Unter dem Strich stehen 177.831.594,26 Euro. So viel haben die deutschen Parteien zwischen 1994 und 2009 an veröffentlichungspflichtigen Großspenden (oberhalb von 10.000 Euro) erhalten. Bislang war es unmöglich, sich einen Einblick in die genauen Spendenströme zu verschaffen. Mit einem Parteispenden-Watch hat die TAZ nun dankenswerterweise Hunderte von Seiten aus den Rechenschaftsberichten digitalisiert und in einem Recherchetool frei durchsuchbar gemacht. Wer die Daten auswertet, dem offenbart sich ein faszinierender Einblick in die Spendenpraxis von Unternehmen, Interessenverbänden und Privatpersonen.
Stückeln, bündeln, tarnen - vier Geschichten aus der Parteispenden-Republik Deutschland:
Vater, Mutter, Kind – jeder darf mal
Nicht selten gerät der Nachwuchs ja vollkommen gegensätzlich zu den politischen Präferenzen der eigenen Eltern. Im Haus der Familie Hopp dagegen können sich Vater, Mutter und die beiden Söhne auf eine einzige Partei verständigen: die CDU. Die Sympathie geht sogar so weit, dass jedes der vier Familienmitglieder den Christdemokraten im Wahljahr 2005 eine Großspende zukommen läßt – zusammen 105.000 Euro.
Das Praktische daran: Indem die Hopps die Zuwendung auf vier Schultern verteilen, umgehen sie die 50.000 Euro-Grenze, ab der eine Spende „unverzüglich“ zu veröffentlichen ist. Vater Dietmar, Mitgründer des Softwareunternehmens SAP, Mäzen und einer der reichsten Deutschen, überwies der CDU 30.000 Euro, seine Frau Anneliese und die beiden Söhne Daniel und Oliver gaben jeweils 25.000 Euro. Auf diese Weise werden die Hopp'schen Wohltaten erst mit über eineinhalbjähriger Verspätung bekannt, als der Bundestag im April 2007 den CDU-Rechenschaftsbericht ins Internet stellt.
2007 erhält die CDU noch einmal Zuwendungen aus dem Hause Hopp. Diesmal allerdings spenden nur noch Vater Dietmar (11.000 Euro) und Sohn Daniel (18.000 Euro).
DVAG und CDU: Geldtransfer im Freundeskreis
Wenn die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) der CDU eine Spende zukommen lässt, dann bleibt das Geld in gewisser Weise im Freundeskreis. Denn beim Finanzdienstleister hat ein halbes Dutzend Unionspolitiker ein Betätigungsfeld in gehobener Position gefunden. Oberster Berater ist der 81jährige Altkanzler Helmut Kohl, der im DVAG-Beirat seinen längjährigen Weggefährten Horst Teltschik, den früheren thüringischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth an seiner Seite weiß. Den Aufsichtsrat der Vermögensberater lenkt Kohls Kanzleramtsminister Friedrich Bohl. Außerdem gehört dem Gremium Finanzminister a.D. Theo Waigel an.
Und Spenden flossen reichlich in den vergangenen Jahren. Mal kamen sie von der Allfinanz, einer DVAG-Tochterfirma (250.000 Euro in den Jahren 2008 und 2009), dann von der Vermögensberater Verlags- und Servicegesellschaft (50.000 Euro, 1998 und 2009), und natürlich vom Mutterkonzern selbst, der Deutschen Vermögensberatung AG (zusammen rund 1,08 Mio Euro zwischen 1997 und 2009). Ansässig sind die CDU-Großspender laut Rechenschaftsbericht allesamt in der Münchener Straße 1 in Frankfurt.
Doch die großzügigen Spenden für die Christdemokraten speisen sich auch noch aus anderen Quellen. Im Jahr 1995 gab der Bundesverband deutscher Vermögensberater (BDV) umgerechnet rund 25.000 Euro. Gemeldet war die Lobbyorganisation seinerzeit in der Gottfried-Keller-Straße 14 in Marburg. Von genau dieser Adresse erhielt die CDU 2009 eine weitere Spende. Absender: BDV-Gründer und DVAG-Chef Reinfried Pohl.
Für das Jahr 2009, als der Bundestag gewählt wurde und die DVAG sich besonders spendabel zeigte, findet sich erstmals auch eine Deutsche Vermögensberatung Holding GmbH unter den Spendern. Sie überwies den Christdemokraten 50.000 Euro.
Doch auch die FDP darf sich dem DVAG-Freundeskreis zugehörig fühlen. Nicht nur, dass deren früherer Parteivorsitzender Guido Westerwelle dem Finanzdienstleister 2009 als Beiratsmitglied mit Rat und Tat zur Seite stand und später gerne an die alte Wirkungsstätte zurückkehrte. Auch finanziell gibt es ein enges Band: Mehr als 800.000 Euro sind in den vergangenen Jahren auf das FDP-Parteikonto geflossen - von den unterschiedlichsten Gebern (Allfinanz, DVAG, Reinfried Pohl, Deutsche Vermögensberatung Holding GmbH, UBG Unternehmensberatung und Betreuung GmbH, Der Vermögensberater Verlags- und Servicegesellschaft), die allesamt in der schon bekannten Münchener Straße 1 in Frankfurt bzw. der Gottfried-Keller-Straße 14 in Marburg sowie - im Fall der Deutsche Vermögensberatung Holding GmbH und der UBG - in der Rosenstraße 28 in Marburg ansässig sind.
Aber nicht nur in Personal- und Spendenangelegeneheiten kreuzen sich die Wege der Vermögensberater und der Regierungsparteien. Zuletzt verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen von Union und FDP ein Anlegerschutzgesetz, mit dem u.a. die Arbeit von Finanzdienstleistern reguliert werden soll. Aus Sicht der Opposition stellt das Gesetz eine “bedingungslose Kapitulation vor den Anbietern von Finanzprodukten” dar. Demnächst steht die Reform des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts an. DVAG-Aufsichtsratschef Friedrich Bohl fordert in seiner Funktion als Vorsitzender des CDU-Großspenders „Bundesverband deutscher Vermögensberater“ schon einmal „eine ganze Reihe von Änderungen am geplanten Gesetz“ sowie „moderate Regelungen für Vermittler offener Fonds“.
(Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die DVAG 2009 auch CSU und SPD mit einer Spende bedachte. Die Bayern erhielten 13.950 Euro, die Sozialdemokraten 15.000 Euro.)
BMW-Erben Quandt: Großspenden im Dreierpack
„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ heißt es in Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz. Die drei BMW-Erben Johanna Quandt und ihre Kinder Stefan und Susanne (Klatten) setzen dies Jahr für Jahr in die Tat um, wenngleich in der leicht abgewandelten Variante „Wohlstand verpflichtet: Er soll vor allem dem Wohle von CDU und FDP dienen“.
Die Großspenden aus dem Hause Quandt/Klatten erfolgen meist im Dreierpack. Dann gehen auf den Parteikonten z.B. drei 25.000 Euro-Spenden auf einen Schlag ein (FDP 2008). In etwas besseren Jahren können es auch schon mal 3 x 50.000 (FDP: 2005) oder 3 x 75.000 Euro (2008: CDU) sein. Wenn es ganz gut läuft, so wie 2009 für die CDU, gibt es drei Mal 200.000 Euro. Über die Jahre haben so rund 3 Mio. Euro den Weg auf die Parteikonten von Christdemokraten und Liberalen gefunden. Spendabler ist keine Familie in Deutschland.
Allerdings ist es nicht so, dass Johanna Quandt und ihre Kinder die Zuwendungen von ihrem Privatkonto aus an die Parteien transferieren, wie man vielleicht glauben könnte. Die Privatspenden, die CDU und FDP von den Quandts erhalten, sind gar nicht so privat: Sie kommen allesamt aus dem Seedammweg 55 in Bad Homburg. Dort sitzen u.a. die "Johanna Quandt GmbH", die "Johanna Quandt GmbH & Co. KG für Automobilwerte", die "Stefan Quandt GmbH & Co. KG für Automobilwerte", die "Stefan Quandt Verwaltungs GmbH", die "JQ Private Equity 1 GmbH", die "JQ Private Equity 2 GmbH". Und die Altana AG, Seedammweg 5, hat über die Jahre auch noch einige Hunderttausend Euro gegeben. Sie ist ebenfalls Teil des Quandt-Imperiums.
Eine Spende, ein Interesse, eine Adresse - und drei Namen
Wahre Freunde zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass auf sie auch in schwierigen Zeiten Verlass ist. Im Wahljahr 2004 benötigte die Sachsen-CDU dringend freundschaftliche Zuwendung, und Zuwendung ist in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmen.
Gleich zwei Großspenden in Höhe von zusammen 75.000 Euro gingen 2004 auf dem Konto der Christdemokraten ein – mit besten Grüßen aus der Washingtonstraße 16/16a in Dresden, wo der Verband der sächsischen Arbeitgeber aus der Metall- und Elektroindustrie seinen Sitz hat. Die Sachsen-CDU stand nach 14jähriger Alleinregierung erstmals vor dem Verlust der absoluten Mehrheit, und das schlimmste dabei war: der Wunschpartner FDP drohte mal wieder an der 5 Prozent-Hürde zu scheitern. Und so fanden sich in der Washingtonstraße auch für die Liberalen noch einmal 20.000 Euro Wahlkampfhilfe. (Der FDP sollte am Ende zwar knapp der Einzug in den Landtag gelingen, doch für eine schwarz-gelbe Regierung reichte es am Ende trotzdem nicht. Die CDU tat sich schließlich mit der 9,8-Prozent-Partei SPD zusammen).
Im Rechenschaftsbericht des Jahres 2004, in dem die Parteien alle Spenden ab 10.000 Euro veröffentlichen müssen, tauchen die Zuwendungen an CDU und FDP an drei unterschiedlichen Stellen auf: unter den Buchstaben U (wie „Unternehmensverband der Metall- Elektroindustrie Sachsen“: 35.000 Euro für die CDU), V (wie „Verband der Sächischen Metall- und Elektroindustrie“: 40.000 Euro für die CDU) und M (wie „M + E Consult GmbH“: 20.000 Euro für die FDP). Blättert man den Rechenschaftsbericht durch, deutet nichts darauf hin, dass diese Spenden in irgendeinem Zusammenhang stehen könnten. Es sei denn, man sortiert sämtliche Zuwendungen alphabetisch nach der Anschrift der Spender. Dann plötzlich tauchen die drei Spenden untereinander auf, denn die Auftraggeber residieren unter demselben Dach: in der Washingtonstraße 16/16a in 01139 Dresden. Die Verbindung zwischen dem "Verband der Sächsischen Metall- und Elektrolindustrie" und der "M+E Metall- und Elektroindustrie Consult GmbH", wie das Unternehmen vollständig heißt, ist schnell erzählt: Die Consultingfirma ist zwar formal eigenständig, doch sie greift den Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes mit ihrem Service- und Dienstleistungsangebot freundschaftlich unter die Arme.
Dass die sächsische Metall- und Elektroindustrie ihre 75.000 Euro an die Sachsen-CDU auf zwei Spenden verteilte, dürfte angesichts der 50.000 Euro-Grenze für sofort zu veröffentlichende Parteispenden kein Zufall sein. Durch die Stückelung umgingen die Arbeitgeber diese Regelung – mit dem Ergebnis, dass ihre finanzielle Wohltat aus dem Wahljahr 2004 erst mit der Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte im April 2006 bekannt wurde. Selbst wenn die Spenden damals jemandem aufgefallen wären: mit dem zeitlichen Abstand von eineinhalb Jahren zur Landtagswahl hätte sich die Empörung sicher in Grenzen gehalten.
Doch die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Als die sächsische Metall- und Elektroindustrie CDU und FDP 2004 finanziell bedachte, lenkte ein gewisser Hartmut Fiedler als Geschäftsführer die Geschicke des Unternehmensverbandes. Fünf Jahre später wechselte der Lobbyist die Seiten – und wirkt für die schwarz-gelbe Landesregierung seit 2009 als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Wer sich nun wundert, dass in den vier Geschichten SPD, Grüne und Linke - wenn überhaupt - nur in Nebenrollen vorkommen: Diese Parteien erhalten traditionell weitaus weniger Großspenden, insbesondere von Unternehmen und Verbänden. Eine Studie des Max-Planck-Instituts (S. 26, pdf) kommt für die Jahre 1998-2005 zu dem Ergebnis, dass die allermeisten Großspenden von Unternehmen und Verbänden Union und FDP zugute kommen:
Von den 125 beobachteten Spendenfällen sind 94 (75,2 Prozent) zu drei Vierteln oder mehr auf das bürgerliche politische Spektrum konzentriert. 74 dieser 94 gingen sogar ausschließlich an CDU/CSU und FDP. Lediglich 6 der 125 Spenden wurden gezielt zur Unterstützung des linken Lagers getätigt (4,8 Prozent). Die restlichen 25 Spenden (20,0 Prozent) waren lagerübergreifende Spenden.
Allerdings braucht insbesondere die SPD nicht zu darben. Wie keine andere Partei profitiert sie von Einkünften aus Medien- und Verlagsbeteiligungen (u.a. Neue Presse, Öko-Test). 2009 flossen so allein gut 10 Mio. Euro auf das Parteikonto.
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Anmerkung: Die TAZ weist darauf hin, dass die Originaldaten aus den Rechenschaftsberichten des Bundestags mittels einer Schrifterkennungssoftware (OCR) eingelesen wurden und die Parteispenden deswegen unvollständig sein können. Die im obigen Text genannten Spenden wurden von abgeordnetenwatch.de in den Originaldokumenten auf ihre Richtigkeit geprüft. Dennoch können die Spenden unvollständig sein, z.B. wenn die Zuwendung eines Unternehmens im TAZ-Parteispenden-Watch nicht erfasst wurde.
Update: Die TAZ verweist in ihrem Artikel "Tchibo hat ein Herz für die CDU" auf diesen Blogeintrag und den Fall der gestückelten Spende der Familie Hopp. Die Kollegen haben weitere ähnliche Beispiele entdeckt.
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