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Volker Wissing
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Frage von Marcus R. •

Frage an Volker Wissing von Marcus R. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,
im Zuge der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussionen wird meines Erachtens ein zentraler Bereich vergessen oder er gerät zumindest in den Hintergrund, nämlich die derzeitige psychotherapeutische Versorgungslage sowie die berufliche Situation und die Zukunftsperspektiven Psychologischer Psychotherapeuten.
Zwei thematische Bereiche erscheinen m.E. hier relevant.
1. Aktuelle Studien zeigen deutlich, dass psychische Erkrankungen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren deutlich ansteigen. Die Lebenszeitprävalenz einer psychischen Erkrankung liegt zwischen 40% und 50%. Eine Statistik der BfA aus dem Jahre 2004 nennt einen Anteil von 31% psychisch Erkrankter für den Bereich der Erwerbsminderungsrente. Bezieht man psychosomatische Erkrankungen oder Erkrankungen mit einer psychischen Begleitsysmptomatik mit ein, steigt der Anteil auf bis zu 50%. Für den Bereich der Arbeitsunfähigkeit belegen Studien immer wieder einen ähnlichen Trend.
2. Diesem gestiegenen Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungen steht die folgende Sachlage gegenüber: Fast alle Planungsbereiche der Vertragsärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland sind gesperrt, neue Zulassungen kaum möglich.
Meine konkreten Fragen an die Politik sind:
Welche Veränderungen hinsichtlich einer Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung sind beabsichtigt oder werden jeweils gefordert ?
Warum wird nach wie vor an einer Bedarfsplanung festgehalten, die mit dem realen Bedarf schon lange nichts mehr zu tun hat ?
Ich frage mich, wo ist der Nutzen für den Patienten, wenn er bis zu einem halben Jahr auf einen Therapieplatz warten muss und gut ausgebildete, nach dem aktuellen Forschungsstand arbeitende Kollegen von der Behandlung ausgeschlossen werden.
Mit freundlichem Gruß
M. Rautenberg
(Psychotherapeut)

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Rautenberg,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 31. März 2009.

Die Psychotherapie ist eine unumstrittene, effiziente und effektive Gesundheitsleistung. Sie wird auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Grundversorgung sein. In Zukunft wird jede Bürgerin und jeder Bürger unseres Landes einen Zugang zu einer psychotherapeutischen Behandlung erhalten, so weit diese notwendig und sinnvoll ist.

Dennoch gilt auch hier, wie für alle anderen Gesundheitsleistungen auch, die "strikte Einhaltung des Grundsatzes der Subsidiarität. Eigenverantwortung geht vor Kollektivverantwortung. In erster Linie sind die Menschen für ihre Gesundheit und für die Absicherung von Krankheitsfolgen selbst verantwortlich. Unterstützung und Hilfe sind dort notwendig, wo sie hierzu, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sind." Nur eine "Konzentration der obligatorisch durch die Solidargemeinschaft zu finanzierenden Leistungen auf das medizinisch wirklich Notwendige" verhindert eine zunehmende Kostenexplosion im Bereich der Gesundheitsleistungen und gewährleistet eine medizinische Versorgung auf hohem Niveau auch für zukünftige Generationen. "Solidarität trägt nur so lange, wie sie nicht überstrapaziert wird. Deshalb müssen Menschen zunächst einmal für sich selbst einstehen, bevor sie erwarten können, dass Andere das für sie tun."

Mehr Eigenverantwortlichkeit macht jedoch nur dann einen Sinn, wenn sie auch mit mehr Freiheit und Selbstgestaltungsmöglichkeiten verbunden ist. Aus diesem Grunde setzt sich die FDP für eine "Eindämmung des Staatseinflusses" und eine "Ermöglichung eines funktionsfähigen Wettbewerbs" ein. "Die Krankenkassen wandeln sich von Körperschaften öffentlichen Rechts zu Unternehmen mit sozialer Verantwortung. Als erstes erhalten sie die Beitragsautonomie zurück. Der Gesundheitsfonds muss rückgängig gemacht werden. Ein manipulationsunanfälliger, vereinfachter Risikostrukturausgleichs wird entwickelt. Ein klarer wettbewerbs- und kartellrechtlicher Rahmen, der den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen auf allen Seiten verhindert, muss gesetzt werden. Wer den Wettbewerb bejaht, muss auch damit leben, dass es Unterschiede gibt, denn nur daraus entwickelt sich die zur Effizienzsteigerung notwendige Dynamik. Das bedeutet, dass nicht alles einheitlich und gemeinsam und bundesweit geregelt werden kann, sondern die Kreativität der Beteiligten vor Ort zum Tragen kommen muss. Das System braucht klare, einfache, sich nicht widersprechende Regelungen. Bürokratische Vorgaben und Kontrollen müssen auf das notwendige Mindestmaß beschränkt werden. Gesetzlich vorgegebene Budgets sind durch leistungsgerechte Preise zu ersetzen. Wer gute Arbeit leistet, muss auch mehr Geld erhalten. Im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich z. B. muss eine nachvollziehbare Euro-Gebührenordnung als Grundlage für die Kostenerstattung die hochkomplexen Regelleistungsvolumina und die Budgets ersetzen. Im Arzneimittelbereich muss die viel zu große Zahl der verschiedensten, sich zum Teil widersprechenden Instrumente deutlich reduziert werden."

Parallel zu diesen Systemveränderungen muss die "Patientenautonomie" gestärkt werden. "Der Patient muss das Sagen haben und nicht Experten am grünen Tisch. Er muss sich gemeinsam mit seinem Therapeuten frei für eine Therapie entscheiden können und darf nicht jeglichen Anspruch an seine Krankenkasse verlieren. Notwendig ist eine Mehrkostenregelung, damit Versicherte ihre Wahlfreiheit auch nutzen können. Die Versicherten sollen neben der unbedingt notwendigen Grundversorgung frei über den Leistungsumfang und die Tarifgestaltung bestimmen können. Das Sachleistungsprinzip, das dem Patienten nach Zahlung des Krankenversicherungsbeitrages freien Zugang zu allen Gesundheitsleistungen ermöglicht, ohne dass er überhaupt weiß, welche Kosten er hierdurch verursacht, muss durch das Kostenerstattungsprinzip ersetzt werden, verbunden mit intelligent ausgestalteten Selbstbeteiligungslösungen."

Für die Zukunft der Leistungserbringer im Gesundheitswesen sehen wir eine klare "Stärkung der Freiberuflichkeit als elementare Voraussetzung für eine Gesundheitsversorgung, die an den Interessen der Patienten ausgerichtet ist und individuelle Therapiekonzepte ermöglicht." und wollen eine "Kochbuchmedizin, die auf dem Irrglauben beruht, die Medizin sei eine reine Naturwissenschaft" verhindern. "Therapiefreiheit bedeutet auch Therapieverantwortung des Arztes. Es ist ureigenste Aufgabe der ärztlichen Standesorganisationen, dafür zu sorgen, dass in diesem Rahmen die Qualität gewährleistet ist. Ärzte haben einen Anspruch darauf in ihrer Arbeit unterstützt zu werden durch Leitlinien, Empfehlungen und eine gute Aufbereitung vorhandener Studienergebnisse. Das Arzt- /Patientenverhältnis darf nicht durch übermäßige Globalvorgaben gefährdet werden. Den Standardpatienten gibt es nicht und damit auch keine allgemein gültige Standardtherapie."

Ein liberales, sich an Eigenverantwortlichkeit, aber auch Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, orientierendes Gesundheitswesen braucht keine Budgetierungen, unbotmäßige Honorarregulierungen und Bedarfsplanung, die, wie sie richtig bemerkt haben, nichts mehr mit dem realen Bedarf zu tun hat.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB

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