Bis zu 200.000 Euro: Das verdienen Ex-Abgeordnete mit ihrem Lobbyjob | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
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Bis zu 200.000 Euro
Das verdienen Ex-Abgeordnete mit ihrem Lobbyjob
Nach ihrer politischen Karriere versilbern viele Abgeordnete ihre Kontakte. Recherchen von abgeordnetenwatch.de zeigen, wie sie Unternehmen und Organisationen die Türen zur Bundesregierung öffnen – und sich üppig bezahlen lassen.
Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2020 erhielt der Hamburger SPD-Politiker Johannes Kahrs 120.000 Euro im Jahr: Diäten, bezahlt aus Steuermitteln. Auch heute wird Kahrs noch bestens bezahlt – als Lobbyist für internationale Großkonzerne.
Kurz nach Ende seiner Abgeordnetentätigkeit gründete er die Agentur Duckdalben Consulting, mit der er augenscheinlich gute Geschäfte macht. Im Jahr 2023 waren es zwischen 100.001 und 150.000 Euro, so ist es im Lobbyregister des Bundestags nachzulesen. Dort muss Kahrs erhaltene “Finanzmittel” aus seiner Interessenvertretung aufführen.
Kahrs, einst einflussreicher Finanzpolitiker, ist nicht der einzige Ex-Abgeordnete mit einem einträglichen Lobbyjob, wie Recherchen von abgeordnetenwatch.de zeigen.
Millionen-Auftrag für einen Rüstungskonzern
Da ist zum Beispiel Eckhardt Rehberg, der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern. Er schied 2021 aus dem Bundestag aus und ließ sich ein gutes Jahr später ins Lobbyregister eintragen.
Drei Unternehmen bezahlen Rehberg für seine Dienste: Von der Agentur Ehrenberg Sorensen und dem Rüstungsunternehmen General Dynamics erhielt er 2023 jeweils zwischen 1 und 50.000 Euro, von der Beteiligungsgesellschaft EUS Holding GmbH zwischen 50.001 und 100.000 Euro. (Vom vierten Auftraggeber, dem Deutschen Institut für reines Bier, erhielt er kein Geld.)
Als Rehberg noch im Haushaltsausschuss des Bundestags saß, bewilligte der Ausschuss 148 Millionen Euro für die Anschaffung des Militärfahrzeuges Eagle V 6X6, das von Rehbergs heutigem Kunden hergestellt wird: General Dynamics. Dem Rüstungskonzern hilft Rehberg inzwischen beim "Herstellen und Pflege von Kontakten zum Bundestag und Bundesregierung", heißt es in seinem Eintrag im Lobbyregister. Auf eine Anfrage von abgeordnetenwatch.de, ob sein Beraterjob bei General Dynamics mit den freigegebenen Millionen durch den Haushaltsausschuss im Jahr 2020 zusammenhängt, reagierte Rehberg bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht.
Rehbergs anderer Auftraggeber, die EUS Holding, setzt sich laut Lobbyregister für die “Installierung und Umsetzung eines Rohstofffonds” ein – mit tatkräftiger Unterstützung des langjährigen CDU-Abgeordneten: 2023 und 2024 sprach er insgesamt dreimal mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne), über das Thema, wie das Ministerium bestätigte. Gegenüber abgeordnetenwatch.de wollte sich Rehberg nicht äußern.
Der Rohstofffonds ist inzwischen eingeführt. Ob er den Vorstellungen der EUS Holding entspricht, wollte das Unternehmen auf Anfrage nicht mitteilen.
Mehr als 100.000 Euro vom Malteserorden
Erfolgreich mit seiner Lobbyarbeit war auf jeden Fall Rüdiger Kruse. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete aus Hamburg verhalf dem Malteserorden im Libanon, einer Hilfsorganisation, zu einer Förderung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Höhe von 2,7 Millionen Euro. Kruse sei "in seiner Funktion als (…) Berater für den libanesischen Malteser-Orden beteiligt" gewesen, bestätigt eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage.
Schon in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter hatte Kruse mit dem Orden zu tun. Er war Mitglied im Haushaltsausschuss, als dieser eine Förderung des Ordens in Höhe von 27 Millionen Euro beschloss. Pikanterweise lässt Kruse sich inzwischen vom Malteserorden im Libanon gut bezahlen. Im Jahr 2023 erhielt er laut Lobbyregister zwischen 100.001 und 150.000 Euro. Auf die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen seiner früheren Tätigkeit im Bundestag und seinem jetzigen Job für den Orden gibt, antwortet Kruse knapp: “Nein.”
picture alliance / PublicAd | Stefan Hoyer
Schon als Bundestagsabgeordneter und Haushaltspolitiker hatte Rüdiger Kruse (CDU) mit dem Malteserorden zu tun, der eine Millionenförderung erhielt. Heute ist Kruse im Auftrag des Ordens als Interessenvertreter tätig.
Nach einer Anfrage von abgeordnetenwatch.de erscheinen die Kunden plötzlich im Lobbyregister
Immerhin macht Kruse seine Kunden im Lobbyregister transparent. Das scheint bei anderen nicht immer der Fall zu sein. Im Registereintrag der Beratungsfirma von Johannes Kahrs ist zwar seit langem zu lesen, dass er für die Lobbyagentur Eutop arbeitet. Für welchen Eutop-Kunden genau, stand dort bis November 2024 nicht. Diese Angabe ist seit einer Gesetzesverschärfung, die im April 2024 in Kraft getreten ist, verpflichtend.
Als abgeordnetenwatch.de am 25. November Kahrs damit konfrontierte, dass seine Angaben offenbar nicht dem Lobbyregistergesetz entsprechen, wurden die Namen vier Tage später nachgetragen. Im Registereintrag der Duckdalben Consulting GmbH heißt es nun: "Zweck der Interessenvertretung ist es, die Sicht der beauftragenden Organisationen zu vermitteln. Dies betrifft insbesondere die EUTOP-Mandate DocMorris N.V., Bayer AG und British American Tobacco (Industrie) GmbH".
Die Ex-Ministerin und ihre Tätigkeit für Apple
Kahrs und Kruse spielen als Lobbyisten und Berater finanziell in einer Liga mit der ehemaligen Justiz- und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Die langjährige SPD-Politikerin gibt im Lobbyregister den US-Konzern Apple als Auftraggeber an, von dem sie im Jahr 2023 zwischen 100.001 und 150.000 Euro erhielt. Sie informiere sich in den Medien und auf “einschlägigen Veranstaltungen” über Gesetzesvorhaben in Deutschland und diskutiere diese, erklärt Zypries dort.
Betreibt hier eine Ex-Bundesministerin Lobbyarbeit für einen Milliardenkonzern? Zypries weist das zurück. Sie habe weder Bundestagsabgeordnete noch deutsche Ministerien kontaktiert, erklärt sie gegenüber abgeordnetenwatch.de.
Warum steht sie dann im Register? "Tja", schreibt Zypries, "das Lobbyregister hat mir auch schon empfohlen, meinen Eintrag zu streichen". Sie habe sich eingetragen, weil sie vorsichtig sein wolle und nicht wisse, was noch anfallen könnte.
Konkrete Fragen will Suding nicht beantworten
Eine weitere Ex-Politikerin im Lobbyregister ist die ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Suding. Suding, ebenfalls aus Hamburg, will sich nicht näher zu den 50.001 bis 100.000 Euro äußern, die sie im Jahr 2023 von der Lobbyagentur Rud Pedersen für "Strategische Beratung von Wirtschaftsunternehmen über politische Entwicklungen und politische Prozesse" erhalten hat. Am Telefon verweist sie auf das Lobbyregister, mit dem sie sich sehr viel Mühe gegeben habe. Konkrete Fragen, die abgeordnetenwatch.de ihr zuvor geschickt hatte, wollte Suding nicht beantworten. Die Fragen lauteten unter anderem: Haben Sie Abgeordnete, Regierungsmitglieder und Mitarbeiter aus Ministerien für diesen Auftrag kontaktiert? Oder: Welche Kunden von Rud Pedersen beraten Sie?
Zumindest auf die letzte Frage findet sich eine Antwort, wenn man ein wenig sucht: im Registereintrag von Rud Pedersen. Dort ist Suding als Subunternehmerin für die dänische Firma Ooono aufgeführt. Diese vermarktet digitale Verkehrsinstrumente an deutsche Autofahrer.
Demnächst dürfte es viel Bewegung im Lobbyregister geben. Mit der Bundestagswahl im Februar werden wahrscheinlich etliche Abgeordnete, die den Wiedereinzug verpasst haben oder nicht mehr angetreten sind, als Lobbyist:innen tätig werden. Ihren Kontakte in die Politik stehen bei Unternehmen und Verbänden immer hoch im Kurs.