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Wolfgang Fuhl
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Frage von Guido L. •

Frage an Wolfgang Fuhl von Guido L. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Fuhl,
das AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland sagte am 02.09.17 beim sog. AfD-Kyffhäuser-Treffen in Thüringen, dass die Rolle deutscher Soldaten im 2. Weltkrieg neu bewertetet werden und dass "ein Schlusstrich" unter die deutsche Nazi-Vergangenheit gesetzt werden muss (siehe http://www.spiegel.de/politik/deutschland/alexander-gauland-provoziert-mit-rede-zu-deutschlands-nazi-vergangenheit-a-1167750.html und http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/afd-alexander-gauland-relativiert-verbrechen-der-wehrmacht-15199412.html ).
Unstrittig dürfte sein, dass deutsche Wehrmachtssoldaten während des 2. Weltkriegs systematisch Gräueltaten an der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen begangen haben (siehe z.B. http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/systematische-verbrechen-der-wehrmacht/ , https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article114693474/Diese-Verbrechen-begingen-Deutsche-in-Russland.html , http://www.n-tv.de/leute/buecher/Die-Plaudereien-der-Wehrmachtssoldaten-article3624951.html und https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrechen_der_Wehrmacht ).

Meine Fragen:
- Distanzieren Sie sich vom AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland?
- Befürworten Sie ein Parteiausschlussverfahren gegen A. Gauland wg. dessen jüngsten Äußerungen zur Rolle der Wehrmacht im 2. WK?

In Erwartung Ihrer Antwort vor den Bundestagswahlen am 24.09.17 verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
G. L.

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Antwort von
AfD

Sehr geehrter Herr L.,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Zunächst zu meinem Hintergrund: Ich habe keinen Militär- oder Zivildienst leisten müssen, da ich zu dieser Zeit beruflich in Berlin (West) lebte. Mein Vater gehörte zu den durchrutschenden Jahrgängen und war ebenfalls nicht beim Militär. An meine Großväter kann ich mich nicht mehr erinnern, ich war beim Ableben einfach zu jung. Die einzigen Erfahrungen die ich mit Militär habe, sind ein Besuch in der Kaserne in Sigmaringen, wo mein Bruder Wehrdienst leistete und im geteilten Berlin, der Tag der Offenen Tür bei der US Air Force in Berlin-Tempelhof. Mein Bezug zum Militär ist demnach relativ gering.

In Kriegen geschehen Kriegsverbrechen, diese sind, was die Verbrechen der SS-Einheiten, der Wehrmacht und des nationalsozialistischen Staates anbelangt, dokumentiert und völlig unstrittig. *Herr Gauland erklärte hierzu:*

*«Ich bestreite überhaupt nicht, dass die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg in Verbrechen verwickelt war»,* sagte Gauland am Freitag am Rande eines AfD-Wahlkampftermins in Berlin der Deutschen Presse-Agentur.

«Aber ich habe Namen genannt, Rommel und Stauffenberg, und ich habe ganz deutlich gesagt, dass Millionen deutscher Soldaten tapfer waren und nicht in Verbrechen verwickelt waren.» Und es müsse erlaubt sein, diese zu loben.

«Ich weiß auch, dass sechs Millionen Juden ermordet worden sind», sagte Gauland weiter. «Aber Millionen deutscher Soldaten haben ihre Pflicht getan für ein verbrecherisches System. Aber da ist das System Schuld und nicht die Soldaten, die tapfer waren.»

– Quelle: https://www.shz.de/17838556

Aufgrund meiner fehlenden militärischen Erfahrung, muss ich mich nun schon auf andere verlassen, was diese zum gleichen Thema gesagt haben. Hierzu hänge ich Ihnen Aussagen von Bundeskanzler *Konrad Adenauer*, dem französischem Präsidenten *Francois Mitterand* und dem israelischen Militärhistoriker *Martin van Creveld* unten an. Alle äußern sich ähnlich oder gleich, daher kann ich die Echauffierung über Gauland nicht nachvollziehen.

Daher gibt es

1. keinen Grund sich von Herrn Gaulands Äußerungen zu distanzieren.

und

2. Herr Gauland hat das Wort Wehrmacht nicht benutzt, er sprach ausschließlich von Soldaten des ersten und zweiten Weltkriegs, somit ist Ihre Fragestellung bezüglich Wehrmacht nicht korrekt. Ich sehe keinerlei Veranlassung für ein Parteiausschlussverfahren.

Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass im Ersten Weltkrieg 100.000 Deutsche jüdischen Glaubens gedient haben, wovon 12.000 für unser Vaterland gefallen sind. Herr Gauland spricht auch von diesen Soldaten.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Fuhl

*a) Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, Bundestagssitzung vom 3. Dezember
1952, ...*
*Quelle/URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01240.pdf

*b) Francois Mitterrand:*

Zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges - Staatsakt in Berlin am 8. Mai 1995 - Ansprache des französischen Staatspräsidenten

Datum: 12. Mai 1995 – Bulletin 38-95

Der vom Bundespräsidenten aus Anlaß des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges angeordnete Staatsakt fand auf Einladung der Bundesregierung am 8. Mai 1995 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin statt. Der Präsident der Französischen Republik, Francois Mitterrand, hielt bei dem Staatsakt folgende Ansprache:

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

ich bin heute abend in meiner Eigenschaft als Präsident der Republik Frankreich zu Ihnen gekommen. Da dies eine meiner letzten Handlungen in diesem Amt ist, bin ich stolz, dass sie hier mit Ihnen stattfindet. Das war wirklich das mindeste, was ich Deutschland schuldig war. Dem Deutschland von heute, aber auch dem Deutschland seit jeher, das Geschichte, Geographie und Kultur so untrennbar mit Frankreich verbunden haben. Ein eigenartiges, grausames, schönes und großes Abenteuer ist die Geschichte dieser Brüdervölker, die mehr als ein Jahrtausend gebraucht haben, um sich so anzuerkennen, wie sie sind, um sich anzunehmen, um sich zu vereinen, um beim jeweils anderen die Lehren der Wissenschaft, der Philosophie und der Politik zu suchen, um gemeinsam zu ihrem Ursprung zurückzukehren. Über dieses Thema könnten wir selbstverständlich lange sprechen. Es kam schon ein wenig in den vorherigen Ansprachen zum Ausdruck. Sie kennen den Tenor, aber man muss es immer wiederholen. Wir haben noch einmal Glück gehabt. Europa wurde in einem halben Jahrhundert aufgebaut oder wiederaufgebaut, auf so vielen Ruinen, Katastrophen und Toten. Das ist nicht nur das Ergebnis des guten Willens oder guter Absichten. Das ist auch eine Auswirkung der Tatsache, dass die Generationen davor die Last zweier Weltkriege getragen haben. Ich glaube, unter Ihnen bin ich einer der wenigen - und das ist um so besser für Sie -, die den Zweiten Weltkrieg als Soldat erlebt haben. Am 8. Mai 1945 war ich als Soldat in Paris. Es ist vielleicht interessant zu erfahren, wie ein junger Mann von fünfundzwanzig darüber denken konnte. Verlorene Schlacht zunächst, dann gewonnene Schlacht, gegen wen und warum? All diese Fragen stellten sich. Es war leicht, da stehen zu bleiben, wo wir waren. Leicht zu denken, daß man alle Probleme mit Stärke, mit Gewalt, mit dem Gesetz des Stärkeren lösen könnte. Und genau diese Erkenntnis hat den Lauf der Geschichte geändert. Ich bin gekommen, um bei Ihnen des 8. Mai 1945 zu gedenken, genauso wie der Bundespräsident und der Bundeskanzler heute Morgen in Paris. Ich möchte den Gedanken über den Sinn dieses 8. Mai vertiefen, denn ich glaube, dass unsere Söhne mit Verwunderung diese Versammlung so vieler Völker betrachten, die sich so bekämpft haben, diese Gedenkfeier eines Ereignisses, in dem sich Sieg und Niederlage vermischen, wo jeder seine Toten zählt und beweint, wo manchmal vergessen wird, sich zu wundern und zu freuen, daß aus diesen Toten die Erkenntnis dessen entstanden ist, was eine Zivilisation tun kann und was sie nicht tun darf, was die Zukunft erwartet und was sie verbietet. Kurz, diese Erkenntnis, die sich Sieg des Lebens nennt. Ich sagte soeben, dass ich den 8. Mai 1945 in Paris erlebt habe. Fünfzig Jahre danach sind wir in Berlin. Wenn ich von meiner Aufgabe spreche, meinem Amt, das zu Ende geht, das ich aber noch wahrnehme, an der Spitze der Geschicke der französischen Nation, so muss ich an die außerordentlichen Anstrengungen denken und an die großen Erfolge, die die politisch Verantwortlichen unserer verschiedenen Länder auf allen Seiten erreicht haben. Nichts wäre möglich gewesen ohne die ersten Aufrufe Churchills. Ich hatte das Glück, sie selbst zu hören. Nichts wäre möglich gewesen ohne diese paar Dutzend Europäer aus allen unseren Ländern, man spricht natürlich von Schuman, Monnet, Adenauer, de Gasperi und vielen anderen, die zum selben Zeitpunkt dieselben Schlüsse aus demselben Unheil gezogen haben, das sie erlebt hatten, und zwar über ihre Grenzen hinweg. Der Feind von gestern war der Freund von heute. Was war geschehen? Ich weiß, dass in Deutschland darüber diskutiert wird. Das kann nicht anders sein. Gedenken wir einer Niederlage? Oder eines Sieges? Und welches Sieges? Es ist zweifellos der Sieg der Freiheit über die Unterdrückung, ganz zweifellos. Aber es ist in meinen Augen vor allem - und das ist die einzige Botschaft, die ich hinterlassen möchte - ein Sieg Europas über sich selbst. Und hier sind wir alle vereint und versammelt. Ich kann in den vierzehn Jahren, die ich an der Spitze meines Landes gestanden habe, keinen Unterschied machen zwischen dem Beitrag dieses oder jenes Staatsmannes, dieses oder jenes Volkes zum Aufbau der Europäischen Union, um nur von ihr zu sprechen, denn über die Europäische Union hinaus gibt es seit November 1989 die Öffnung auf ganz Europa, auf den Kontinent. Jeder weiß, dass vor fünfzig Jahren aus der Notwendigkeit eine provisorische Struktur entstanden ist, aber dass sie nur das Vorspiel zu dem ist, was morgen gebaut werden wird und was Europa endlich seinen Sinn geben wird. Ich möchte noch etwas hinzufügen, bevor ich schließe. Ich habe alle Etappen beim Aufbau der Europäischen Union miterlebt, mit allem, was dazugehört und was John Major vorhin so eindrücklich aufgeführt hat. Ich habe auch den Krieg selbst miterlebt, und ich weiß, daß der Sieg auf vielen Umwegen in mein Land zurückgekehrt ist. Einem Umweg über den englischen Himmel, einem Umweg über afrikanische Landstriche, einem Umweg über die riesigen russischen Gebiete und das russische Heldentum, einem Umweg über die Tiefen der neuen amerikanischen Welt, die ihrer ursprünglichen Bestimmung folgte, um der Freiheit dort, wo sie verloren oder bedroht war, zu Hilfe zu kommen. Aber auch mein Land, das zunächst besiegt und besetzt wurde, hat den Sieg erlebt, mit seinen Bündnispartnern, dank seiner Bündnispartner, aber auch durch das Aufbegehren von Körper und Geist gegen die Schrecken der Konzentrationslager, des Holocaust, die Missachtung aller menschlichen Werte und Tugenden. Ich sprach vorhin vom Leben, von der Achtung vor dem Leben, also der Hoffnung, von allem, was atmet, allem, was wächst, allem, was neu entsteht, Jahr für Jahr, denn der Frühling ist nicht nur für die Pflanzen und Dinge gemacht. Daher will ich heute Zeugnis ablegen ohne zu urteilen. Sieg? Niederlage? Sieg für wen? Niederlage für wen? Ohne zu urteilen, will ich mich dennoch erinnern an das, was ich selbst erlebt habe in der Zeit, in der Hitler Herr über Europa war und in der ich als verwundeter und gefangener Soldat in Deutschland war, einsam in einem Gefängnis in Deutschland, nachdem ich alles verloren hatte bis hin zu meiner Identität, und das viele Monate lang ohne jegliche Hoffnung. Der Himmel war dunkel. War das nicht der Sieg der schrecklichen Ideologie, die gerade einen Teil Europas erobert hatte? Wie sollte ich auf andere als mich hoffen, die sich an anderen Orten befanden? Wie sollte ich dort hoffen, mitten im tausendjährigen Nazi-Deutschland? Nun, ich bekam wieder Hoffnung, weil ich Deutsche kennenlernte. Ja, ich habe sie kennengelernt. Manchmal waren es meine Wächter. Es waren die deutschen Soldaten, die Befehl hatten, mich davon abzuhalten, meine Freiheit wiederzuerlangen, und denen dies übrigens nicht gelungen ist. Es war ein Teil Ihres Volkes, das sich in Wirklichkeit den Befehlen, den Anweisungen, der irreführenden Begeisterung, den Versammlungen, der Leidenschaft, der Begeisterung der anfänglichen Siege entzog, Deutsche, die Widerstand leisteten, vielleicht ohne es zu wissen, ganz einfach weil sie ehrbare Menschen waren. Wann ich sie kennengelernt habe? Während des Krieges. Und wo? In Deutschland. Später, nach meiner Flucht, als ich nach Frankreich zurückgekehrt war, in das besetzte Frankreich, dachte ich über diese Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich nach. Mir wurde klar, und ich habe das auch schon öfter gesagt, dass ich erst in meinem Land gelernt habe, was alle künftigen Kriege gegen Deutschland und einige andere nähren könnte, und dass dasselbe für die meisten Länder Europas galt, denn wir haben durch die Jahrhunderte hindurch nach und nach das angehäuft, was wir dummerweise Erbfeindschaft nannten. Und die Erbfeinde, da sind sie! Die Erbfeindschaft hat nicht angedauert. Die Gesetze der Biologie haben nicht denen einer anderen Notwendigkeit widerstanden, die viel weiter geht, nämlich die einer menschlichen Erinnerung und einer Solidarität zwischen den Völkern, die gezwungen sind, auf einem Planeten zu leben, der täglich kleiner wird, der täglich mehr zerstört wird, eines Planeten in Gefahr, unser gemeinsames Gut, das es gemeinsam zu retten gilt, statt es mit Bombenangriffen zu verletzen und mit Vernichtungswaffen, die zweifellos die ganze Erde zerstören könnten, wenn man wollte. Ich lege Ihnen also nicht meine Erfahrung als Staatschef dar. Die europäische Politik wird nach mir fortgeführt, so wie sie vor mir begonnen hat, vielleicht nicht auf dieselbe Art, aber schließlich verpflichtet die Geschichte, die Geschichte befiehlt, und man wird immer da sein, um die anderen daran zu erinnern. Was wir getan haben, muss und wird fortgeführt werden. Ich sagte vorhin, der erste gemeinsame Sieg ist der Sieg Europas über sich selbst. Morgen also wird man das Erreichte vollenden müssen, das noch nicht zu Ende geführt ist und es im Übrigen nie sein wird. Meinungsverschiedenheiten, Rivalitäten, Konkurrenzdenken, Blutrünstigkeit, Mordlust - sehen Sie, wie sich das selbst in Europa in manchen Ländern fortsetzt, in manchen Regionen dieses Kontinents, wenige hundert Kilometer von uns entfernt. Dies muss also unsere Geisteshaltung sein, begründet auf der Erfahrung, der Erfahrung derer, die gekämpft haben. Das ist die letzte Botschaft, die ich hinterlassen kann. Ich wollte schon 1947, 1948 an der ersten europäischen Versammlung teilnehmen, weil ich Soldat gewesen war und weil ich den Hass um mich herum kennengelernt hatte, weil mir klar wurde, dass dieser Hass weniger stark sein muss als die Notwendigkeit für Europa und für die Europäer, zu leben. Und dass diese Brüder, auch wenn sie Feinde waren, in erster Linie doch Brüder waren, und daran muss man immer erinnern. Wenn ich von Europa spreche, dann geht es natürlich nicht nur um den Kontinent, auf dem ich lebe. Ich denke, diese Erkenntnis wird eines Tages für alle Menschen auf der Erde gelten. Das, Herr Präsident, meine Damen und Herren, war es, was ich Ihnen sagen wollte. Ich bin nicht gekommen, um den Sieg zu feiern, über den ich mich 1945 für mein Land gefreut habe. *Ich bin nicht gekommen, um die Niederlage herauszustellen, weil ich wusste, welche Stärken das deutsche Volk hat, welche Tugenden, welcher Mut, und wenig bedeutet mir seine Uniform und auch die Vorstellung in den Köpfen dieser Soldaten, die in so großer Zahl gestorben sind. Sie waren mutig. Sie nahmen den Verlust ihres Lebens hin. Für eine schlechte Sache, aber ihre Taten hatten damit nichts zu tun. Sie liebten ihr Vaterland. Das muss man sich klar machen. Europa bauen wir auf, wir lieben unsere Vaterländer. Bleiben wir uns selbst treu. Verbinden wir die Vergangenheit mit der Zukunft, dann können wir ruhigen Gewissens den Stab denen übergeben, die unsnachfolgen werden.*

*https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Gedenken/Historische_Reden/Reden-wk-1-2/_node.html*

* c) *Israelischer Militärhistoriker *Martin van Creveld*

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/politik/lange-tradition-1359172.html

"Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?" fragte einst das Magazin dieser Zeitung. Franz Josef Strauß antwortete: "Die Leistungen des deutschen Afrika-Korps 1941 bis 1943." Und Friedensreich Hundertwasser sagte: "Die Handstreiche der deutschen Wehrmacht, nicht aber ihre falschen Konsequenzen." Doch das sind Ausnahmen. Viele antworteten mit "Keine". Der Begriff der kriegerischen Leistung ist im heutigen Deutschland weitgehend tabuisiert, erst recht im Zusammenhang mit der Wehrmacht. Entweder gelten die deutschen Soldaten jener Zeit als Verbrecher oder als Trottel, wie sie Hollywood gern sieht (Feldwebel Schulz).

Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld ruft in Erinnerung, daß die mit einer teils veralteten Ausrüstung angetretene und stark unterlegene Wehrmacht nur fünf Monate brauchte, um die Tore Moskaus zu erreichen; "um sie auf ihre Ausgangslinie zurückzuwerfen, brauchte der bis dahin grenzenlos überlegene Gegner volle zweieinhalb Jahre." Der Ruf der Kampfkraft der Wehrmacht beruht tatsächlich nicht in erster Linie auf ihren Siegen. Sie kämpfte in der Niederlage, auch wenn sie zahlenmäßig eins zu sieben unterlegen war. Eine geheimdienstliche Übersicht der Alliierten ergab, daß die deutschen Soldaten sogar im April 1945 verbissen weiterkämpften, wo immer die taktische Lage überhaupt noch erträglich war. Sie kämpfte weiter, wie Creveld schreibt, "obwohl Hitlers Krieg zu keiner Zeit in Deutschland wirklich populär war", "in ihrem Rücken die Heimat in Trümmer gebombt wurde", sie kämpfte noch "Jahre, nachdem alle Hoffnung auf einen Sieg vergangen war". Sie kämpfte, auch als ihre Einheiten auf wenige Männer zusammengeschrumpft waren. Der ehemalige amerikanische Oberst Trevor Dupuy errechnete, daß "die Deutschen durchweg die zahlenmäßig weit überlegenen alliierten Armeen, denen sie schließlich unterlagen, übertrafen". Ganz gleich ob in Angriff oder Verteidigung, ob die Wehrmacht Luftüberlegenheit hatte oder nicht: Die Soldaten fügten ihren Gegnern stets Verluste zu, die um etwa fünfzig Prozent höher waren als die eigenen.

Crevelds Buch "Kampfkraft" entstand vor gut 25 Jahren als Fachstudie für das amerikanische Verteidigungsministerium, als der Vietnam-Krieg das amerikanische Selbstbewußtsein beschädigt hatte. Es vergleicht Organisation und Leistung der deutschen und der amerikanischen Armee 1939 bis 1945 und liegt nun in einer neuen deutschen Ausgabe vor. Creveld kommt zu dem Ergebnis, daß dem deutschen Heer "im Hinblick auf Moral, Elan, Truppenzusammenhalt und Elastizität . . . wahrscheinlich unter den Armeen des zwanzigsten Jahrhunderts keine ebenbürtig" war. Warum? Der Autor macht dafür allenfalls bis zu einem gewissen Grad nationalsozialistische Indoktrinierung, den hohen gesellschaftlichen Status des Militärs oder "ein paar Eigenheiten des Nationalcharakters" verantwortlich. Vor allem habe die auf einer langen Tradition basierende innere Organisation des Heeres Kampfkraft hervorgebracht und erhalten.

Während in der amerikanischen Armee viele Offiziere im rückwärtigen Gebiet eine ruhige Kugel schoben und es an guten Führern an der Front mangelte, war die Organisation der Wehrmacht darauf angelegt, Kämpfer hervorzubringen und zu belohnen. Anders als die amerikanische Armee gab es in der Wehrmacht kein wissenschaftlich fundiertes Management, keine Meinungsumfragen und keine Psychoanalyse. Sie konzentrierte sich, zum Teil notgedrungen, auf das Wesentliche. Die Auftragstaktik, das Recht und die Pflicht aller auch nachgeordneten Führer, selbständig zu entscheiden und zu handeln, ist dafür ein wichtiges Beispiel - das unterschied noch Jahrzehnte nach dem Krieg das deutsche vom amerikanischen Militär.

In Vorwort zur Neuauflage grenzt sich Creveld ausdrücklich von denen ab, die sein Buch als eine Entlastung der Wehrmacht hinsichtlich ihrer Verwicklung in Verbrechen ansehen. "Im Gegenteil scheint die Faktenlage zu zeigen, daß große militärische Leistungen und die Verwicklung in eines der schrecklichsten Verbrechen, die je begangen wurden, sich nicht notwendigerweise ausschließen." Das sei ein "erschreckender Gedanke", dessen Bedeutung weit über die Wehrmacht hinausgehe. Erstaunlich ist aber, daß dies alles für den anerkannten Militärfachmann keine Selbstverständlichkeit ist: Immer wenn Menschen in den Krieg ziehen, erst recht wenn es sich um eine umfangreiche technisierte Auseinandersetzung handelt, ist es nur ein kleiner Schritt von der völkerrechtmäßigen Kriegshandlung, also dem Versuch einer Einhegung des Tötens, zum Massenmord.

*d) Konrad Adenauer Zitate aus*

*https://www.konrad-adenauer.de/biographie/zitate/deutsche-geschichte*

Es gibt kaum eine Familie in Deutschland, die nicht Teil hat an den großen und schweren blutigen Opfern, die unser Volk in seiner jüngsten Geschichte bringen musste. Als Soldaten oder als politisch Verfolgte, an der Front oder in der Heimat, auf der Flucht oder in der Gefangenschaft haben Millionen den Tod gefunden. Sie sind für uns gestorben.

Aktiver Militarist ist nicht der Soldat, gleichgültig welchen Ranges, ob Offizier oder nicht, der in anständiger Weise seine Pflicht erfüllt und nichts anderes getan hat; er darf deswegen keine Zurücksetzung erfahren. Wenn man harmlose Mitläufer und Soldaten, die glaubten, ihre Pflicht zu erfüllen, deswegen zurückstößt, so züchtet man geradezu einen verstiegenen und extremen Nationalismus.