Frage an Vural Öger von Sinthu T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Herr Vural Öger,
ich bin eine tamilische Studentin, die aus lauter Verzweiflung und nach Hilfe für meine Schwestern und Brüder auf Sri Lanka suchend, die Email verfasse.
Aktuelle Nachrichten von heute berichten von mindestens 300 tote Tamilen und über 1000 verletzte Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder. Das von der Armee angerichtete Blutbad hat keine 24 Stunden beansprucht. Die Leichen sollen auf den Straßen herumliegen und können aufgrund des andauernden Beschusses durch die srilankische Artillerie nicht geborgen werden.
Es fällt mir sehr schwer zu glauben wie ungerecht doch diese Welt ist. Wie viele der Weltbevölkerung erfahren diese Nachrichten? Warum handeln die Politiker oder die EU nicht sofort für einen Waffenstillstand? Wenn Israels Armee im Gaza-Streifen Zivilisten tötet, dann sehen wir die Bilder auf allen Kanälen! Aber in Sri Lanka werden täglich hunderte unschuldige Tamilen getötet. Leider will die Welt davon nichts wissen! Niemand will die Realität erfahren.
Wo bleiben die kritischen Journalisten? Wo sind die Wahrheitssucher? Mutige Journalisten werden mit ihrem Tod bezahlt.
Über eine Rückmail würde ich mich sehr freuen und stehe Ihnen für weitere Fragen gerne zur Verfügung.
Vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen,
Sinthu Tharmalingam
Sehr geehrte Frau Tharmalingam,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich nehme mir Ihre Besorgnis zu Herzen.
Es ist allerdings nie leicht, aus so großer Distanz, von Europa aus, in blutigen Konflikten fernab Position zu beziehen: Wer hat recht und wer hat angefangen, wie wird der Konflikt ausgetragen? Sie sprechen den Konflikt in Gaza an. Dort war die Presseberichterstattung alles andere als frei, und es ist nicht einfach, diesen Konflikt zu beschreiben.
Ich gebe zu, man kann davon wenig auf Sri Lanka übertragen. Wie viel erfährt die Weltbevölkerung davon? Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten. Zwar gibt es kritische Journalisten in Fülle, aber wieder auch nicht genug, um an allen Brennpunkten der Welt vertreten zu sein. Es gibt nicht wenige Länder, in denen es keine freien Medien gibt.
In der Tat sind die Berichte über die zahlreichen Toten und Verletzte in Sri Lanka erschreckend. Die Gefechte zwischen Regierungstruppen und den tamilischen Rebellen forderten immer mehr zivile Opfer. Unabdinglich ist jetzt, dass die Armee wie auch die Rebellen es der Zivilbevölkerung ermöglichen, durch humanitäre Korridore das Kampfgebiet zu verlassen. Glücklicherweise konnte ein Fahrzeugkonvoi von UN und Rotem Kreuz dort letzte Woche aber 350 Verletzte aufnehmen und in Sicherheit bringen.
Ich möchte Ihnen gerne die Berichte der "International Crisis Group" (www.crisisgroup.org) empfehlen, die regelmäßig über die weltweiten Krisenherde - auch die, die nicht immer auf den Agenden der internationalen Öffentlichkeit und Medien sind - gut recherchierte Berichte verfasst und sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.
Im Rahmen der parlamentarischen Arbeit im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten ist die erschreckende Lage in Sri Lanka Thema, dennoch finde ich zur Stunde wohl keine Antwort, die Sie zufrieden stellen könnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Vural Öger