann. Länder wie Frankreich oder Mexiko haben inzwischen eine Sondersteuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt. So soll die Industrie dazu bewegt werden, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu senken.

In Deutschland setzt die Bundesregierung dagegen nicht auf gesetzliche Regulierungen, sondern auf Freiwilligkeit. Das führte Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) der Öffentlichkeit kürzlich noch einmal in einem Video vor Augen, das sie mit Nestlé-Deutschlandchef Marc-Aurel Boersch zeigte und das für großes Aufsehen sorgte. Beide erzählen in dem Clip, wie sie gemeinsam Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln reduzieren wollen. Klöckner sagt, sie freue sich über die Unterstützung des Lebensmittelunternehmens an der Regierungsstrategie. Konzernchef Boersch erklärt, wie gern Nestlé dabei helfe.

Vom Ernährungsministerium zur Zuckerlobby

Um staatliche Regulierungen abzuwenden, ist es für die Lebensmittel- und Zuckerindustrie wichtig, einen engen Kontakt zur Politik zu pflegen. Besonders gut ist der Zugang, den die beiden zentralen Lobbyverbände der Zuckwirtschaft zum Ernährungministerium haben: Hauptgeschäftsführer des Vereins der Zuckerindustrie und der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker ist Günter Tissen. Mehr als 14 Jahre lang arbeitete Tissen selbst im Bundesernährungsministerium, zuletzt als Regierungsdirektor. Vor sieben Jahren wechselte er die Seite und wurde Cheflobbyist der deutschen Zuckerwirtschaft. Die WELT am Sonntag schrieb einmal, Tissen habe sich sein berufliches Leben damit beschäftigt, ob und wann der Staat die Wirtschaft regulieren muss. In seinem neuen Job kümmere er sich nun darum, "dass sich der Staat aus seinen Geschäften raushält.“

Tissen traf sich allein 2016 mindestens fünf Mal mit der Bundesregierung. Wie oft der Lobbyist in den vergangenen Jahren die Interessen der Zuckerwirtschaft gegenüber der Regierung vortrug, ist öffentlich nicht bekannt. Bisher gibt es kein verpflichtendes Lobbyregister, in dem Lobbytreffen aufgeführt werden müssen.

Dass im Fall der Lebensmittel- und Zuckerwirtschaft freiwillige Selbstkontrollen funktionieren, bezweifeln selbst einige Parteikollegen von Ministerin Julia Klöckner. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Dietrich Monstadt setzt sich unter anderem für eine Zuckersteuer ein. Monstadt erkrankte an Diabetes Typ II. "Es rollt ein Diabetes-Tsunami auf uns zu", sagt der CDU-Abgeordnete. Nach Schätzungen könnte 2030 ein Viertel aller Deutschen an Diabetes Typ II erkrankt sein.

Bundesernährungsministerien Klöckner setzt unterdessen weiter auf freiwillige Selbstkontrollen der Industrie, was beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Unverständnis hervorruft. Nach Darstellung des Verbandes habe man zuletzt in drei Sitzungen im Ministerium versucht, verbindliche Vorgaben für die Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten zu erreichen. Alle Bemühungen seien vergeblich gewesen, so der BVKJ. Sollte sich die Ministerin wissenschaftlich wohlbegründeten Forderungen wie der nach einer Besteuerung von Softdrinks weiter verschließen, müsse ihr Verband darüber nachdenken, "ob wir uns nicht besser aus dem Begleitgremium zurückziehen", erklärte BVKJ-Vizepräsidentin Sigrid Peter. "Denn wir sind nicht bereit, mitzuarbeiten, wenn unsere Mitarbeit praktisch wirkungslos bleibt.“

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