Nachwuchswerbung, Newsletter, Flüchtlingskrise: Wofür die Bundesregierung PR-Agenturen beauftragt

Wofür und in welchem Umfang die Bundesregierung Aufträge an PR-Agenturen vergibt, war bislang weitgehend unbekannt. abgeordnetenwatch.de liegen nun Angaben zu den Aufträgen der meisten Bundesministerien und des Bundespresseamtes an externe Dienstleister vor, die interessante Einblicke in die Regierungs-PR erlauben.

von Martin Reyher, 20.05.2016
PR-Auftragsliste BPA
PR-Auftragsliste des Bundespresseamtes


Dass bisweilen die Weltpolitik auf die Arbeit einer Werbeagentur durchschlagen kann, zeigte sich im Sommer des Jahres 2014. Kaum hatte die Agentur Scholz & Friends im Auftrag der Bundesregierung ein Logo für den geplanten G8-Gipfel auf Schloss Elmau entwickelt, wanderten die Entwürfe auch schon wieder in den Papierkorb. Der Grund: Wegen der Ausladung von Russlands Präsident Wladimir Putin vor dem Hintergrund des Ukraine-Konfliktes musste aus dem G8- plötzlich ein G7-Logo werden – und die Grafiker von vorne anfangen. 79.964,43 Euro kostete die Erstellung des Gipfel-Logos am Ende, deutlich mehr als ursprünglich geplant.

In welchem Umfang und für welche Leistungen die Bundesregierung Aufträge an PR- und Kommunikationsagenturen vergeben hat, war bislang allenfalls in Einzelfällen bekannt. abgeordnetenwatch.de liegen nun Übersichten zu den Aufträgen der meisten Bundesministerien und des Bundespresseamtes an externe Dienstleister vor, die interessante Einblicke u.a. in die Kosten und Schwerpunkte der Regierungs-PR erlauben.

Veraltete Website

Da ist beispielsweise die Initiative „Erfahrung ist Zukunft“, mit der die Bundesregierung Menschen ab 50 „Impulse für ein erfülltes Leben im Alter“ geben will. Im Rahmen der groß angelegten Kampagne lässt das Bundespresseamt von seiner Vertragsagentur Scholz & Friends allmonatlich einen Newsletter erstellen, wobei der Empfängerkreis allerdings recht überschaubar ist: Die eMail-Version des Newsletters gehe an 2.500 Menschen, teilte das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage mit (zum Vergleich: den abgeordnetenwatch.de-Newsletter erhalten gut 116.000 Menschen). Außerdem würden von jeder Ausgabe 18.000 Exemplare gedruckt und an Multiplikatoren verteilt.

Nicht ganz so gering sind die Kosten, die die Vertragsagentur dem Bundespresseamt (BPA) für die „WEB Redaktion Erfahrung ist Zukunft Newsletter“ in Rechnung stellt. Für April bis Dezember 2015 wurden laut einer BPA-Übersicht mit den vergebenen Aufträgen insgesamt 172.608 Euro fällig, was monatlichen Kosten von rund 19.000 Euro entspricht. Gegenüber abgeordnetenwatch.de teilte das Bundespresseamt mit, in der Newsletter-Redaktion seien „zwei Mitarbeiter im Umfang von insgesamt einer Vollzeitstelle“ tätig. Die vergleichsweise hohen Kosten begründet das BPA mit einem „hochqualifierten Team“, das hinter den Redakteuren stehe.

Laut BPA gehört zu dem Agenturauftrag u.a. auch die Betreuung und Pflege der Kampagnen-Website. Allerdings sind deren Inhalte mitunter merklich veraltet: Auf der Kontaktseite ist derzeit als Datum der „04.10.2013“ angegeben, ein als Unterstützer der Demographie-Kampagne genanntes Unternehmen existiert inzwischen nicht mehr, an anderer Stelle war annähernd ein Jahr lang eine nicht mehr aktuelle Kontaktadresse vermerkt. Zumindest Letzteres hat das Presseamt inzwischen korrigieren lassen.

"Beratungsleistung Migrations-Kommunikation Pakistan"

Aus den Angaben, die die Bundesregierung gegenüber abgeordnetenwatch.de zu ihren PR-Aufträgen macht, lässt sich auch die unterschiedliche Schwerpunktsetzung der einzelnen Ministerien herauslesen. Anders als die allermeisten anderen Bundesministerien hat beispielsweise das Haus von Gesundheitsminister Hermann Gröhe den Großteil seiner Social Media-Aktivitäten an eine Agentur ausgegliedert. Das Arbeits- und Sozialministerium wiederum lässt externe Dienstleister mit großem finanziellen Aufwand die eigene Politik – konkret das Rentenpaket und den Mindestlohn – bewerben, während der größte PR-Posten des Bundesbildungsministeriums (rund 84.000 Euro) der Tag der offenen Tür im vergangenen Jahr ist. Die meisten anderen Ministerien kamen bei dieser Veranstaltung ohne eine Kommunikationsagentur aus bzw. nahmen diese nur in geringem Maße (Auftragsvolumen: unter 10.000 Euro) in Anspruch.

Auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise griff die Bundesregierung auf die Unterstützung externer Kommunikationsdienstleister zurück. Als vergangenen Oktober täglich mehrere Tausend Flüchtlinge in Deutschland eintrafen, beauftragte das Auswärtige Amt eine Agentur für eine „Kampagne zur Flüchtlingskommunikation in Afghanistan und Pakistan“. Damit wollte die Bundesregierung „gegen falsche Gerüchte und Lügen von Schleppern“ vorgehen und hoffte so wohl auch, dass sich fortan weniger Menschen auf den Weg nach Deutschland machen würden. Neben der Aufklärungskampagne, für die die Agentur 74.970 Euro in Rechnung stellte, holte sich das Auswärtige Amt im Januar 2016 ein weiteres Mal Unterstützung für die „Migrations-Kommunikation Pakistan“ ins Haus. Der als Beratungsleistung gekennzeichnete Posten wurde der Agentur mit 82.000 Euro vergütet.

Aufträge an PR-Agenturen über mindestens 18,7 Mio. Euro seit 2014

Übersicht der PR-Aufträge in Euro

Addiert man die Kosten aller externen PR-Aufträge der einzelnen Ministerien und des Bundespresseamtes seit Aufnahme der Regierungsgeschäfte durch die Große Koalition Anfang 2014, belaufen sich diese auf mindestens 18,7 Mio. Euro. Die tatsächlichen Ausgaben für Agenturen sind jedoch deutlich höher: abgeordnetenwatch.de hatte über das Informationsfreiheitsgesetz lediglich nach Aufträgen von mehr als 10.000 Euro gefragt. Keine konkreten Angaben zur Höhe seiner PR-Kosten machte außerdem das Verteidigungsministerium sondern teilte ganz allgemein mit, dass es in sechs Fällen Agenturleistungen oberhalb der Schwelle in Anspruch genommen habe (für „Nachwuchswerbung, Layoutgestaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Beratung zum Tag der Bundeswehr sowie zu der Arbeitgebermarke Bundeswehr“).

Auch fehlen die PR-Ausgaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Das Haus von Minister Christian Schmidt hatte für die Auskunft eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 190 Euro verlangt, woraufhin wir unsere Anfrage zurückzogen. Auch andere Ministerien hatten zunächst versucht, uns mit horrenden Gebühren abzuschrecken. Als wir daraufhin eine detaillierte Aufschlüsselung der Kosten anforderten, stellte sich in mehreren Fällen heraus: Den angeblich „erhöhten“ Verwaltungsaufwand – wie z.B. die vom Bundesbildungsministerium angenommenen 36 Arbeitsstunden – gab es gar nicht.

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