Frage an Wolfgang Ziller von Herbert Z. bezüglich Wirtschaft
Ich habe das Programm ihrer Partei (www.die-linke-bayern.de) gelesen. Wie sollen all ihre Forderungen nach mehr Bildung, Soziales, Ganztagsschulen bzw. Kitas gebürenfrei, finanziert werden?
Sehr geehrter Herr Zimmer,
danke für ihre Frage. Gestatten sie die Beantwortung mit folgender Betrachtung zu beginnen:
Wir leben in einem der reichsten Länder der Erde, leisten uns seit Jahren wachsenden Sozialabbau, sowie fortgesetzte Privatisierungen und Entstaatlichung, was seinesgleichen in Europa und in der Welt sucht. Gleichzeitig nahm und nimmt die Produktivität in Deutschland fortlaufend zu. Doch der erwirtschaftete Reichtum wird weder angemessen verteilt, noch werden von der Wirtschaft genügend Arbeitsplätze geschaffen, z.T. nur bei Bezahlungen (zunehmend Niedriglöhne) von denen Leben kaum sinnvoll bestritten werden kann.
Es wäre genug Geld da, aber es werden für große Kapitalbesitzer und hohe Vermögen viel zu wenig Steuern erhoben. Stattdessen wurden die Massensteuern (wie z.B. die Mehrwertsteuer) und andere Steuern und Abgaben für abhängig Beschäftigte erhöht. Die Kaufkraft und damit der Binnenmarkt werden zunehmend geschwächt. Konjunktureinbrüche und weiterer Arbeitsplatzabbau sind nachfolgend eine logische Folge.
Möchte daran erinnern, dass in unserem Grundgesetz ein "demokratischer und sozialer Bundesstaat" zum Verfassungs-Grundsatz erhoben wird. Dem wird von mehreren Regierungen in den letzten Jahren viel zu wenig Rechnung getragen.
Unter der Überschrift "Eine andere Politik ist finanzierbar" können sie aus unserem Landtagswahlprogramm folgendes entnehmen. Ich erlaube mir, angesichts weiterer Leser und auch der Komprimierung wegen, ein paar treffende Zitate:
- "Seit mehr als 25 Jahren betreiben SPD und CDU/CSU zusammen mit FDP und GRÜNEN in trauter Eintracht und wechselnden Rollen dieselbe Politik: Sie schenken Jahr für Jahr den Reichen und Wohlhabenden, den Unternehmen und Konzernen mit immer neuen Steuererleichterungen immer mehr Geld. Der Anteil der Steuern aus Gewinneinkommen und Vermögen am gesamten Steueraufkommen ist extrem gesunken.
Die Steuergeschenke für die Reichen führen zu Milliardenausfällen. Dafür belastet die Große Koalition mit der Mehrwertsteuererhöhung besonders die Haushalte mit geringem Einkommen. Bund und Länder haben mit ihrer Steuerpolitik erreicht, dass Deutschland inzwischen das Land mit der niedrigsten Effektivbesteuerung in der EU ist.
Allein eine Anhebung der Abgabequote auf das unter dem ehemaligen CDU-Kanzler Kohl noch geltende Niveau würde ausreichen, die Finanzierung der von der Partei DIE LINKE vorgeschlagenen Investitionsprogramme und Projekte sicherzustellen. Die Anhebung der Steuer- und Abgabenquote auf den EU-Durchschnitt brächte Deutschland 120 Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr."
- "Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte führt zu einer zusätzlichen Umverteilung von unten nach oben. Von ihr profitieren mit Zinsen in Milliardenhöhe vor allem die Inhaber großer Aktien- und Wertpapierdepots.
DIE LINKE fordert: Öffentliche Schulden sollen vor allem durch Eingriffe in die bestehenden Verteilungs- und Vermögensstrukturen mit dem Ziel wachsender Staatseinnahmen schrittweise abgebaut werden."
- "Wichtige Beiträge hierfür wären die gewinnabhängige Gestaltung des Körperschaftsteuersatzes, die Rücknahme der Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften, die Wiedererhebung der Vermögensteuer und der Börsenumsatzsteuer."
- "Bayern hat die bundesweit geringste Zahl an Betriebsprüfungen. Ein Tatbestand, den die bayerische Staatsregierung offenbar für einen positiven Standortfaktor im globalen Wettbewerb hält. Durch eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung der Finanzbehörden könnten Steuerhinterziehungen effektiver aufgedeckt und verfolgt sowie intensivere Betriebsprüfungen bei Großunternehmen und Banken durchgeführt werden.
Jede zusätzliche Betriebsprüferin oder Betriebsprüfer erbringt ca. 1 Million Euro mehr an Steuereinnahmen."
Quelle dieser Zitate:
http://www.die-linke-bayern.de/wahlen/landtagswahl_2008/programm/warum_die_linke_waehlen/#c3213
Stoiber führte u.a. die 42-Stunden-Woche bei Landesbediensteten ein. Das führte bei den Beamten z.B. der Betriebsprüfungen und Steuerfahndung zu keinem Personalersatz, kaum zu Neueinstellungen, zur schlichten Arbeitsverdichtung. Mit mehr und besser ausgebildeten Steuerfahndern und Betriebsprüfern hätte z.B. dem Siemens-Skandal viel früher und wirksamer auf die Spur gegangen werden können. Wer weiß ob nicht auch die Landesbank-Affäre durch strengere Betriebsprüfungen früher hätte belichtet werden können?
Meine Meinung ist: Wer den Reichen und Vermögenden durch höhere Besteuerung nichts nehmen will, der kann am Ende für die Allgemeinheit weniger Geld für Soziales und Bildung investieren. Auch das Land Bayern hat, neben dem Bund, jede Menge Möglichkeiten, die von Parlament und Regierung viel entschiedener genutzt werden müssen. Dazu müssen dann neue Gesetze und Verordnungen gestaltet werden.
Eine solch einschneidende Änderung des Steuer- und Abgaben-Systems ist sicher nicht ohne intensive politische Auseinandersetzung gestaltbar. Die Linke scheut sich nicht solche Forderungen im Landes-Parlament, wie auch im Bundestag, einzubringen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Ziller