Frage an Wiebke Esdar von Thorsten K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Esdar,
ich nehme Bezug auf die Änderung des EStG, insbesondere die nunmehr beschränkte Anrechnung von Verlusten aus Termingeschäften.
Nach neuer Regelung würde ein Privatanleger, der einerseits durch Termingeschäfte TEUR 50 gewinnt, aber andererseits durch z.B. Absicherungsgeschäfte TEUR 100 verliert, Abgeltungssteuer in Höhe von 25% auf den "Gewinn" von TEUR 40 zahlen müssen.
Das heißt, der Privatanleger würde im Rechenbeispiel sein Jahr ohnehin im Minus abschließen und müsste obendrauf noch TEUR 10 (+ Soli & ggf. Kirchensteuer) Abgeltungssteuer entrichten müssen.
Dies erscheint mir in grobem Widerspruch zu den Grundprinzipien einer fairen Besteuerung zu stehen, insbesondere sehe ich das Netto- und das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt.
Gesetzliche Maßnahmen zum Anlegerschutz werden durch die Änderung des EStG konterkariert, da nunmehr eine theoretisch unbegrenzte steuerliche Nachschusspflicht gegenüber dem Staat entsteht, wohingegen die finanziellen Risiken aus den Termingeschäften selbst in aller Regel auf höchstens den eingezahlten Betrag begrenzt ist.
Dies kann Menschen potenziell in existenzieller Nöte bringen.
Zudem ist nicht klar, warum Termingeschäfte per se unattraktiver gemacht werden sollen, wenn die nunmehr existierenden steuerlichen Regelungen eine größere Gefahr für den Privatanleger darstellen als die Termingeschäfte selbst.
Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass es voraussichtlich zu einer hohen außerordentlichen Belastung der Finanzgerichte kommen wird, da bereits viele Verbände und auch Privatpersonen Klagen gegen das neue Gesetz angekündigt haben.
Bitte legen Sie mir dar, inwieweit diese Änderung des EStG mit den Prinzipien einer fairen Besteuerung vereinbar ist.
Mit freundlichen Grüßen
T. K.
Sehr geehrter Herr Kock,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zur beschränkten Anrechnung von Verlusten aus Termingeschäften. Die Neuregelung entspricht dem Prinzip einer fairen Besteuerung. Denn: Durch die Beschränkungen wird die Verlustverrechnung nicht versagt, sondern zeitlich gestreckt. Kleinanlegern wird die steuerliche Berücksichtigung der Verluste i.d.R. sofort gewährt. Für Anleger mit höheren Vermögenswerten ist die Begrenzung der Verlustverrechnung gerechtfertigt, da diese für ihre in größerem Umfang erzielten Kapitalerträgen durch den niedrigen Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent begünstigt werden.
Im Rahmen des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen wurde eine Beschränkung der Verlustverrechnung aus verfallenen Optionsscheinen (Termingeschäfte) und wertlosen Kapitalforderungen beschlossen. Die Begrenzung der Verlustverrechnung gilt für im Privatvermögen gehaltene Kapitalforderungen. Unternehmen, die Kapitalanlagen im Betriebsvermögens halten, sind davon nicht betroffen.
Verluste aus dem Ausfall von im Privatvermögen gehaltenen Kapitalforderungen konnten bisher steuerlich nicht geltend gemacht werden. Dies entsprach dem Grundsatz, dass Erträge/Verluste aus der Kapitalnutzung steuerlich berücksichtigt werden, Wertänderungen am Kapitalstamms aber unbeachtlich sind. Die Rechtsprechung des BFH zwingt nunmehr zu einer Abkehr von diesem Grundsatz. Durch die jetzt getroffene Regelung wird eine beschränkte Verlustverrechnung zugelassen. Die Verluste aus dem Ausfall von Kapitalforderungen, etwa einer wertlos gewordenen Aktie, können nur mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 10.000 Euro ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von bis zu 10.000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden.
Verluste aus Termingeschäften, etwa verfallenen Optionsscheinen, konnten von 2016 bis 2019 steuerlich geltend gemacht werden. Mit der nunmehr getroffenen Regelung können Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und den Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Die Verlustverrechnung ist ebenfalls beschränkt auf 10.000 Euro. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalterprämien verrechnet werden. Eine Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften ist auch gerechtfertigt, da es sich dabei i.d.R. um riskante Finanzwetten handelt, hinter denen kein realwirtschaftlicher Absicherungszweck steht. Solche spekulativen Zwecke sollten nach unserer Auffassung im Verlustfalle nicht in vollem Umfang zu Lasten der Allgemeinheit gehen.
Freundliche Grüße nach Hamburg
Wiebke Esdar