Frage an Willfried Maier von Birgit I. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Dr. Maier,
herzlichen Dank für Ihre baldige Antwort.
Ich hatte das Glück, in einer rechtsstaatlichen Demokratie aufzuwachsen. Viele Ansichten und Entscheidungen der postnationalsozialistischen Gesellschaft waren und sind jedoch auf irritierende Weise unvereinbar mit deren Grundsätzen.
Am Ausmaß der NS-Verbrechen, so schrieb sinngemäß Hannah Ahrendt bald nach dem Krieg, zerbreche jede Rechtsordnung. Das muss für die wenigen Einzelfälle, in denen kein Rückerstattungsantrag für Immobilien gestellt wurde, nicht so bleiben. Den meisten Deutschen ist heute bewusst, dass die NSdAP eine verbrecherische Organisation war. Dasselbe gilt für den von ihr geführten Staat. Der Sachverhalt, den Sie beschreiben, ist nach rechtsstaatlichen Maßstäben ein Fall von unrechtmäßiger Bereicherung. Ein nicht gestellter Rückerstattungsantrag ist keine Verzichtserklärung.
Wenn eine andere verbrecherische Organisation, etwa die Mafia, sich fremdes Eigentum unter den Nagel reißt, wird dieses, sobald es entdeckt ist, von der Polizei beschlagnahmt und – soweit möglich - den rechtmäßigen Eigentümern zugeführt. Beim Verkauf der Immobilie Rothenbaumchaussee 67-69 war dem Senat die Herkunft des Immobilieneigentums unbekannt.
Die beste Folgerung, die aus den horrenden Verbrechen des NS-Staates gezogen wurde, war 1947 die UN-Erklärung der Menschenrechte. Zu ihnen zählt Artikel 17 (2): „Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden.“ Ein privater Vermögensschaden infolge von „Arisierung“ wirkt über die Erben fort.
Es war in vielen Fällen eine Stärke besonders der GAL, sich für Menschenrechte einzusetzen.
Erlauben Sie mir deshalb bitte zwei Nachfragen:
1. Gibt es seitens der GAL-Fraktion ein politisches Interesse, die Forschung zu „arisiertem“ Immobilienvermögen der Stadt Hamburg finanziell zu fördern?
2. Gibt es seitens der GAL ein Interesse an einer gesetzlichen Regelung zum zukünftigen Umgang mit dem aus „Arisierung“ stammenden Immobilienvermögen der Stadt?
MfG
Birgit Imroll
Sehr geehrte Frau Imroll,
die GAL-Fraktion hat hohes Interesse an der Erforschung der jüdischen Lebenssituation in Hamburg während der NS-Zeit und der Verbrechen, die damals an der jüdischen Bevölkerung Hamburgs begangen wurden. Wir unterstützen deshalb die Einrichtungen der Stadt und der Universität, die sich mit diesen Themen speziell befassen, ebenso alle privaten und zivilgesellschaftlichen Initiativen, wie z.B. den Verein, der sich mit Erforschung und Darstellung der Situation der Juden in Blankenese beschäftigt.
Unsere Unterstützung kann allerdings nur politisch und ideell sein, nicht finanziell. Die Fraktionsmittel, die wir von der Stadt erhalten, dürfen nur für die Fraktionstätigkeit im engeren Sinne verwendet werden.
Ob heute noch eine gesetzliche Regelung zum Umgang mit jüdischem Vermögen sinnvoll ist, überblicke ich nicht. Soweit es sich um allgemeine eigentumsrechtliche Fragen handelt, müsste es auch wohl ein Bundesgesetz sein. Da in dem Zusammenhang aber schon verschiedene gesetzliche Regelungen und Vereinbarungen existieren, weiß ich nicht, was durch eine zusätzliche Regelung erreicht werden könnte.
So weit es sich um heutiges städtisches Eigentum handelt, das auf dem Wege der "Arisierung" in städtische Hand gekommen ist, liegt die Lage anders. Da kann die Stadt entscheiden, wie sie damit umgeht. Hier wäre vermutlich angebracht, dass die Stadt eine Selbstverpflichtung eingeht, dass sie im Fall von Restitutionsansprüchen bzw. bei möglichen Verkäufen von sich aus die Bodenkommission der Bürgerschaft über den Sachverhalt informiert, damit bei Entscheidungen überhaupt eine Kenntnis vorliegt, worüber entschieden werden soll.
Mit freundlichen Grüßen
Willfried Maier