Sehr geehrte Frau Mayer, fordern Sie die Freilassung von Julian Assange?
Während heute der Schock über den Tod Nawalnys tief steckt, läuft gerade einem anderen Dissidenten die Zeit aus. Am 20./21.02. das Londoner High Court über das Schicksal von Julian Assange entschieden (Amnesty). Eine Auslieferung bedeutet für ihn Lebensgefahr (Zeugnis von Prof. Michael Kopelman).
Assange wird bereits seit 4 Jahren im Hochsicherheitstrakt in Belmarsh in Einzelhaft gefangen gehalten. Der Europarat CPT beschreibt diese Form der Haft als potentiell extrem schädigend, in einer Untersuchungshaft als sparsam einzusetzen und knüpft diese an "konkrete Beweise für eine erhebliche Gefährdung der Rechtspflege [...], wenn der betreffende Gefangene mit bestimmten Insassen oder allgemein mit anderen in Kontakt tritt" (CPT/Inf(2011)28-part2: "Einzelhaft für Gefangene"). 4 Jahre!
Die bereits erlittenen Haftbedingungen und damit einhergehenden schwere psychischen Schäden würden ihm bei einer Auslieferung an die USA weiter für den Rest seines Lebens drohen (175 Jahre Haft, mit "SAMs").
Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihr Engagement für Pressefreiheit weltweit und insbesondere für Julian Assange. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen verfolgt den Fall von Julian Assange seit langem mit großer Aufmerksamkeit und Sorge.
Julian Assange, Gründer der Plattform Wikileaks, kann seit mehr als elf Jahren nicht mehr in Freiheit leben. Seit April 2019 ist er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Großbritannien inhaftiert, wo er auf die Entscheidung des Vereinigten Königreichs über seine von den Vereinigten Staaten von Amerika beantragte Auslieferung wartet, welche zu Beginn März bekannt gemacht werden soll. Wegen seiner Veröffentlichungen, einschließlich der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan, drohen ihm in den Vereinigten Staaten bis zu 175 Jahre Haft.
Wie viele Menschenrechtsorganisationen sind wir sehr besorgt über den Abschreckungseffekt, den eine Auslieferung und ein Gerichtsverfahren in den USA für Pressefreiheit weltweit haben könnten.
Es braucht international mehr Schutz für Plattformen wie Wikileaks, für Whistleblower*innen und Journalist*innen und nicht weniger. Eine freie Presse und Kontrolle von Regierungshandeln sind Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Demokratien. Die Auslieferung Julian Assanges wäre ein fatales Symbol für Presse- und Medienschaffende weltweit. Wir halten sie deswegen für falsch.
Darüber hinaus fürchten wir um die Gesundheit von Julian Assange, der sich derzeit in Einzel- und Isolationshaft befindet. Die nationalen Parlamente aus 46 europäischen Staaten haben sich für die Bewertung elementarer Menschenrechtsfragen mit ihrer parlamentarischen Versammlung des Europarats ein Gremium gegeben, das genau diesem Zweck dient. Wir weisen ausdrücklich auf die Resolution 2317 dieses Gremiums und die dort enthaltenen Forderungen hin.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Zoe Mayer