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Frage von F.L. B. •

Frage an Wolfgang Thierse von F.L. B. bezüglich Gesundheit

Gesundheit ist ein Menschenrecht. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und optimale Gesundheit.
Explodierende Gesundheitskosten und steigende Lohnnebenkosten sind die wichtigsten Faktoren für Massenarbeitslosigkeit und wirtschaftliche Stagnation. Daraus ergibt sich, dass die grundsätzliche Umstrukturierung des Gesundheitswesens Voraussetzung für die Lösung der sozialen Probleme unserer Zeit ist, insbesondere die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit. Um diese Probleme zu beseitigen, ist es unabdinglich, eine sorgfältige Analyse der bestehenden Missstände des gegenwärtigen Gesundheitswesens vorzunehmen.
Unser Körper wird als Marktplatz einer Investment-Industrie missbraucht, die Krankheiten als Märkte für patentierte Medikamente und Konzernprofite ausweitet.
Das Gesundheitswesen ist unter öffentliche Kontrolle zu stellen und so eine wirksame, nebenwirkungsfreie und kostengünstige Gesundheitsversorgung für alle Menschen möglich zu machen.
Die Beendigung des Pharma-Geschäfts mit der Krankheit ist eine Voraussetzung zur Ausmerzung von Krankheiten. Diese klaren Maßnahmen werden Millionen Menschenleben retten und Milliarden Euro an Gesundheitskosten sparen.

Wie ist Ihre Meinung zu dieser Problematik?

F.L.Beyer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte/r F.L. Beyer,

die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland ist mit ihren Grundprinzipien Solidarität, Subsidiarität und Selbstverwaltung ein Modell, das eine umfassende medizinische Versorgung gewährleistet. Alle Versicherten haben den gleichen Anspruch auf die notwendige medizinische Versorgung unabhängig von Alter, Geschlecht und Einkommen. Allerdings gibt es strukturelle Mängel, die zunehmend zu einer Fehlleitung der Mittel führen. Gerade im Bereich der chronischen Volkskrankheiten, die die höchsten Kosten verursachen, sind mangelnde Effektivität und Qualität zu verzeichnen. Deshalb müssen die vorhandenen Mittel zum einen effizienter eingesetzt werden. Zum anderen gilt es, die Qualität der medizinischen Versorgung deutlich zu steigern. Zudem führen der medizinische Fortschritt und die erfreulicherweise zunehmende Zahl älterer Menschen zu einem Ausgabenanstieg, der die Entwicklung der Einnahmen auch in Zukunft übersteigen wird. Diese Finanzierungslücke kann nicht durch weitere Steigerung der Beitragssätze finanziert werden, denn steigende Sozialbeiträge führen zwangsläufig zu höheren Arbeitskosten und zu einer steigenden Arbeitslosigkeit. Zentrale medizinische Leistungen zu rationieren, wird parteiübergreifend strikt abgelehnt.
Der einzig gangbare Weg ist vielmehr der, durch strukturelle Reformen die Effektivität und Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern und gleichzeitig allen Beteiligten ausgewogene und maßvolle Einsparopfer aufzuerlegen. Hierzu gehört zum einen eine angemessene Beteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten, bei der auch die soziale Balance gewahrt wird. Zum anderen müssen die Leistungserbringer Konsolidierungsbeiträge leisten, die sie finanziell nicht überfordern. Auch die Pharmaindustrie muss zur Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen (Erhöhung des Herstellerrabatts für festbetragsfreie Arzneimittel, Bildung von Festbeträgen für patentgeschützte Arzneimittel, Herausnahme der nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel aus der Verordnungsfähigkeit, Aut-idem-Abgabe etc). Die strukturellen Weichenstellungen des GMG gewährleisten, dass unser Gesundheitswesen weiterhin eine gute Versorgung zu bezahlbaren Preisen bietet. Damit die Beiträge weiter sinken können, will die SPD in der kommenden Wahlperiode die solidarische Bürgerversicherung einführen, in die künftig nicht nur abhängig Beschäftigte, sondern auch Selbstständige, Beamte und Politiker einzahlen werden.

Ihrer Forderung, eine wirksame öffentliche Kontrolle für das Gesundheitswesen zu errichten, möchte ich folgendes entgegnen: zum einen liegt die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung bei den jeweiligen Landesministerien sowie bei den Kassenärztlichen Vereinigungen. In Verwaltungsräten der Krankenkassen, in denen auch Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter zusammenkommen, wird eine öffentliche Kontrolle der Ausgaben durch verschiedene gesellschaftliche Gruppen wahrgenommen. Zum andern berichten die Medien zahlreich über bestehende Probleme im
Gesundheitswesen, decken Skandale auf oder lösen Debatten über Fehlentwicklungen aus. Auch hier findet durch die mediale Herstellung von Öffentlichkeit eine wirksame Kontrolle statt.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Thierse