Frage an Ulrich Martin Drescher von Cornelia F. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Drescher ,
derzeit forcieren Väterrechtsgruppen massiv das sog. „Wechselmodell“. Dies soll nach der Trennung der Eltern nun gerichtlich angeordnet werden können, nach Wunsch mancher Interessengruppen sogar als Standard.
Was sich zunächst gut anhört, wird von Experten sehr kritisch beurteilt. Der renommierte Kinderpsychiater, Prof Dr Winterhoff, sagt z.B., dass Kinder zuallererst ein stabiles Umfeld und verlässliche Maßstäbe brauchen. Das Kind sollte seiner Meinung nach bei dem Elternteil die meiste Zeit verbringen, der vor der Trennung den größten Teil der Erziehungsarbeit übernommen hat. Sonst verliere das Kind nach der Trennung auch seine Hauptbezugsperson, was mit einem Vertrauensverlust einhergeht. Auch der Bundesgerichtshof hat mit der sog. kindeswohlorientierten Einzelfallbetrachtung hohe Anforderungen formuliert.
Ferner gibt es keine Studien, die belegen, dass ein Wechselmodell gesund für Kleinkinder ist. Bisher existieren lediglich Studien über freiwillig gelebte Wechselmodelle, in Ländern, in denen Väter von Anfang an in die Kindesbetreuung einbezogen werden (Skandinavien). Dafür gibt es aber einige Studien, die belegen, dass Konflikte im Zusammenhang mit häufigen Umgangskontakten oder Wechselmodell zu Entwicklungsverzögerungen oder psychischen Auffälligkeiten bei Kleinkindern führt.
Ich persönlich kenne in meinem Bekanntenkreis einige, die das Wechselmodell „freiwillig“ leben und durchgehend alle bis auf eine Ausnahme berichten von schulischen Problemen sowie von Verhaltensauffälligkeiten der Kinder.. Das kann doch nicht Ziel der Politik sein??
Wird Ihre Partei das Wechselmodell als Standard nach einer Trennung anordnen? Oder darf von den Familiengerichten auch in Zukunft das individuell geprüfte Kindeswohl in Betracht gezogen werden, um den Umgang der Eltern mit ihrem Kind nach der Trennung zu beurteilen?
Vielen Dank für Ihre Antwort und viel Erfolg für den Endspurt..
Liebe Grüße
C. F.
Guten Abend Frau F.,
Danke für Ihre Fragen. Ich sehe dieses Thema differenziert und altersabhängig: Das Wechselmodell ist für Kleinkinder (bis ca. 6 Jahre) wohl nicht entwicklungsförderlich. Danach allerdings halte ich den gleichberechtigten Zugang bzw. Umgang für/mit beiden Elternteilen für angemessen. Das Wechselmodell ist auch kostenintensiver und kommt daher wohl auch nur für Mittel- oder Oberschicht real zum Tragen. Die Entscheidung allerdings ist immer individuell zu treffen. Selber war ich zwei Jahre lang (bis zur Volljährigkeit unseres Sohnes) alleinerziehender Vater. Ich halte es in strittigen Fällen für besser, auf eine Mediation zu setzen, als die Entscheidung Familiengerichten zu überlassen. In diesem Sinne will ich auch den Meinungsbildungsprozess innerhalb Bündnis 90/Die Grünen beeinflussen.
Danke für Ihre guten Wünsche für den Wahlkampf-Endspurt !
Abendliche Grüsse sendet Ihnen,
Ulrich Martin Drescher