Frage an Ulle Schauws von Jan V. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Schauws,
ich würde gerne die Haltung der Grünen zu einem Thema erfahren und hoffe, mit Ihnen als Fraktionssprecherin für Frauenpolitik die richtige Ansprechpartnerin erwischt zu haben.
Bei aller Freude über Frauenquoten vermisse ich, das aktive Anstreben von Quoten in unattraktiven Berufsfeldern. In Kanalreinigung, Müllabfuhr, Bauwesen haben wir Frauenquoten von z.T. unter 1%. Wie stehen die Grünen dazu und wo sind die Kampagnen und Mittel, die aktiv junge Frauen dazu motivieren sollen, eine Ausbildung zur Kanalreinigerin zu beginnen?
Gibt es andersherum aktive Bestrebungen eine Männerquote in klar von Frauen dominierten Berufsfeldern zu etablieren?
Danke im Voraus für Ihre Antwort!
Jan Voss
Guten Tag Herr V.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Es gibt als bekannteste berufsbezogene Kampagnen die GIRLS und BOYS DAYs, bei denen junge Frauen bzw. Männer an typischerweise vom jeweils anderen Geschlecht dominierten Berufe herangeführt werden sollen. Darum soll es gehen und nicht um eine einseitige Richtung. Dies einmal zur Information.
Über die „Attraktivität“ von Berufsfeldern lässt sich aber sicherlich streiten. Sie scheinen mit ihrer Frage auf körperlich anstrengende Berufe abzuzielen, in denen es auch um den Umgang mit Schmutz, Fäkalien, akustischer Belastung und körperlicher Anstrengung geht. Dabei möchte ich anmerken, dass zum Beispiel in der Pflege der Großteil der Beschäftigten (im Jahr 2020 ca. 83%) in Deutschland weiblich und die Arbeit in der Pflege ist mit hohen körperlichen Anstrengungen und oft mit menschlichen Gebrechen, aber auch pflegebedingt mit normalen körperlichen Ausscheidungen verbunden ist. Im Bereich der Landwirtschaft ist dies in den vielen von Männern als auch Frauen ausgeübten Berufen auch der Fall. Die Berufe im Bereich der Kindertagesstätten oder Schulen sind aufgrund der Lautstärke übrigens nachweislich häufig belastender als in klassischen Industrieberufen.
Grundsätzlich zeigen Statistiken klar, dass Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer im Schnitt 6 % weniger pro Stunde verdienen als ihre männlichen Kollegen (bereinigte Gender Pay Gap 2021). Da Frauen sich nach wie vor wesentlich stundenintensiver um Haushalt, Pflege von Angehörigen und Erziehung von Kindern kümmern, sehen sie oft nur die Möglichkeit, in Teilzeit und damit auch in schlechter bezahlten Berufsfeldern zu arbeiten. Das hat dann auch zur Folge, dass Frauen im Schnitt rund 18% weniger verdienen als Männer und wesentlich häufiger von Altersarmut betroffen sind, obwohl sie sich ihre Leben lang unentgeltlich um andere gekümmert haben.
Aus gleichstellungspolitischer Sicht ist es unerlässlich, dass alle sich in der Carearbeit einbringen und Männer sich in den Berufen und Tätigkeiten der Pflege und Erziehung beteiligen sollten. Hier müssen selbstverständlich auch Stigmatisierung von Männern etwa bei Tätigkeiten als Kinderpfleger oder ähnliches beseitigt werden. Zugleich lässt sich aber feststellen, dass Frauen gesamtgesellschaftlich und auch gerade in der Lohnarbeit strukturell schlechter gestellt sind als Männer.
Mit freundlichen Grüßen
Ulle Schauws