Kleinere Firmen müssen sich dagegen zweimal überlegen, ob sie das Geld - je nach Reiseziel mehrere Tausend Euro - investieren. Manche tun es.
Spricht man mit Teilnehmenden, die für mittelständische Unternehmen arbeiten, erfährt man, warum sich die Ausgaben auch für sie lohnen können. Die Reise mit einem wichtigen Regierungsmitglied lässt sich für die Außendarstellung des eigenen Unternehmens nutzen, um sich von der Konkurrenz abzuheben.
Je nach Zielland wollen über hundert Unternehmen mit dem Kanzler oder Minister:innen ins Ausland reisen. Die Bewerbungen werden von Wirtschafts- und Handelsverbänden wie der DIHK gesammelt und an die Bundesregierung weitergeleitet. Die Auswahl treffen dann das Bundeskanzleramt und die Bundesministerien. Man strebe eine “möglichst repräsentative Auswahl” der Teilnehmenden an, erklärt ein Regierungssprecher. Klare Kriterien gibt es nicht.
Der intransparente Auswahlprozess wirft Fragen auf - besonders dort, wo es eine Nähe zwischen einem Regierungsmitglied und Unternehmensvertreter:innen gibt.
Ex-Mitarbeiter reiste mit Habeck nach Algerien
Ulrich Benterbusch war als hoher Beamter im Wirtschaftsministerium für Gas und Wasserstoff zuständig, bevor er 2023 auf Vorschlag des BMWK Geschäftsführer von Gascade wurde. Das Unternehmen besitzt Tausende Kilometer Gasleitungen.
Die Gascade Gastransport GmbH, die mittelfristig auf Wasserstoff umstellen will, gehört über die verstaatlichte SEFE (früher: Gazprom Germania) dem Bund, soll allerdings bald wieder privatisiert werden.
Da hilft es, mit einem hochrangigen Minister im Ausland Kontakte zu knüpfen. Im Februar 2024 reiste Benterbusch mit Habeck nach Algerien. Während der Reise unterzeichnete der Wirtschaftsminister eine Absichtserklärung für eine Wasserstoff-Pipeline, die bis nach Deutschland reichen soll.
Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums antwortete nicht auf die Frage, ob die bestehende Beziehung zwischen dem Gas-Chef und Minister Habeck bei der Auswahl der Delegationsmitglieder eine Rolle gespielt habe. Zu “Einzelpersonalien” könne sie keine Auskunft geben.
Wer im Regierungsflieger mitreisen will, muss sich verantwortungsvoll und dem geltenden Recht entsprechend verhalten, heißt es von einem Sprecher des Bundeskanzleramts. Doch das ist nicht immer der Fall. Zum Beispiel beim Rüstungskonzern Hensoldt.
Teilnahme an Regierungsreisen trotz Rüstungsskandal
Hensoldt bahnte trotz eines Ausfuhrverbotes zahlreiche Waffendeals mit dem Regime Saudi-Arabiens an, wie der Spiegel im September 2022 aufdeckte.
Nur zwei Monate nach der Enthüllung reiste eine Hensoldt-Führungskraft mit Wirtschaftsminister Habeck nach Singapur. Auch im Oktober 2024 war Hensoldt wieder dabei. Diesmal ging es mit dem Bundeskanzler nach Indien. Das Ziel: Mehr deutsche Waffen verkaufen, wie Scholz damals angab.
Die Verwicklung in den Skandal war offenbar kein Grund, von den Reisen ausgeschlossen zu werden. Sprecher:innen des Bundeskanzleramts und des Wirtschaftsministeriums wollten gegenüber abgeordnetenwatch.de den konkreten Fall nicht kommentieren.