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Ursula von der Leyen
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Frage von Ferdinand Dr. R. •

Frage an Ursula von der Leyen von Ferdinand Dr. R. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Ministerin,

Was halten Sie als Gegenentwurf zu staatsdirigistischen Maßnahmen von einem Erziehungsgehalt, wie es u.a. auch Paul Kirchhof vorschlug, für alle Eltern, die ihr Kind selbst betreuen?

Bei den derzeitigen Kosten für einen Krippenplatz von mindestens 1000€, die sich durch den aktuellen Tarifabschluss, verbesserte Ausbildung der Betreuerinnen und einen günstigeren Betreuungsschlüssel noch erhöhen dürften, müsste alternativ ein Erziehungsgehalt für alle Eltern, die ihr Kind selbst betreuen, kostenneutral finanzierbar sein (vgl. http://www.bpb.de/publikationen/CVMUAT.html )?

Entwicklungsstörungen werden bei Krippenkindern häufiger beobachtet als bei Kindern, die durch die eigenen Eltern betreut wurden (vgl.: The NICHD Early Child Care Research Network: “Are There Long-Term Effects of Early Child Care?” In: Child Development, March/April 2007, 78 (2), 681 – 701) und ließen sich auch auf diesem Wege möglicherweise reduzieren. Wie Sie vielleicht wissen, sind Entwicklungsstörungen wie beispielsweise ADHS und Autismus mit zweistelligen jährlichen Milliardensummen ein bald unbezahlbares Problem (vgl. z.B. M.L. Ganz, The Lifetime Distribution of the Incremental Societal Costs of Autism. Arch. Pediatr. Adolesc. Med. 2007, 161: 343-9. Umfangreiche wissenschaftliche Literatursammlung (Dateien) und eigene Forschungsergebnisse liegen vor, konnte damit u.a. auch meinem Sohn entscheidend helfen).

Welche Konzepte haben Sie angesichts der demographischen Krise, die Deutschland von allen Staaten Europas selbstverschuldet am härtesten trifft (vgl. z.B. Statistisches Bundesamt Deutschland - Mikrozensus), zu dem wichtigen Thema Familie und, damit verbunden, Entwicklungsstörungen bei Kindern?

Hochachtungsvoll
Dr. F. Raabe

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Dr. Raabe,

Mir liegt daran, dass Eltern nicht zu einem Lebensmodell gedrängt werden, das sie nicht wollen. Vielmehr sollen sie selbst entscheiden, wie sie ihre Kinder erziehen. Es soll den Familien leichter gemacht werden, so zu leben, wie sie es selbst wollen. Dafür brauchen sie finanzielle Gerechtigkeit und mehr und bessere Betreuungsangebote für Kinder. Für Kinder unter drei Jahren wird bis 2013 mit Unterstützung des Bundes durch Länder, Kommunen und freie Träger ein bedarfsgerechtes Angebot geschaffen. Danach gilt ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr. Gleichzeitig, also ab 2013, soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine Betreuungsgeld eingeführt werden (§ 16 Abs. 4 SGB VIII). Über die Ausgestaltung dieser Leistung wird zu gegebener Zeit beraten. Das Betreuungsgeld ist unbürokratisch auszugestalten.

Bereits heute bietet das Elterngeld als Einkommenseratzleistung im ersten Lebensjahr eines Kindes die Möglichkeit, dass ein Elternteil ohne gravierende finanzielle Einbußen der Familie im ersten Lebensjahr des Kindes auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet. Ich habe mit meinem jüngst vorgestellten Modell eines Teilelterngeldes und verlängerter Anspruchsdauer verdeutlicht, dass mir die wirtschaftliche Stabilität, Zeit für Kinder und die finanzielle Absicherung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Familien mit Kleinkindern ein besonderes Anliegen ist. Darüber hinaus setze ich mich dafür ein, mit einer Kinderkomponente zu einem Familiensplitting zu kommen bei dem die steuerliche Berücksichtigung von Kindern auf 8.004 Euro, also auf den für Erwachsene geltenden Grundfreibetrag, angehoben wird.

Mütter, Väter und Kinder sollen mehr Zeit füreinander finden können. Eltern wollen das Beste für ihre Kinder und sie mit Liebe, Zuwendung und Zeit ins Leben begleiten. Starke Familien sind der beste Kinderschutz.

Ich bin dankbar, dass Sie sich mahnend in die Diskussion um den notwendigen Prozess der Weiterentwicklung unserer Kindertagesbetreuung einbringen. Denn die ersten Lebensjahre sind von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung eines Kindes. Das Fundament für erfolgreiche Lebensgestaltung und gute Bildung wird in der frühen Kindheit gelegt.

Ihre Hinweise zu den Risiken für Kinder durch Betreuung von anderen Erwachsenen als den Eltern habe ich mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Allerdings ist die Bundesregierung hier der festen Überzeugung, dass qualitativ gute Angebote der öffentlichen Erziehung, Bildung und Betreuung von Kleinstkindern keine Gefährdung darstellen, sondern im Gegenteil zu deren positiven Entwicklung beitragen. Entscheidend ist die Atmosphäre innerhalb der Familie, eine enge Zusammenarbeit mit dem Elternhaus, feste Bezugspersonen und kleine Gruppen mit pädagogisch geschultem Personal. Das ist durch nationale und internationale Forschung vielfach belegt. So lohnt es sich, auch über unsere Landesgrenzen hinweg zu schauen: die Beneluxländer, Skandinavien, angelsächsische Länder oder Frankreich haben seit Jahrzehnten Erfahrungen auf diesem Gebiet. Diese Haltung bestätigt auch der 12. Kinder- und Jugendbericht „Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule“, der zur frühkindlichen Entwicklung und Bildung im Rahmen erweiterter Bildungsgelegenheiten wichtige Feststellungen trifft (im Internet abrufbar unter http://www.bmfsfj.de ).

Kleinkinder brauchen – das wissen wir sicher – stetige Bezugs- und Ansprechpersonen. Dies war immer der Fall und gilt auch heute noch. Es geht darum, ob die frühe Bindung durch die primäre Bezugsperson bzw. die Mutter so gestaltet ist, dass sie mit den Grundbedürfnissen und Entwicklungserfordernissen des Säuglings und Kleinkindes konform geht und es dem Kind gelingt, eine sichere Bindung zu seinen Bezugspersonen aufzubauen. Feinfühligkeit im Umgang mit dem Kind ist nach den Ergebnissen der von Ihnen zitierten Längsschnittstudie des National Institute of Child Health and Human Development „Early Child Care Research Network" (1997) die dominierende Einflussgröße auf die Bindungssicherheit in der Mutter-Kind-Beziehung, unabhängig davon, ob sich das Kind ausschließlich zu Hause befindet oder nicht und gleichgültig, ab welchem Alter und in welcher Weise (beispielsweise Betreuung durch den Vater, im erweiterten Familienkreis, Tagesmütter oder Kindertageseinrichtungen) es betreut wurde.

Natürlich steht es allen Eltern auch in Zukunft frei, ihre Kleinkinder nur im häuslichen Rahmen zu erziehen. Was wir aber in naher Zukunft brauchen, ist eine echte Wahlmöglichkeit für die Mütter und Väter. Immerhin haben im Rahmen der Betreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts 36 % der Eltern mit Kindern unter 3 Jahren konkrete Nachfrage nach Krippenplätzen oder Tagesmüttern geäußert. Dem Wunsch der Eltern wollen wir Rechnung tragen und die Kinderbetreuung in Deutschland verbessern.

Ich bin sicher, der weitere Ausbau der Kinderbetreuung auf der Grundlage des Kinderförderungsgesetzes, das Ende letzten Jahres in Kraft getreten ist, wird entscheidend zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und ihren Familien beitragen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ursula von der Leyen