Vattenfall, Deutsche Post, AOK: Gauck setzt Polit-Sponsoren vor die Tür

Hausverbot für Polit-Sponsoren in Schloss Bellevue ist das eine - doch wie sieht es in den Ministerien aus? abgeordnetenwatch.de hat den aktuellsten Sponsoringbericht (pdf) der Bundesregierung ausgewertet.

von Martin Reyher, 10.07.2012

Eine gute Nachricht in turbulenten Zeiten liefert in diesen Tagen Bundespräsident Joachim Gauck. Er möchte das diesjährige Sommerfest im Schloss Bellevue ohne Sponsoren aus der Wirtschaft veranstalten. Statt des bisher Wirtschaftsvertretern, Politikprominenz und Journalisten vorbehaltenen exklusiven Empfangs soll es diesmal einen Tag der offenen Tür und eine Festlichkeit für "verdiente Menschen aller Bundesländer" geben.

Zunächst: Im Vergleich zu manchem Ministerium waren die Sponsoringeinnahmen des Bundespräsidialamtes mit je rund 3 Mio. Euro (2009 und 2010) bislang eher gering. Der Sonsoringbericht 2011 weist eine ziemliche Bandbreite von Unterstützern bei den zwei Sommerfesten aus. Die Liste reicht von der AOK Berlin als größtem Geldgeber (150.000 Euro) über Vattenfall (135.000 Euro) bis hin zur Supermarktkette REWE (148.000 Euro), der Deutschen Post (130.000 Euro) und dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (70.000 Euro). Zu unterscheiden sind dabei Geld-, Sach- und Dienstleistungsbeiträgen, die sich im Bundespräsidialamt auf über 134 Einzelleistungen durch Dritte verteilen. Lassen sich aus einigen Sach- und Dienstleistungen noch direkte Bezüge zur Veranstaltung herstellen, wirken insbesondere die horrenden Geldleistungen oftmals wie der Kauf einer Eintrittskarte für eine exklusive Feier - mit Zugang zu den wichtigsten Akteuren im politischen Berlin.

Doch das Bundespräsidialamt belegt im Sponsoringbericht bei der Höhe der Einnahmen lediglich den vierten Platz. Am meisten profitiert das Bundesministerium für Gesundheit mit knapp 62 Millionen Euro verteilt auf gerade einmal 48 Sponsoren. Laut Bundesregierung liegt der Verwendungsschwerpunkt dieser Gelder auf Maßnahme zur Gesundheitsprävention. Als besonders großzügig entpuppt sich dabei der Verband der privaten Krankenversicherungen. Allein in den Jahren 2009 und 2010 unterstützte die Lobbyorganisation die Arbeit des Ministeriums mit Geldleistungen in Höhe von knapp 27 Mio. Euro. Genutzt wurden diese Gelder vorwiegend für Kampagnen zur Aids- und Alkoholprävention. Im Gegensatz zum Bundespräsidialamt betrifft Politsponsoring im Gesundheitsministerium vorwiegend Dienstleistungen.

Mit 13,2 Mio. Euro erzielte der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Jahr 2010 die zweitmeisten Sponsoringeinnahmen. Unternehmen wie BMW oder Vodafone, aber auch Privatpersonen und Stiftungen, engagierten sich finanziell u.a. an Ausstellungen oder dem Erwerb von Kunstobjekten.

Auch das Auswärtige Amt profitiert von immensen Sponsoren-Drittmitteln. Geld- und Sachleistungen belaufen sich hier auf mehr als 6 Millionen Euro für diverse Auslandsveranstaltungen, die von insgesamt 196 Sponsoren stammen. Größte Geldgeber sind unter anderem Volkswagen (weltweit mit insgesamt 470.000 Euro), Mercedes Benz Italia (270.000 Euro) sowie die RWE Stiftung Essen (50.000 Euro). Gesponsert werden hier vor allem verschiedene Empfänge, unter anderem zum Tag der Deutschen Einheit.

Über einen längeren Zeitraum betrachtet fällt auf, dass sich die Sponsorenleistungen in den Jahren 2009 und 2010 deutlich von 78,2 auf 93,4 Millionen Euro erhöht haben - Polit-Sponsoring boomt. Eine gegensätzliche Entwicklung ist übrigens bei den Parteispenden zu beobachten. Unternehmen sind in den letzten Jahren mit ihren Zuwendungen immer knausriger geworden (s. rechts). Dass Gaucks Maßnahme nachhaltig die politische Landschaftspflege durch Politsponsoring verändert, darf bezweifelt werden. Diverse Geld- und Sachleistungen flossen in Bellevue bislang einzig und allein in das traditionelle Sommerfest, dessen Umgestaltung hin zu einer transparenten, bürgernahen Feier ohne Geldleistungen von Sponsoren (Sachleistungen werden weiterhin akzeptiert) eher als symbolischer Akt des Bundespräsidenten zu verstehen sein dürfte. Ein Zeichen hat er gesetzt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Doch selbst der Sponsoringverzicht beim Sommerfest des Bundespräsidenten ist für manche Lobbyisten schon zu viel: "Das ist ein verheerendes Signal," kommentiert es ein Unternehmensvertreter.

 

Sponsoren-Excel als Open Data: Weil der Sponsoringbericht der Bundesregierung nur als pdf vorliegt, haben wir uns die Mühe gemacht und die Tabellen aus den rund 100 Seiten per copy and paste in eine Exceltabelle kopiert, die wir hier unter der Lizenz CC BY-NC-SA zum Download zur Verfügung stellen. In dem Dokument finden sich auch einige Skurilitäten, etwa "Kostenfr. Auftritte u. Geocaching d. Comedy-Künstlers "Bernhard Hoecker" v. 21. - 25.09.10 in Mazar-e-Sharif" oder die "Zuwendung v. 7.664 Stck. Kugelschreibern m. eingebauter Leuchte anl. Weihnachten/Neujahr an Soldatinnen u. Soldaten in den Einsatzgebieten." Excel-Tabelle hier downloaden Für die Vollständigkeit der Angaben können wir nicht garantieren. Foto Gauck: tohama (talk)/wikipedia unter CC BY-SA 3.0

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