Ulrich Widmann
DIE LINKE
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Frage von Thomas M. •

Frage an Ulrich Widmann von Thomas M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Widmann,
vorab möchte ich Ihnen sagen, dass ich es schade finde, dass es im Kreis Biberach kaum oder keine Veranstaltungen vor der anstehenden Wahl von der Partei die Linke gibt.
Somit kann man sich als Wähler kein konkretes Bild weder von der Partei die Linke noch dem Kandidaten machen. Ersatzweise kann man bei abgeordnetenwatch.de Ihre Antworten zu fest definierten Fragen in Erfahrung bringen. Ich hätte daher noch eine weitere konkrete Frage an Sie. Es geht um die grundsätzliche Einstellung von Ihnen zum Beamtentum. Polemik gegen Beamte ist populär und es gibt meiner Ansicht nach dafür nur zwei Gründe. 1. die Ablehnung aus persönlichen Erwägungen und 2. die Ablehnung des Beamtenstatus im konkreten Fall, weil Privatisierung besser funktioniere. Der erste Grund ist subjektiv und insofern Glaubenssache, weil faktisch noch nie erprobt. Und wer auch nur oberflächliche Erfahrungen mit Privatisierungen gemacht hat, in denen klassische Staatsaufgaben an den Privatsektor abgegeben wurden, muss 2. zugeben, dass das im Allgemeinen dann schlechter funktioniert. Meine Frage zielt jedoch auf einen anderen Sachverhalt. Den allerwenigsten ist bekannt, dass es auch 2. Arten der Beamten gibt, nämlich unmittelbare und mittelbare Beamte. Unmittelbarer Beamter ist derjenige, dessen Dienstherr die Bundesrepublik Deutschland oder ein Bundesland ist. Er ist Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung. Mittelbarer Beamter ist, wer zu einer Anstalt, Stiftung oder sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts, einer Kommune oder einer berufsständischen Kammer, in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis steht.
Diese Trennung wurde leider durch diverse Verwaltungsreformen vielleicht aus Unwissenheit oder bewusst verwischt.
Nun aber konkret meine Frage. Für welche Bereiche halten Sie Beamte für sinnvoll. Hierbei wäre Ihre Einstellung zu den Begrifflichkeiten der unmittelbaren und mittelbaren Beamten für mich auch von Interesse.

Freundliche Grüße

Th. Maier

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Maier,

ich antworte direkt und nicht über abgeordnetenwatch, weil ich (einer älteren Generation angehörig) mit den digitalen Kommunikationsmedien nicht so ganz vertraut bin. Wie Sie sicher schon bemerkt haben, war ich bis zu meiner Pensionierung ja selbst (Landes-)Beamter und daher nicht ganz unvoreingenommen. Ihre Meinung zu den Privatisierungs- und Reformorgien der letzten Jahre teile ich vollständig. Aber auch die unkritische und ausschließliche Übernahme einiger Prinzipien aus der sog. "freien Wirtschaft" (wie z. B. des Leistungsprinzips: Wer definiert was als größere oder geringere Leistung?) halte ich in manchen Fällen sogar für schädlich. Sicherlich gibt es einige Aufgabenbereiche, die nicht ausschließlich von Beamten wahrgenommen werden müssen Für außerordentlich nützlich, ja geradezu zwingend halte ich aber das Berufsbeamtentum in allen Fällen, die hoheitliches Handeln beinhalten. Dieser Begriff ist aber in einem modernen Staat viel weiter zu fassen als im 19. Jh. Gerade in dem Bereich, in dem ich tätig war, im Schulwesen, werden nicht nur (vielleicht meßbare) "technische" Fähigkeiten gefördert werden, sondern es werden auch Lebenschancen verteilt, es müssen mehr denn je Erziehung, Menschen- und Charakterbbildung vermittelt werden, alles Dinge, die sich nicht messen lassen, sondern die ihre Wirkung u. U. oft erst Jahre später entfalten. Der Dienstherr nicht nur im Kultusbereich fördert aber in vielen Fällen, auch durch vorgegebene Quoten bei der Leistungsmessung (d. h. nur soundsoviel % der Beurteilten dürfen "gut" bekommen, soundsoviel % müssen "ausreichend" bekommen) Katzbuckelei, Karrierismus und politische Korruption. Eines der für mich wichtigsten Elemente des klassischen Berufsbeamtentums, die Remonstrationspflicht bei Vorgängen, die der Beamte für falsch hält, geht vollständig verloren. Natürlich ist ein ausschließliches Anciennitätsprinzip nicht zeitgemäß, es wird aber auch nicht vollständig verkehrt. Damit wird m.E. ein von der Realität weit entfernter Popanz aufgebaut, auf den man dann eindrischt. Auch die Frage nach den "mittelbaren" Beamten läßt sich nicht pauschal beantworten. Bei den berufs-ständischen Kammern sehe ich ein Beamtentum kritisch, auch z. B. bei den Sparkassen. All das ist sicher keine umfassende Antwort auf Ihre Fragen. Es ist vielleicht auch konservativer gedacht, als Sie das bei einem Angehörigen der Linkspartei erwartet haben. Aber schon in den 70-er Jahren hat Erhard Eppler den Unterschied zwischen den nominell Konservativen, den /Struktur/konservativen und den "Linken", den /Wert/konservativen deutlich herausgearbeitet. Ich zähle mich zu den Letzteren.

Mit freundlichen Grüßen U.W.