Teure Gastgeschenke: Rolex, Münzen, Teppiche: Was Abgeordnete geschenkt bekommen | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
Teure Gastgeschenke
Rolex, Münzen, Teppiche: Was Abgeordnete geschenkt bekommen
Eine interne Liste des Bundestags zeigt, welche Gastgeschenke die Abgeordneten erhalten haben – unter anderem teure Uhren, Teppiche und eine Münzsammlung. Die Präsente mussten sie abgeben, anderes darf behalten werden. Zum Beispiel Einladungen zu Luxusreisen.
Wer im Bundeskanzleramt arbeitet, bekommt mitunter Merkwürdiges geschenkt. Mal wurde den Beschäftigten mit einer Wasserwaage eine Freude bereitet, mal mit einer „Nasenspülkanne“ oder einer Warnweste („Wert: 3,95 Euro“), wie unsere Partnerorganisation FragDenStaat berichtete. Auch ein „Vogelfutteraufhänger“ fand schon dankbare Abnehmer: Die beschenkte Person übernahm das Utensil in ihren Privatbesitz.
Weit weniger trivial sind Präsente, mit denen Abgeordnete des Deutschen Bundestages bedacht wurden. In den vergangenen Jahren erhielten sie etliche kostspielige Gastgeschenke – von Teppichen über eine Münzsammlung bis zu Luxusuhren.
Bis zur Herausgabe der Geschenkliste dauerte es drei Jahre
Um die interne Geschenkliste machte die Bundestagsverwaltung lange ein Geheimnis. Im Februar 2019 hatte abgeordnetenwatch.de einen Auskunftsantrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt. Doch es sollte fast drei Jahre dauern, bis die Verwaltung die Aufstellung vor kurzem herausgab. (Der Bundestag begründet dies damit, dass zunächst ein Gerichtsverfahren abgewartet werden musste, bei dem es um eine ähnliche Rechtsfrage gegangen sei. Dabei handelte es sich um eine Klage von abgeordnetenwatch.de zu Verstößen von Abgeordneten gegen die Verhaltensregeln, die wir Anfang 2021 vor dem Berliner Verwaltungsgericht gewannen. Nach dem Urteil benötigte der Bundestag noch fast ein Jahr, um die Geschenkliste vorzulegen.)
Nach den Verhaltensregeln müssen Abgeordnete der Bundestagsverwaltung melden, wenn sie Gastgeschenke mit einem materiellen Wert von mehr als 200 Euro erhalten. Seit dem Jahr 2017 sind zahlreiche Wertgegenstände zusammen gekommen:
eine Armbanduhr (blau/champagner) von Pierre Lannier [254(4)] in schwarzer Box. Wert: nicht bekannt
ein Teller (Metall, goldfarben) „mit arabischer Beschriftung in rot und schwarz, einem Wappen sowie einem verzierten Rand, verpackt in einem rot-weinroten, mit Wappen, Zierrand und Verschluss ausgestatteten, mit Lederimitat verkleideten, beigefarben gepolsterten Karton“. Wert: nicht bekannt
ein rot gemusterter Teppich aus Marokko. Wert: nicht bekannt
eine Rolex-Armbanduhr, OYSTER M SAP 39139.64, Modell: 116622. Wert: nicht bekannt, „geschätzt größer als 6.000 Euro“
eine Armbanduhr von Pierre Lannier. Wert: geschätzt 160 - 250 Euro
ein Teppich. Wert: nicht bekannt, geschätzt größer als 200 Euro
eine Uhr Philip Watch, Modell Prestige Caribe. Wert: „Geschätzt durch einen Juwelier in Berlin: 366,90 Euro“
eine silberfarbene Medaille („Medaille mit Aufschrift, Metall, silberfarben verpackt in einem schwarzen Kunststoffkästchen (ca. 12x9 cm) mit roter Kunststoffeinlage“). Wert: nicht bekannt, "geschätzt größer als 200 Euro"
eine Münzsammlung bestehend aus acht Münzen (Metall, gold- und silberfarben mit Aufschrift, verpackt in roter Kunstlederbox). Wert: Nicht bekannt, "geschätzt größer als 200 Euro"
(Quelle: Antwort des Bundestags auf einen Auskunftsantrag von abgeordnetenwatch.de zu den von Abgeordneten gemeldeten Gastgeschenken seit 2017 Teil 1, Teil 2)
Große Freude an den Geschenken hatten die Abgeordneten freilich nicht. Laut Verhaltensregeln haben sie diese beim Bundestag abzugeben. Die Parlamentarier:innen können beantragen, „das Gastgeschenk gegen Bezahlung des Gegenwertes an die Bundeskasse zu behalten.“ Dies, so die Bundestagsverwaltung, sei seit 2017 nicht geschehen. Weder die Rolex noch die Teppiche sind also in den Besitz der beschenkten Politiker:innen übergegangen.
Unklar ist, wer den Abgeordneten solch teure Geschenke machte – und bei welcher Gelegenheit. Immerhin so viel lässt sich sagen: Die Präsentemüssen den Parlamentarier:innen entweder im Rahmen einer offiziellen Delegations- oder Dienstreisen des Bundestags bzw. der Fraktionen überreicht worden sein, oder als Gastgeber:in einer Reisedelegation. Nur für solche Gastgeschenke ab 200 Euro gilt die Melde- und Abgabepflicht.
Einladung in den Oman für knapp 5.500 Euro
Andere Präsente bzw. geldwerte Zuwendungen dürfen die Abgeordneten annehmen und behalten, unabhängig von ihrem Gegenwert. Dies gilt etwa für die Übernahme von Reisekosten. Vor einiger Zeit machte der SPIEGEL öffentlich, dass sich die Unionsabgeordneten Christoph Ploß (CDU), Wolfgang Stefinger (CSU) und Ronja Kemmer (CDU) 2018 auf einen dreitägigen Kurztrip in das arabische Sultanat Oman einladen ließen, Opernbesuch und Ausflug in die Wüste inklusive. Für die Reisekosten kam die Botschaft des Sultanats auf – 5.466 Euro pro Person.
Behalten dürfen Abgeordnete auch Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke „von Personen oder Institutionen, zu denen mandatsbezogene Kontakte bestehen“, wie es die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages formulieren. Unter „mandatsbezogen“ fallen zum Beispiel Kontakte mit Lobbyistinnen und Lobbyisten.
Kino-Jahreskarte als Aufmerksamkeit
Immer wieder versuchen Lobbyakteure, mit Präsenten die Aufmerksamkeit von Abgeordneten zu gewinnen. Eine Kinokette ließ vor einigen Jahren eine Jahreskarte an die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Tabea Rößner, schicken. Diese sandte die Dauerkarte umgehend zurück, genau wie einen MP3-Player, der ihr ungefragt zugeschickt wurde. „Sobald ich Geschenke annehme, mache ich mich abhängig, die Grenzen sind fließend“, sagte Rößner der Rhein-Zeitung.
Bekannt werden diese Art der Geschenke oder Einladungen nur selten. Die Veröffentlichungsschwelle ist hoch: Erst ab einem Wert von mehr als 3.000 Euro müssen sie auf den Bundestagsseiten der Abgeordneten veröffentlicht werden.
Strengere Veröffentlichungspflichten nach Amthor-Skandal
picture alliance/dpa/Jens Büttner
Mit Augustus Intelligence-Mitarbeitern auf Reisen: Philipp Amthor (CDU)
Bis vor kurzem lag die Veröffentlichungsschwelle sogar bei 10.000 Euro. Dass der Grenzwert zu Jahresbeginn abgesenkt wurde, ging auf den Lobbyskandal um den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor zurück. Der Politiker hatte sich 2018 beim damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für das US-Unternehmen Augustus Intelligence eingesetzt und später Aktienoptionen und einen Direktorenposten bei dem New Yorker Start-up erhalten. Amthor war laut SPIEGEL außerdem mit Augustus-Mitarbeitern in teuren Hotels abgestiegen. Wer die Kosten für die Reisen übernahm, wollte Amthor damals nicht mitteilen. Ein Rechtsverstoß konnte dem Abgeordneten nicht nachgewiesen werden.
Doch nicht alles dürfen Parlamentarier:innen annehmen. „Unzulässig ist insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird“, heißt es im Abgeordnetengesetz. Auch Spenden, die bei den Parlamentarier:innen "verbleiben sollen", sind verboten.
Was passiert mit den Luxusuhren und der Münzsammlung?
Zurück noch einmal zu den Luxusuhren und Teppichen, die die Abgeordneten auf Dienst- und Delegationsreisen geschenkt bekamen und die sie beim Bundestag abliefern mussten. Was dann mit den Gegenständen passiert, ist im Abgeordnetengesetz geregelt. Der Präsident oder die Präsidentin entscheidet über die Verwendung angezeigter Gastgeschenke, heißt es dort. „Diese können versteigert oder vernichtet werden. Werden sie versteigert, ist der Erlös dem Haushalt des Bundes zuzuführen.“
Die Rolex jedenfalls ist bislang nicht unter den Hammer gekommen, auch keines der anderen Gastgeschenke, wie die Bundestagsverwaltung gegenüber abgeordnetenwatch.de mitteilte. Was mit den Gegenständen geschehen ist bzw. geschehen soll, ist unklar. Eine Antwort des Bundestags lag bei Veröffentlichung dieses Artikels nicht vor.
Nachtrag vom 13. April 2022:
Die Bundestagsverwaltung erklärte inzwischen auf Anfrage, die Gastgeschenke würden derzeit verwahrt. Es sei geplant, diese sukzessive zu verwerten. "Dabei wird auch aus Gründen der Höflichkeit auf einen größeren zeitlichen Abstand zur Entgegennahme durch die Beschenkten geachtet."