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Volkmar Klein
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Frage von Moritz O. •

Frage an Volkmar Klein von Moritz O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Seit mehr als zwei Jahren setzen Sie sich für die Konzernabkommen zwischen der
EU, den USA und Kanada ein: TTIP und CETA. Die Intransparenz der Verhandlung haben Sie sicherlich als ein Prozess im Werden verteidigt. So weit so gut und von meiner Seite auch vertretbar. Nun liegt der Vertragstext der CETA vor und ich bitte Sie um Ihre Meinung zu den folgenden drei Punkten

1. Es soll keinen effektiven Schutz mehr vor Giften geben, weil das Vorsorgeprinzip nicht mehr garantiert wird. Es ist auch nicht rechtlich abgesichert. Wie stehen Sie politisch zur Abkehr vom Vorsorgeprinzip?

2. Über eine Paralleljustiz können Konzerne den Staat erpressen. Will der Staat also zum Beispiel die oben erwähnten Gifte verbieten, kann ein Konzern (KMU im Siegerland können sich die Prozesskosten nicht leisten), das in die Produktion dieser Stoffe investiert hat, ihn vor einem Schiedsgericht wegen "nicht realisierter Gewinne"(!) auf Schadensersatz verklagen und – Recht bekommen. Selbst wenn ein ordentliches Gericht diese Klage ablehnen würde. Schon die Androhung derartiger Klagen kann Staaten (auch Sie) davon abhalten wichtige Entscheidungen für das das Allgemeinwohl zu treffen. Heftiger bürgerlicher Protest an dem Konzept der Schiedsgerichte hat diese nur kosmetisch verbessert. Wie stehen Sie politisch zu dieser Paralleljustiz?

3. Die Demokratie wird ausgehebelt, weil die CETA nun vor der Beschlussfassung steht (EU-Kommission hat sich noch nicht verbindlich festgelegt), dass die nationalen Parlamente etwas zu sagen haben. Ich habe einen Repräsentaten gewählt in der Erwartung, dass er mich vertreten kann - und hier werden er und ich einfach überfahren. Wie stehen Sie politisch zu dem Umgang mit ihrem Mandat?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Orpatz,

1. Das Vorsorgeprinzip ist in den EU-Verträgen verankert. Daher ist die EU auch in den Verhandlungen zu TTIP daran gebunden. Das hat die zuständige EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström mehrfach bekräftigt. Allerdings gibt es im US-amerikanischen Recht keine dem EU-Vorsorgeprinzip entsprechende Regelung, auch wenn in den USA in bestimmten Bereichen vorsorgend reguliert wird. Deshalb wird es im Rahmen der Verhandlungen auch nicht gelingen, ein gemeinsames Verständnis des Vorsorgeprinzips oder eine Verpflichtung der US-Seite zur Übernahme des EU-Vorsorgeprinzips vorzusehen. Aus unserer Sicht ist allerdings maßgeblich, dass die Wahrung des Vorsorgeprinzips im Rahmen des Abkommens durchgängig sichergestellt wird. Wie dies in den einzelnen Kapitel umgesetzt werden kann, etwa durch Verweise auf die Rechtsordnungen und Rechtsprinzipien der Parteien, einschließlich im Bereich der Risikobewertung und -bewältigung, wird sich im Lauf der Verhandlungen weiter abzeichnen.

Auch bei CETA haben wir eine entsprechende gemischte Lösung gefunden.

2. Zu Schiedsgerichten und deren Bewährung in der Handelspraxis habe ich mich bereits mehrfach geäußert, auch auf dieser Plattform. Diese Form der Beilegung von Handelskonflikten hat sich über Jahrzehnte entwickelt und bewährt. Im Rahmen von CETA wurden die Regelungen für Schiedsverfahren und ihre Transparenz weiter verbessert. Dabei handelt es sich nicht nur um kosmetische Änderungen, sondern um weitreichende Reformen des bisherigen Systems. Es ist ein ständiges, institutionalisiertes Gericht geplant, dessen Mitglieder nicht durch Investoren, sondern allein durch die Vertragsparteien benannt werden sollen. Es wird ein Berufungsmechanismus geben sowie konkrete Vorschriften zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Richter.

Wenn Sie sich die Statistiken des Internationalen Schiedsgerichtshofs ICSID ansehen, werden Sie feststellen, dass auch mittelständische Unternehmen, u.a. auch die Erich Utsch AG aus Siegen, von dieser Möglichkeit der Konfliktbeilegung gebraucht gemacht haben. Wie unberechenbar, teuer und langwierig rechtliche Auseinandersetzungen in den USA sein können, sehen wir gerade am aktuellen Beispiel von VW.

3. Nach unserer bisherigen Einschätzung handelt es sich bei CETA um ein sogenanntes gemischtes Abkommen. In diesem Falls bedarf es der Ratifizierung des Rates, des EU-Parlaments sowie durch alle nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten, um endgültig in Kraft zu treten. Auch für eine vorläufige Inkraftsetzung wäre die Zustimmung des Rates und des EU-Parlaments notwendig. Allerdings dürfte diese dann auch nur die Themenkomplexe umfassen, die nicht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten entfallen. Somit ist in jedem Fall eine demokratische Legitimierung gegeben.

Mit freundlichen Grüßen
Volkmar Klein

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