Frage an Wolfgang Tiefensee von Rene U. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Tiefensee,
Unser Geldsystem mit dem darin enthaltenen exponentiell ansteigenden Umverteilungsmechanismus (Zinseszins) von Arm nach Reich führt uns in einen erneuten Crash unserer Währung, wie es aller 3 Generationen der Fall ist.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass wir den Geldeliten (=Macht, da Geldgeber der Staaten) weiterhin parlamentsgestützt Rettungspaket nach Rettungspaket hinterherschieben.
Wie kann es sein, dass unsere Volksvertreter unser (Steuer-)Geld den Gläubiger-Banken (und z.B. nicht den Bürgern Griechenlands) in den Rachen wirft? Geld, was sie sich selber bei den Banken erst leihen mussten, um diese damit zu retten? Somit erhöhen sich die Schulden der Bundesbürger, um Banken zu retten, die sicher selber oder durch Berater von Goldman Sachs wie im Falle Griechenlands in diese Lage gebracht wurden. Und viele hochrangige EU Politiker haben eine Goldman Sachs-Vergangenheit.
Wie kann es sein, dass eine Exportnation wie Deutschland es zulässt, dass die Exportwaren über s.g. Target2-Konten der Bundesbank bezahlt werden, welche nichts anders als Verbindlichkeiten der Import-Länder darstellt, welche realistisch betrachtet nie beglichen werden können? Dadurch haftet der deutsche Steuerzahler für den exportierten BMW, welcher z.B. in Leipzig hergestellt wurde, aber wohl nie bezahlt wird.
Quelle: Interview mit Prof. Sinn
Meine persönliche Meinung:
Ich fürchte wir sind alle Frösche im Wasserglas deren Temperatur immer höher steigt und wir unsere Freiheit, die wir meinten 1989 besonders hier in Leipzig erkämpft zu haben, langsam aber stetig wieder verlieren.
Und Deutschland leistet weiterhin (Reparations)zahlungen an andere Länder, auch wenn diese anders genannt werden.
Was halten Sie von einem alternativen Geldsystem wie dem fließenden Geld, damit das auf unendlichem Wachstum ausgerichtete momentane Schuldgeldsystem abgelöst werden kann?
Was ist Ihr Standpunkt zu diesen Themen?
beste Grüße
Rene Urbanski
Sehr geehrter Herr Urbanski,
die Euro-Krise ist in vielen Staaten wie Irland oder Spanien vor allem eine Bankenkrise, die die Staatsschulden dieser Länder in die Höhe getrieben hat. Da es bislang keine Vorschriften gibt, wie insolvente Banken abgewickelt werden können, war der Steuerzahler bislang gezwungen, für diese Verluste aufzukommen.
Risikoignoranz des Finanzsektors, Orientierung an kurzfristigen Renditen, Deregulierung und Niedrigzinspolitik führten nach 2000 global zu einer übermäßigen und oft spekulativen Kreditvergabe. Mit Ausbruch der Finanzkrise kam es zu rezessiven Entwicklungen, die im Bankensektor zu Verlusten führten, einzelne Banken in existentielle Zahlungsschwierigkeiten brachten und insgesamt einen allgemeinen Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten zur Folge hatten. Die Politik musste erkennen, dass die Insolvenz einzelner so genannter systemrelevanter Banken mit Dominoeffekten für das gesamte Banken- und Finanzsystem verbunden gewesen wäre und keine geeigneten Regelungen zur Abwicklung von Banken existierten, um dies zu verhindern.
Um die Gesamtwirtschaft zu schützen und private Kapitaleinlagen zu sichern, wurden Banken zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gerettet. Insgesamt wurden zwischen Oktober 2008 und Ende 2010 von Mitgliedsstaaten der EU etwa 1,2 Billionen Euro an Garantien und 400 Milliarden Euro an direkten Kapitalzuschüssen und Hilfsmaßnahmen bereit gestellt, die von den Banken in Anspruch genommen wurden. Das entspricht bei den Garantien 9 Prozent und bei den direkten Hilfen 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU. Trauriger Spitzenreiter unter den EU-Mitgliedern ist Irland mit Rettungsmaßnahmen in Höhe von etwa 270 Prozenten des irischen BIP.
Rettungsmaßnahmen und die durch Fehlinvestitionen und das Platzen der Vermögensblasen verursachten Kosten führten zu einem starken Anstieg der öffentlichen Verschuldung. In der Folge kam es auf den Finanzmärkten zu einem Vertrauensverlust in die Zahlungsfähigkeit einzelner Länder und den Zusammenhalt des Euroraums. Durch die finanziellen Abhängigkeit werden Banken und Staaten immer tiefer in eine Abwärtsspirale des Vertrauensverlustes gezogen.
Dennoch spielen integrierte Finanzmärkte für die europäische Wirtschafts- und Währungsunion eine wichtige Rolle. Die Einführung der Währungsunion führte zu neuen Möglichkeiten für Geldanlagen, Investitionen oder Finanzierungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen. Dadurch stieg der grenzüberschreitende Kapitalverkehr an, die Kreditzinsen sanken und Wachstum und Beschäftigung wurden gestärkt. Mit Beginn der Finanzmarktkrise zeigen sich jedoch die Schattenseiten verflochtener Finanzmärkte: In einigen Ländern haben sich mit Bestehen der Währungsunion vor allem Privatpersonen bei Banken und Banken an den Kapitalmärkten übermäßig verschuldet, um z.B. in Spanien, Immobilien zu finanzieren.
Mit Ausbruch der Krise kam es dann zu einem abrupten Rückzug der Kreditgeber aus den Krisenländern. Mit Geschwindigkeit und das Ausmaß dieser plötzlichen Umkehr der Geldflüsse und die zunehmende Renationalisierung der Finanzmärkte gefährden die Stabilität des europäischen Finanzsystems. Die Zentralbanken mussten als Gläubiger der letzten Instanz einspringen, mit der Folge wachsender Target2-Salden im Zentralbankensystem. Eine solche Verlagerung grenzüberschreitender Kapitalströme in die Bilanz des Zentralbankensystems birgt auf Dauer Risiken.
Target 2 ist ein europäisches Zahlungsbilanzausgleichsystem, das in der Verantwortung der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt. Daher verfügt Deutschland über keine politische Entscheidungsbefugnis. Im Übrigen handelt es sich hierbei um keinen Kredit.
Die Zahlung selbst leistet der Schuldner, nicht das Land, in dem er wohnt. Nur wenn aus einem Land Zentralbankgeld in ein anderes Land überwiesen wird, entstehen Verbindlichkeiten und Forderungen gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB), die als Clearingstelle (täglich 24:00 Uhr) fungiert. Bei der belasteten Notenbank entsteht ein negativer TARGET2-Saldo (Verbindlichkeit gegenüber der EZB) und bei der empfangenden Notenbank entsteht ein positiver TARGET2-Saldo (Forderung gegenüber der EZB).
Daher setzt sich die SPD für eine europäische Aufsichtsratsbehörde ein, die systematische Risiken frühzeitig aufdecken und wirksam bekämpfen soll, damit die integrierte Kapitalmärkte auf ein solides Fundament gestellt werden. Zudem verteilen große Banken ihre Geschäfte zunehmend auf mehrere Mitgliedsstaaten und entziehen sich dadurch einer effektiven Kontrolle durch nationale Aufsichtsbehörden. Europaweit tätige, systemrelevante Banken können nur durch eine europäische Aufsichtsbehörde effektiv kontrolliert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Tiefensee