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Frage von Michael R. •

Frage an Ute Kumpf von Michael R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Kumpf,

in einer Email vom 20.05.2008 hat mich Herr Dr. Wiefelspütz freundlich an Sie verwiesen. Gerne möchte ich Ihnen folgende Frage stellen:

mit grossem Interesse verfolge ich die Diskussion zum Thema Mindestlohn. Ungeachtet dessen, dass die Gesellschaft eine Antwort auf soziale Gerichtigkeit finden muss, bewegt die Frage nach Mindestlöhnen sehr.

Es steht außer Frage, dass alle Menschen in Deutschland fair für Ihre Arbeit entlohnt werden sollten. Nur glaube ich, dass ein flächendeckender Mindestlohn zu einer Erhöhung der Kosten der Unternehmen führt, was seinerseits zu einer Erhöhung der Preise führen wird. Führt sich hier nicht die Diskussion ad absurdum, weil ja eben die Bevölkerungsschichten, die von Mindestlöhnen profitieren sollen, hier wieder im Nachteil sind?

Meinen Sie nicht auch, das eine bessere Qualifikation der Menschen am Arbeitsmarkt langfristig besser zur Lösung des Problems beitragen würde?

Vielleicht finden Sie ja Zeit meine Frage zu beantworten. Ich würde mich freuen.

Mit freundlichen Grüssen
Michael Reuter

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Reuter,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Mindestlohn.

Ihre Auffassung, dass die Menschen fair für ihre Arbeit entlohnt werden müssen, teile ich voll und ganz. Denn obwohl die Arbeitsmarktsituation sich sehr positiv entwickelt hat, die Arbeitslosenzahl in diesem Jahr auf unter 3,5 Millionen gesunken und das reale Bruttoinlandsprodukt mit 1,5 Prozent kräftig gewachsen ist, profitieren nicht alle Menschen von diesem Aufschwung. Noch immer sind rund 738.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Menschen auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen. Selbst in tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnissen gibt es Armutslöhne. So verdient eine Frisörin bzw. ein Friseur in Sachsen monatlich 491 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden. Ein Florist bzw. eine Floristin verdient in Schleswig Holstein 1.004 EUR brutto, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden. Im Hotel- und Gaststättengewerbe verdient eine Angestellte bzw. Angestellter in Baden-Württemberg 1.295 EUR brutto bei 39 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit. Deutlich wird, die Menschen können von ihrer Arbeit nicht leben.

Ihr Argument, dass die Unternehmen durch flächendeckende Mindestlöhne die Preise anheben würden, kann ich so nicht teilen. In 20 von 27 EU-Statten wurde bisher ein Mindestlohn eingeführt, selbst in den USA. So gibt es in Frankreich, den Beneluxstatten, Großbritannien und Irland allgemein verbindliche Mindestlöhne zwischen 7,48 EUR und 8,69 EUR. Aus den statistischen Erhebungen der Europäischen Union wissen wir, dass die Einführung eines Mindestlohns sich nicht negativ auf die Beschäftigtenquote und den Wettbewerb ausgewirkt hat. Mindestlöhne sind ökonomisch sinnvoll, denn sie schützen nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Dumpinglöhnen, sie schützen vor allem kleine und mittlere Betriebe vor einem unfairen Wettbewerb durch Konkurrenzunternehmen, die mit Niedrigstlöhnen den Wettbewerb verzerren. Dies zeigen auch unsere Erfahrungen im Baubereich - Mindestlöhne sichern die Konkurrenzfähigkeit und erhalten damit Arbeitsplätze. Darüber hinaus wird der Steuerzahler schon jetzt belastet, weil Aufstockungsleistungen für Niedrigentlohnte (ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II) aus den Steuermitteln gezahlt werden. Diese Fehlentwicklung führt bereits heute dazu, dass der Bundeshaushalt im Bereich des SGB II jährlich rund 1,5 Milliarden Euro für berufstätige Bürgerinnen und Bürger zahlen muss.

Das wir verstärkt in Bildung investieren müssen, das ist richtig und das machen wir bereits, denn Deutschland kann weiterhin nur durch hohe Qualität- sei es in der Lehre oder Forschung bzw. im Industrie und Maschinenbau - im internationaler Wettbewerb bestehen. Ein weitverbreitetes Vorurteil ist, dass überwiegend nur junge, unqualifizierte oder Minderheiten im Niedriglohnsektor arbeiten. Das entspricht nicht den Tatsachen. Fast 2/3 der Niedriglohnbezieher sind älter als 30 Jahre, 64% haben eine abgeschlossene Berufsausbildung, 43% arbeiten in Vollzeit, 10% haben sogar ein Studium, 67% im Niedriglohnsektor sind Frauen. (Quelle: Institut Arbeit und Technik im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen, 2006) Niedriglöhne sind insgesamt weniger eine Frage der Qualifikation, sondern heute größtenteils branchen- orts- und geschlechtsspezifisch.

Auch der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht bzw. die Veröffentlichung der OECD-Studie über Kinderarmut zeigen u.a. zwei Aspekte deutlich. Dass nur mit einer gerecht entlohnten Arbeit und der generellen Möglichkeit einer Arbeitaufnahme durch genügende Betreuungsangebote für Kinder, der Verarmung entgegen gewirkt werden kann.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage damit hinreichend beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Kumpf