Frage an Wolfgang Tiefensee von Werner W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Tiefensee,
auch Sie haben sowohl dem ESM als auch dem Fiskalpakt zugestimmt. Wie meinen Sie wird der ESM bei der Bewältigung der Krisen in Spanien, Italien und ggf. auch Zypern helfen?
Sind Sie der Auffassung dass auch Länder mit Steuerdumping wie Zypern Geld aus dem ESM erhalten sollte, m.a.W. sind Sie der Auffassung dass Steuergelder dafür genutzt werden sollten um Steuerflüchtlingen Steueroasen zu erhalten?
Sehen Sie die "Ewigkeitsgarantie" des Fiskalpaktes als unproblematisch an und wenn ja warum?
Erklären Sie mir als Wähler warum ich noch zur Wahl gehen soll (ausser andere Parteien zu wählen) wenn Sie bereits jetzt wesentliche Funktionen des Parlamentes mittels Ihres Abstimmungsverhaltens an demokratisch nicht legitimierte Instanzen abtreten?
Bitte teilen Sie mir abschließend mit woher Sie im Bürgschaftsfall die mehr als 100 Milliarden Euro zu nehmen entschlossen sind um wieder systemrelevante Banken zu sichern. In der Hoffnung auf baldige Antwort und den besten Wünschen für einen schönen Urlaub verbleibe ich
Mit freundlichen Grüßen
Werner Willeke
Sehr geehrter Herr Willeke,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30.Juni 2012.
Der Rettungsschirm ESM ist dafür zuständig europäische Krisenstaaten vor der Staatspleite zu bewahren. Aufgabe des Rettungsschirms ist es, am Markt Geld aufzunehmen und Stabilitätshilfen zu
günstigeren Konditionen an Euro-Staaten mit gravierenden Finanzierungsproblemen
weiterzugeben. Der ESM kann so Staaten vor der Staatspleite bewahren, knüpft dies jedoch an strenge Bedingungen zur Konsolidierung der Wirtschaft.
Er ist somit ein Zeichen für die innereuropäische Solidarität, aber auch dafür, dass Europa mittlerweile wirtschaftlich so stark zusammengewachsen ist, dass auch Deutschland und alle anderen EU-Staaten betroffen wären, wenn einzelne europäische Mitgliedstaaten von Staatsbankrotten betroffen sind.
Die europäische Solidarität, die mit dem ESM ausgedrückt wird, ist jedoch selbstredend keine Einbahnstraße. Die betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und Schulden abbauen. Klare und strikte Bedingungen für Hilfsmaßnahmen, die Haushalte zu konsolidieren, sind unerlässlich. Aber ebenso wichtig ist es jedoch, Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Die notwendige Konsolidierung kann ohne wirtschaftliche Belebung nicht gelingen.
Wir lehnen es ab, in erster Linie die Steuerzahler und nicht die Krisenverursacher die Zeche zahlen zu lassen. Deshalb fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit geraumer Zeit die Einführung einer Steuer auf Spekulationen (Finanztransaktionssteuer). Diese würde auch die Banken an der Bezahlung der Krise beteiligen und neue Mittel generieren, um gezielt Wachstumsimpulse zu setzen. Mit der kürzlich erfolgten Zustimmung Bundesregierung zu diesem Projekt, konnte hier ein Erfolg erzielt werden.
Der ESM kann harte Auflagen und Bedingungen für die betroffenen Länder vereinbaren, aber auch Wachstum befördern. Der ESM kann notleidenden Staaten Darlehen gewähren oder deren Staatsanleihen aufkaufen. Hierfür stehen dem Rettungsschirm Garantien und Eigenkapital zur Verfügung. Der ESM ist eine europäische Finanzinstitution, die auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruht, der im Bundestag ratifiziert worden ist.
Von dieser Institution können natürlich nicht einige Länder, wie Zypern, ausgenommen werden. Die niedrigen Steuern die in Zypern gelten sind ein großes Ärgernis, jedoch haben wir in der EU in dieser Hinsicht Fortschritte erzielt und so hat beispielsweise Irland seine Steuern im Rahmen der Finanzhilfen erhöhen müssen. Ähnliches könnte auch im Falle Zyperns passieren.
Mittelfristig streben wir die europäische Steuereinheit an, um die momentan 27 verschiedenen Systeme abzulösen. Der erste Schritt dahin wird mit der Harmonisierung der Firmensteuer in Frankreich und Deutschland im Jahr 2013 gemacht.
Aus Sicht der SPD soll der ESM zu einem schlagkräftigen Krisenreaktionsmechanismus ausgebaut werden, um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Eine gemeinschaftliche Lösung in Form eines "Europäischen Währungsfonds" ist unser Ziel. Nicht alleine die Staats- und Regierungschefs sollen über Hilfsmaßnahmen und Anpassungsprogramme entscheiden. Die Gemeinschaftsinstitutionen, insbesondere das Europäische Parlament, aber auch die nationalen Parlamente sind zu stärken, um die demokratische Legitimation zu erreichen.
Gerade der sozialdemokratische Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, setzt sich für eine Stärkung der parlamentarischen Rechte auf EU-Ebene ein. So hat das Europäische Parlament hat im Zuge der vergangenen Vertragsreformen schrittweise immer mehr Zuständigkeiten bei der EU-Gesetzgebung hinzugewonnen. Wir streben an die Kompetenzen des EU-Parlaments auszubauen, so dass dieses gemeinsam mit dem europäischen Rat an Beschlüssen über zentrale europäische Weichenstellungen mit verhandeln kann: was die künftige mehrjährige EU-Haushaltsplanung betrifft, die Reform der Agrar- oder Regionalpolitik, Klimaschutz oder strittige Fragen der Innen- und Rechtspolitik.
Zusätzlich zum ESM fordern wir ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit. Außerdem darf nicht nur einseitig gespart werden, stattdessen müssen zusätzlich Wachstumsimpulse durch Investitionen gesetzt werden. Hierzu soll beispielsweise die europäische Investitionsbank mit mindestens 10 Mrd. Euro mehr Eigenkapital ausgestattet und damit ein Vielfaches an Kreditvolumen mobilisiert werden. Wozu einseitiges sparen führen kann, sieht man am Beispiel Griechenlands, dessen Wirtschaft in eine bedrohliche Rezension gestürzt ist.
Bezüglich Ihrer letzten Frage: Deutschland bürgt insgesamt für 168 Milliarden Euro, das ist ein Anteil von 27,1 % am ESM und wird berechnet aus der Wirtschaftskraft des Landes. Diese Bürgschaften werden nur fällig wenn alle unterstützten Staaten nicht mehr zahlen könnten und der ESM sein komplettes Volumen verleihen würde. Zusätzlich ist das Risiko eines kompletten Zahlungsausfalls aufgrund des vorrangigen Gläubigerstatus des ESM sehr begrenzt.
mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Tiefensee
Sehr geehrter Herr Willeke,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30.Juni 2012.
Der Rettungsschirm ESM ist dafür zuständig europäische Krisenstaaten vor der Staatspleite zu bewahren. Aufgabe des Rettungsschirms ist es, am Markt Geld aufzunehmen und Stabilitätshilfen zu
günstigeren Konditionen an Euro-Staaten mit gravierenden Finanzierungsproblemen weiterzugeben. Der ESM kann so Staaten vor der Staatspleite bewahren, knüpft dies jedoch an strenge Bedingungen zur Konsolidierung der Wirtschaft.
Er ist somit ein Zeichen für die innereuropäische Solidarität, aber auch dafür, dass Europa mittlerweile wirtschaftlich so stark zusammengewachsen ist, dass auch Deutschland und alle anderen EU-Staaten betroffen wären, wenn einzelne europäische Mitgliedstaaten von Staatsbankrotten betroffen sind.
Die europäische Solidarität, die mit dem ESM ausgedrückt wird, ist jedoch selbstredend keine Einbahnstraße. Die betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und Schulden abbauen. Klare und strikte Bedingungen für Hilfsmaßnahmen, die Haushalte zu konsolidieren, sind unerlässlich. Aber ebenso wichtig ist es jedoch, Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Die notwendige Konsolidierung kann ohne wirtschaftliche Belebung nicht gelingen.
Wir lehnen es ab, in erster Linie die Steuerzahler und nicht die Krisenverursacher die Zeche zahlen zu lassen. Deshalb fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit geraumer Zeit die Einführung einer Steuer auf Spekulationen (Finanztransaktionssteuer). Diese würde auch die Banken an der Bezahlung der Krise beteiligen und neue Mittel generieren, um gezielt Wachstumsimpulse zu setzen. Mit der kürzlich erfolgten Zustimmung Bundesregierung zu diesem Projekt, konnte hier ein Erfolg erzielt werden.
Der ESM kann harte Auflagen und Bedingungen für die betroffenen Länder vereinbaren, aber auch Wachstum befördern. Der ESM kann notleidenden Staaten Darlehen gewähren oder deren Staatsanleihen aufkaufen. Hierfür stehen dem Rettungsschirm Garantien und Eigenkapital zur Verfügung. Der ESM ist eine europäische Finanzinstitution, die auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruht, der im Bundestag ratifiziert worden ist.
Von dieser Institution können natürlich nicht einige Länder, wie Zypern, ausgenommen werden. Die niedrigen Steuern die in Zypern gelten sind ein großes Ärgernis, jedoch haben wir in der EU in dieser Hinsicht Fortschritte erzielt und so hat beispielsweise Irland seine Steuern im Rahmen der Finanzhilfen erhöhen müssen. Ähnliches könnte auch im Falle Zyperns passieren.
Mittelfristig streben wir die europäische Steuereinheit an, um die momentan 27 verschiedenen Systeme abzulösen. Der erste Schritt dahin wird mit der Harmonisierung der Firmensteuer in Frankreich und Deutschland im Jahr 2013 gemacht.
Aus Sicht der SPD soll der ESM zu einem schlagkräftigen Krisenreaktionsmechanismus ausgebaut werden, um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Eine gemeinschaftliche Lösung in Form eines "Europäischen Währungsfonds" ist unser Ziel. Nicht alleine die Staats- und Regierungschefs sollen über Hilfsmaßnahmen und Anpassungsprogramme entscheiden. Die Gemeinschaftsinstitutionen, insbesondere das Europäische Parlament, aber auch die nationalen Parlamente sind zu stärken, um die demokratische Legitimation zu erreichen.
Gerade der sozialdemokratische Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, setzt sich für eine Stärkung der parlamentarischen Rechte auf EU-Ebene ein. So hat das Europäische Parlament hat im Zuge der vergangenen Vertragsreformen schrittweise immer mehr Zuständigkeiten bei der EU-Gesetzgebung hinzugewonnen. Wir streben an die Kompetenzen des EU-Parlaments auszubauen, so dass dieses gemeinsam mit dem europäischen Rat an Beschlüssen über zentrale europäische Weichenstellungen mit verhandeln kann: was die künftige mehrjährige EU-Haushaltsplanung betrifft, die Reform der Agrar- oder Regionalpolitik, Klimaschutz oder strittige Fragen der Innen- und Rechtspolitik.
Zusätzlich zum ESM fordern wir ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit. Außerdem darf nicht nur einseitig gespart werden, stattdessen müssen zusätzlich Wachstumsimpulse durch Investitionen gesetzt werden. Hierzu soll beispielsweise die europäische Investitionsbank mit mindestens 10 Mrd. Euro mehr Eigenkapital ausgestattet und damit ein Vielfaches an Kreditvolumen mobilisiert werden. Wozu einseitiges sparen führen kann, sieht man am Beispiel Griechenlands, dessen Wirtschaft in eine bedrohliche Rezension gestürzt ist.
Bezüglich Ihrer letzten Frage: Deutschland bürgt insgesamt für 168 Milliarden Euro, das ist ein Anteil von 27,1 % am ESM und wird berechnet aus der Wirtschaftskraft des Landes. Diese Bürgschaften werden nur fällig wenn alle unterstützten Staaten nicht mehr zahlen könnten und der ESM sein komplettes Volumen verleihen würde. Zusätzlich ist das Risiko eines kompletten Zahlungsausfalls aufgrund des vorrangigen Gläubigerstatus des ESM sehr begrenzt.
mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Tiefensee