Frage an Tom Koenigs von Winfried D. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Koenigs,
Sagen Sie auch wie ich "Ja zum Betreuungsgeld" ?
Man sagt ja manchen Menschen viel schlimmes nach, was sie mit dem Geld alles schlechtes anstellen würden. Ein Mißbrauch kann nicht das 99 % Gute verhindern, daß mit diesem Geld in den Familien getan werden kann. Am besten wäre es wirklich, Vater oder Mutter ein Familiengehalt zu zahlen. Man könnte ja mal mit den 1000,- anfangen, die rein rechnerisch ein Kitaplatz an Subvention kostet. Dann bräuchten wir auch weniger Erzieherinnen (die Schulen bilden ja tausende zu wenig aus).
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Disser
Sehr geehrter Herr Disser,
vielen Dank für Ihre Mail zum Betreuungsgeld.
Wir Grüne sprechen uns klar gegen die geplante Einführung eines Betreuungsgeldes aus und engagieren uns im Bundestag dafür, dass dessen gesetzliche Grundlage, die 2007 von der Großen Koalition im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert wurde, wieder gestrichen wird.
Es gibt viele sehr gute Argumente gegen das Betreuungsgeld. Und es ist auffällig, dass das Betreuungsgeld von fast allen gesellschaftlichen Organisationen abgelehnt wird, ob das nun Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Familienverbände oder wissenschaftliche Institutionen sind.
Für uns von großer Bedeutung: Das Betreuungsgeld würde begünstigen, dass insbesondere Kinder, die in ihrer Familie wenig Unterstützung und Förderung erfahren, nicht in eine Kita gehen. Es ist also nichts anders als eine Kita-Fernhalteprämie. Denn das einzige Auszahlungskriterium besteht darin, ob ein Kind eine Kita besucht oder nicht. Erfahrungen in Ländern, in denen es ein Betreuungsgeld gibt, zeigen, dass so ein falscher Anreiz gerade für bildungsferne Eltern gesetzt wird, ihren Kindern frühkindliche Bildung vorzuenthalten. Die ehemalige Bildungsministerin Ursula von der Leyen hat das Betreuungsgeld vor diesem Hintergrund richtigerweise als „bildungspolitische Katastrophe“ bezeichnet. Wie absurd diese Kita-Fernhalteprämie ist, zeigt sich auch daran, dass das Betreuungsgeld auch an Eltern ausgezahlt werden soll, die ihre Kinder nicht selbst zuhause erziehen, sondern diese beispielsweise durch eine Kinderfrau oder ein Au-Pair betreuen lassen. Warum mit dem Betreuungsgeld eine besondere Würdigung der Erziehungsleistung dieser Eltern erfolgen soll, während Eltern, deren Kinder ein paar Stunden am Tag oder in der Woche in eine Kita gehen leer ausgehen, bleibt völlig schleierhaft.
Wir halten das Betreuungsgeld auch aus gleichstellungspolitischen Gründen für völlig falsch. Denn es setzt gerade für junge Mütter einen Anreiz, nicht beziehungsweise erst spät wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Das schwächt die Situation junger Eltern und Mütter auf dem Arbeitsmarkt, erschwert die Rückkehr in den Beruf und ist mittel- und langfristig ein Problem bezüglich des Erwerbs einer eigenständigen Absicherung. Das Betreuungsgeld muss in diesem Zusammenhang auch verfassungsrechtlich kritisch gesehen werden, weil das deutsche Grundgesetz den Gesetzgeber verpflichtet, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern befördert. Mit dem Betreuungsgeld würde aber das Gegenteil passieren und die tradierten Rollenmuster befördert.
Als Argument für die Einführung des Betreuungsgeldes wird eingewandt, es würde Wahlfreiheit hergestellt zwischen dem Besuch der Kita und der Erziehung eines Kindes zuhause. Tatsache ist aber, dass Eltern keine Wahlfreiheit haben, weil es nicht genügend Kita-Plätze gibt und nicht, weil es kein Betreuungsgeld gibt. Deshalb muss der Fokus der Politik ganz klar darauf ausgerichtet sein, ausreichend und auch qualitativ gute Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Die 1,2 Milliarden Euro, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind, wären für einen besseren Kita-Ausbau viel sinnvoller eingesetzt.
Der Dauerstreit über das Betreuungsgeld innerhalb der schwarz-gelben Regierungskoalition führt inzwischen zu regelrecht absurden Vorschlägen. Diskutiert wird beispielsweise, das Betreuungsgeld bei Eltern, die ALG-II beziehen, anzurechnen. Gerade Familien mit dem geringsten Einkommen, würden also von dieser Leistung nicht profitieren. Wenn man in Betracht zieht, dass das Betreuungsgeld von seinen Befürwortern verteidigt wird, weil es die „Erziehungsleistung der Eltern würdigen“ soll, ist es eine Unverschämtheit, Eltern im ALG-II-Bezug das Betreuungsgeld anzurechnen und ihnen damit ihre Erziehungsleistung abzusprechen.
Wir Grüne wollen Familien und das Leben mit Kindern unterstützen. Eltern brauchen Zeit für ihre Kinder, sie brauchen eine gute materielle Absicherung und sie brauchen gute Strukturen wie Kitas und Ganztagsschulen. Das Betreuungsgeld halten wir aber für den falschen Weg.
Mit besten Grüßen
Tom Koenigs