Frage an Wolfgang Stefinger von Stefan H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Internationales / TTIP, CETA, TISA
Sehr geehrter Herr Stefinger,
ich habe mich auf Veranstaltungen der IHK und durch zahlreiche weitere Recherchen über die angeblichen Vorteile des TTIP und anderer sogenannter Freihandelsabkommen informiert. Die "Experten" sehen da zum Beispiel ein Wirtschaftswachstum von 5 % (durch Exportboom) für Griechenland vorher - unmittelbar durch das TTIP. Auf die Frage, welche Exporte dieses Wachstum ermöglichen sollen, kommt natürlich keine Antwort.
Sehr geehrter Herr Stefinger,
nur mal angenommen, dieses Wirtschaftswachstum tritt so wie vorhergesagt durch das TTIP und andere Abkommen ein, können Sie mir erklären, wieso das an die momentan herrschende Form von Schiedsgerichtsbarkeit geknüpft sein muss? Im Gegenteil, die Möglichkeit der Konzerne, Staaten zu verklagen, sogar ausgebaut werden soll. EINSEITIG!
Und: Wenn das Ganze so wunderbringend ist, wieso muss es dann geheim verhandelt werden? Wenn Sie gegen die Ablehnung der Schiedsgerichte stimmen, können Sie dann bitte erklären, wie die Souveränität von Staaten weiter gewährleistet werden sein soll? Anders gefragt: Was hat es mit Freihandel zu tun, wenn die Konzerne EINSEITIGEN Einfluss auf die Staaten zur Durchsetzung ihrer Interessen ausbauen können?
Hier werden ernstzunehmende Sorgen mit "Anti-Amerikanismus" oder "Anti-Kapitalismus" aus dem Weg geräumt. Das reicht nicht! Im Gegenteil: Die transatlanstische Allianz und unsere soziale Marktwirtschaft sind in Gefahr, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass die Demokratie das Heft aus der Hand gibt bzw. sich der Dominanz transnationaler kommerzieller Regime ergibt.
Sehr geehrter Herr Stefinger,
ich möchte Sie daher um eine sachliche, fundierte Antwort bitten, in der Sie darlegen, warum dieser angeblich Heil, Wohlstand, Frieden und, letztlich, Demokratie bringende Freihandel nicht auch demokratisch zustande kommen und ausgeübt werden kann.
Vielen Dank an Ihr Büro für die Mühen!
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Hanitzsch
Sehr geehrter Herr Hanitzsch,
vielen Dank für Ihre Frage zu TTIP, insbesondere dem Aspekt der Schiedsgerichtsbarkeit und Ihrer Kritik an der geheimen Verhandlungsführung. Grundsätzlich ist es üblich, dass Handelsabkommen geheim verhandelt werden. Aufgrund des Drucks der Bundesregierung und des Interesses der Öffentlichkeit an TTIP informiert die EU-Kommission inzwischen jedoch deutlich transparenter über den Verhandlungsstand als zu Verhandlungsbeginn. Auf der Internetseite der EU-Kommission sind sogar Originaldokumente aus den Verhandlungen abrufbar. Es konnte also einiges erreicht werden, was die Nachvollziehbarkeit der Verhandlungen betrifft. Wichtig im Sinne der Transparenz und Legitimation ist, dass auch die nationalen Parlamente und damit der Bundestag am Ende über TTIP abstimmen.
Die Verankerung von Schiedsgerichten zwischen der EU und den USA halte ich grundsätzlich nicht für notwendig, da die EU-Staaten und die USA ein hohes Maß an Rechtssicherheit aufweisen. Dennoch gibt es einige Gründe, warum die Schiedsgerichtsbarkeit weiterhin Bestandteil der Verhandlungen von TTIP ist. Das allgemeine Ziel von Schiedsgerichten ist es, Investitionsstreitigkeiten zu entpolitisieren. In älteren Investitionsabkommen wurden Staat-Staat-Schiedsverfahren vereinbart. Dies bedeutet, dass im Falle eines Rechtsstreits der Heimatstaat eines Investors gegen einen fremden Staat klagen musste, der mutmaßlich die Rechte des Investors verletzt hat. Mit Investor-Staat-Schiedsverfahren soll für Staaten und Inverstoren ein neutraler, flexibler, schneller und kostengünstiger Mechanismus geschaffen werden, um rechtliche Entscheidungen durchzusetzen, die den beteiligten Parteien ein hohes Maß an Kontrolle ermöglichen, indem sie selbst die Schiedsrichter in einem Schiedsgerichtsverfahren bestimmen können.
Da deutsche Unternehmen besonders häufig Auslandsinvestitionen tätigen, hat Deutschland mit insgesamt 131 bilateralen Investitionsschutzverträgen weltweit die meisten Verträge dieser Art geschlossen. Deutsche Investoren initiieren weltweit am vierthäufigsten Schiedsgerichtsverfahren.
Eine weitere Hoffnung ist, dass der Abschluss eines ausgeklügelten Schiedsgerichtsverfahrens zwischen der EU und den USA globale Standards setzt und als Grundlage für künftige Abkommen mit Schwellen- und Entwicklungsländern dient. Klare Regelungen für Inverstoren schaffen die nötige Sicherheit, Investitionen überhaupt zu tätigen.
Für TTIP gilt: Sollte tatsächlich ein Schiedsgerichtsbarkeitsmechanismus verankert werden, müssen vorweg klare Bedingungen formuliert werden. Die Handlungs- und Gestaltungsfreiheit der Staaten muss unangetastet bleiben. Keinesfalls darf ein Schiedsgerichtsspruch dazu führen, dass unsere rechtstaatlich und demokratisch legitimierten Gemeinwohlziele unterlaufen werden. Ebenso sollen erst nationale Rechtswege ausgeschöpft werden bevor ein Schiedsgericht angerufen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Stefinger, MdB