Frage an Ute Kumpf von Dr.Joachim I. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Wie stehen Sie zu einem Beitritt der Türkei zur EU?
Sehr geehrter Herr Dr. Irek,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU haben eine bereits vierzig jährige Geschichte. Schon 1963 hat die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit Unterstützung der bun-desdeutschen Regierung ein Assoziierungsabkommen mit der Türkei geschlossen, das die Option einer späteren Mitgliedschaft ausdrücklich einschloss; 1996 folgte die Zollunion zwischen der EU und der Türkei. Dieser Kontinuität folgend wurde 1999 auf dem Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs in Helsinki beschlossen, dass die Türkei auf Grundlage der Kopenhagener Kriterien Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnehmen könne.
Diese Kriterien umfassen institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtstaatliche Ordnung, Wahrung von Menschenrechten, Schutz von Minderheiten, eine funktionierende Marktwirtschaft, die den Marktkräften innerhalb der Union standhält sowie die Übernahme des rechtlichen Besitzstandes der Union. Zusätzlich ist der Abbau der Sonderstellung des Militärs im Staat erforderlich.
Die Aufrechterhaltung der Beitrittsperspektive, die der Türkei vor über 40 Jahren eröffnet wurde, war und ist der Motor für den Reform- und Modernisierungsprozess des Landes. CDU/CSU blenden die lange Geschichte der Annäherung der Türkei an die EU mit dem Ziel einer Mitglied-schaft aller CDU-geführten Regierungen seit Adenauer komplett aus. Deshalb haben wir als SPD-Bundestagsfraktion die rot-grüne Bundesregierung in ihrer Türkeipolitik unterstützt.
Die in den letzten Jahren durchgeführten gesetzgeberischen Reformen in den Bereichen Demo-kratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Minderheiten und die positive Wirtschaftsent-wicklung zeugen vom Reformwillen der Türkei. Ohne über noch bestehende Defizite hinweg-zusehen, sind die Fortschritte in der Türkei nach Einschätzung der EU-Kommission, die die Entwicklung in ihren jährlichen Forschungsberichten bewertet, viel versprechend. Deshalb sollen am 3. Oktober 2005 Erweiterungsverhandlungen begonnen werden. Ich unterstütze diese Entscheidung.
Ich habe in meinem Wahlkreis die Erfahrung gemacht, wie wichtig die Annäherung und Integration der türkischen MitbürgerInnen ist. Stuttgart hat mit über 24 % einen der höchsten Ausländeranteile in Deutschland. Die türkische Gemeinschaft ist eine der stärksten Gruppen unter den MigrantInnen in Stuttgart. Sie prägt das kulturelle und wirtschaftliche Leben in Stuttgart. Nicht nur in Stuttgart geht es darum, zwischen den Menschen verschiedener Herkunft Brücken zu bauen.
Ziel der Beitrittsverhandlungen ist die Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU. Dieser Prozess wird viele Jahre dauern. Das Gelingen der Beitrittsverhandlungen hängt im wesentlichen vom politischen Willen der Türkei ab. Am Ende der Verhandlungen muss die türkische Gesellschaft die europäischen Werte und Prinzipien übernommen haben. Die Forschritte in der Türkei entscheiden über ihre Möglichkeit eines Beitritts frühestens in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts.
Falls Sie weitere Fragen zu meiner Person oder z.B. zum Wahlprogramm der SPD haben, empfehle ich einen Blick auf meine homepage unter www.ute-kumpf.de.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Kumpf