Frage an Ute Kumpf von Gerhard S. bezüglich Innere Sicherheit
Nach dem BGH-Urteil zur heimlichen Online-Durchsuchung von Computern wird ja nun aller Vorraussicht nach die Gesetzeslage angepasst, damit solche Durchsuchungen rechtlich abgesichert sind.
1. Wie stehen Sie zu dieser weiteren Einschränkung der Privatsphäre des Bürgers?
2. Wie soll sichergestellt werden, dass Kriminelle sich nicht der Möglichkeiten eines Bundestrojaners bemächtigen und sie für ihre Zwecke ausnutzen?
3. Macht sich ein Bürger verdächtig, wenn er mit einem PC ohne Festplatte (also ohne ausspähbare Daten) und gebootet von Live-CD mit Knoppix (kein Trojaner kann nstalliert werden) surft?
4. Hatten wir nicht schon Gestapo und Stasi, allerdings mit weit schwächeren technischen Möglichkeiten?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Siegwart
Sehr geehrter Herr Siegwart,
vielen Dank für Ihr Interesse bei Abgeordnetenwatch und Ihre Frage zur heimlichen Online-Untersuchung von Computern. Der Bundesgerichtshof hat vor einigen Tagen festgestellt, dass die geltende Strafprozessordnung keine Rechtsgrundlage für heimliche Online-Durchsuchungen von Computern enthält. Nun meinen manche, wir sollten diese Form des staatlichen „Hackings“ legalisieren.
Ich bin da sehr skeptisch. Das wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, und es wäre eine völlig neue Qualität staatlicher Überwachung. Es geht hier nicht darum, ein bestehendes Ermittlungsinstrument technisch weiterzuentwickeln. Es geht auch nicht darum, dass die Polizei Schritt hält mit den Kriminellen bei der Nutzung neuer Technik. Wenn Verdächtige heute E-Mails schreiben, statt zu telefonieren, dann darf die Polizei natürlich auch jetzt schon den Mail-Verkehr überwachen. Nein, bei diesem staatlichen Eindringen in Festplatten geht es um etwas ganz anderes. Die meisten Menschen bewahren persönlichste Computerunterlagen wie E-Mails, Kontoauszüge oder Krankenunterlagen zu Hause auf, weil dort der Computer auf dem Schreibtisch steht. Der Staat würde also mit Online-Durchsuchungen virtuell in eine Wohnung eindringen. Das Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Großen Lauschangriff aber klargestellt: „Die Privatwohnung ist als ,letztes Refugium’ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde.“. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist deshalb vom Grundgesetz ganz besonders geschützt.
Des Weitern führen Online-Untersuchungen zu einem Konflikt zwischen IT-Sicherheit einerseits und polizeilicher Fahndung andererseits. Das Tor, das die Polizei einbaut und benutzt, stünde auch Kriminellen offen. Wenn Software künftig gezielt den Zugang für polizeiliche Ermittlungen ermöglichen würde, dann wäre dies zugleich eine Schutzlücke und eine Einladung an Kriminelle. Dem Vertrauen in die Sicherheit der elektronischen Kommunikation würden wir damit einen schweren Schlag versetzen. Ich meine daher, wir sollten sehr gut überlegen, ob wir wirklich neue, heimliche Überwachungsbefugnisse brauchen. Das gilt für den repressiven Bereich genauso wie für das präventive Handeln. Das hohe Ansehen unserer Polizei rührt auch daher, dass sie das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen braucht. Wir sollten es mit so genannten Online-Durchsuchungen nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ute Kumpf