Frage an Wolfgang Stefinger von Thomas P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Im Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über den bezahlten Bildungsurlaub vom 24. Juni 1974 hat sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, einen bezahlten Bildungsurlaub zum Zwecke der Berufsbildung, der allgemeinen und politischen Bildung sowie der gewerkschaftlichen Bildung einzuführen.
Ein entsprechendes Gesetz haben alle Bundesländer - alle bis auf Bayern und Sachsen.
Was spricht in Bayern eigentlich dagegen, den Arbeitern und Angestellten ein solches Recht einzuräumen?
Auch die CSU in Bayern spricht ja gerne davon, dass "lebenslanges Lernen [...] unverzichtbar" [Karl Schiewerling, CSU, Pressemitteilung 2017] ist.
Sehr geehrter Herr P.,
haben Sie besten Dank für Ihre Frage zum Thema Bildungsurlaub: Auch wenn ich als Bundestagsabgeordneter streng genommen nicht der korrekte Adressat Ihrer Anfrage bin – Ihre Frage richtet sich an den Freistaat Bayern –, so antworte ich Ihnen gerne. Vorab erlaube ich mir jedoch noch den Hinweis darauf, dass mein Bundestagskollege Karl Schiewerling, den Sie in Ihrer Email zitieren, Mitglied der CDU und nicht der CSU ist.
Die Bayerische Staatsregierung unterstützt grundsätzlich Bemühungen, die Weiterbildungsaktivitäten von allen Beschäftigten und Unternehmen zu fördern und zu steigern. Lebenslanges Lernen ist elementare Voraussetzung, um als Individuum und auch Betrieb/Unternehmen auf Dauer wettbewerbs- und leistungsfähig zu bleiben.
Die Einführung eines Bildungsurlaubsgesetzes in und für Bayern, welches bereits in ähnlicher Form in anderen Bundesländern existiert, würde allerdings nicht unbedingt den gewünschten Effekt bringen.
Weiterbildung liegt wesentlich im Verantwortungsbereich der-/desjenigen, für den/die es einen Nutzen bringt. Die Einbringung von zeitlichem und finanziellem Engagement stehen damit in unmittelbarem Zusammenhang.
Sachgerechter als ein Bildungsurlaubsgesetz und in den meisten Wirtschaftszweigen (z.B. Metall- und Elektroindustrie, Kunststoff verarbeitende Industrie, Friseurhandwerk etc.) bereits praktizierter Ansatz sind tarifvertragliche bzw. betriebliche Regelungen zum Bildungsurlaub. Anders als bei einer pauschalen gesetzlichen Vorgabe ist hier eine Berücksichtigung der konkreten branchenspezifischen und/oder regionalen oder auch betrieblichen Gegebenheiten möglich. Auf diese Weise sind betriebsnahe und den Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern/-innen gleichermaßen Rechnung tragende Lösungen erzielbar.
Ein gesetzlicher Anspruch auf bezahlte Arbeitsfreistellung bedeutet eine zusätzliche Kostenbelastung für die Betriebe/Unternehmen und einen Eingriff in die unternehmerische bzw. tarifliche Gestaltungsfreiheit. Dies schränkt Betriebe/Unternehmen unverhältnismäßig ein und behindert sie in ihrem Handeln.
Die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in Ländern mit entsprechender gesetzlicher Regelung ist gering. In Hessen lag die Bildungsurlaubsquote (Anteil der Beschäftigten mit Bildungsurlaub/Bildungsfreistellung an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) im Jahre 2013 bei 0,46 % (1999: 0,62 %), in Niedersachsen bei 1,48 % (1999: 1,51 %).
Die Statistik zeigt, dass die Weiterbildungsbeteiligung in Ländern mit gesetzlichem Anspruch auf Bildungsfreistellung nicht unbedingt höher ist als in den anderen Ländern. Die Weiterbildungsquote bezogen auf alle Erwerbspersonen liegt (entsprechend den Ergebnissen des Mikrozensus) in 2016 in Bayern mit 16,7 % zwar unter dem Bundesdurchschnitt und im hinteren Mittelfeld aller Bundesländer. Vier Bundesländer, alle mit Bildungsurlaubsgesetz, liegen bei der Weiterbildungsbeteiligung bezogen auf alle Erwerbspersonen jedoch auch hinter Bayern. Hierzu zählen die Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen (Weiterbildungsbeteiligung von jeweils 16,1 %), Berlin (Weiterbildungsbeteiligung von 14,6 %) und Saarland (Weiterbildungsbeteiligung von 13,7 %).
Vor diesem Hintergrund scheint gesetzlicher Handlungsbedarf nicht gegeben.
Aus dem von Ihnen genannten Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO; Sonderorganisation der Vereinten Nationen) über den bezahlten Bildungsurlaub aus dem Jahr 1974 (im Jahr 1976 von Deutschland ratifiziert) ergibt sich keine gesetzgeberische Handlungspflicht. Artikel 5 des ILO-Übereinkommens weist ausdrücklich darauf hin, dass „die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub durch innerstaatliche Gesetzgebung, Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche oder auf jede andere den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Weise erfolgen kann.“ Bayern vertritt die Auffassung, dass eine Freistellung während der Arbeitszeit für Bildungszwecke zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart werden kann und sollte. Auch die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem ILO-Übereinkommen 140 erfüllt sind (siehe Bundestagsdrucksache 17/4786). Für Bayern besteht damit kein Handlungsbedarf.
Für einen Überblick über die Aktivitäten der Bayerischen Staatsregierung im Bereich der beruflichen Weiterbildung empfehle ich die folgende Internetseite https://www.stmas.bayern.de/arbeit/qualifizierung/index.php und die dort zum Download zur Verfügung gestellte Übersicht über staatliche Förderangebote zur Fort- und Weiterbildung von Beschäftigten in Bayern.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Stefinger MdB