Frage an Tobias Thalhammer von Christian Ä. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Thalhammer,
mich würde interessieren, warum ausgerechnet Sie, als weltoffener, toleranter, für Erneuerung stehender, aufstrebender, junger Politker einer liberalen Partei gegen die "Verbesserten Rahmenbedingungen für Volksbegehren" gestimmt haben?
Sollte es nicht in Ihrem Interesse sein sich den zukünftigen Wählern zu nähern und sie mehr einzubeziehen, anstelle zu verhindern, dass die Bürger Ihnen mitteilen, was diese von Ihnen erwarten?
Haben Sie statt dessen einen anderen, vielleicht sogar besseren Ansatz, wie die Politik der Zukunft gestaltet werden kann? Dann bin ich sehr gespannt auf Ihren Ansatz und freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüssen
Christian Ächter
Sehr geehrter Herr Ächter,
vielen Dank für Ihre Frage an mich via abgeordnetenwatch.de.
Wir haben in Bayern eine starke und funktionierende direkte Demokratie. Das hat erst kürzlich das erfolgreiche Volksbegehren zum Rauchverbot sehr deutlich gezeigt.
Dies sollte man bedenken, bevor man in diesem sensiblen Bereich die Stellschrauben verändert.
Laut dem Vorschlag der SPD sollte die Eintragungsfrist beim Volksbegehren von zwei auf vier Wochen verlängert werden. Dieser Vorschlag der SPD bietet aus meiner Sicht, keine spürbare Verbesserung. Die eigentliche Diskussion über das Volksbegehren findet bereits lange vorher statt. Diese Vorlaufzeit erstreckt sich oftmals über mehrere Monate. Eine längere Eintragungsfrist wir deshalb die öffentliche Diskussion an sich, nicht gravierend beeinflussen. Die heiße Phase der Eintragungen beginnt sobald das Fristende näher rückt. Dieses Phänomen kann eine verlängerte Eintragungsfrist von einem Monat sicherlich nicht beseitigen. Bürger, denen ein Volksbegehren am Herzen liegt, tragen sich in jedem Fall in die Unterschriftslisten ein - egal ob die Frist zwei oder vier Wochen beträgt. Das jemand genau in diesen zwei Wochen verhindert ist, wird nur relativ selten der Fall sein und ist daher ein Randproblem.
Zusätzlich forderte die SPD mit ihrer Gesetzesinitiative, das freie Unterschriftensammeln auf Landesebene zu erlauben. Diesen Vorschlag halte ich ebenfalls nicht für zielführend. Stellen Sie sich bitte den sozialen Druck vor, wenn Verwandte oder freundliche Bekannte mit Unterschriftslisten kommen, um damit für ein Volksbegehren zu werben. In diesem Falle ist der Einzelne alles andere als frei in seiner Entscheidung, ob man für ein politisches Anliegen eine Unterschrift leisten möchte oder nicht. Die bayerische Praxis, Unterschriftslisten auf "neutralem Boden", also Ämtern und Behörden, auszulegen, hat sich in Bayern bewährt.
Wir Liberale wollen keinen Obrigkeitsstaat und auch keine Zuschauerdemokratie. Deshalb begrüßt die bayerische FDP die Stärkung der direkten Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich. Dabei setzt die FDP auf den Wettbewerb um das beste Argument und den Mitmachbürger. Neue Regelungen müssen jedoch echte Verbesserungen bringen, und praxistauglich sein.
Der Freistaat Bayern kann mit Stolz auf eine lange und erfolgreiche Tradition der direkten Bürgerbeteiligung zurückblicken. Dieses wertvolle Erbe werden wir verantwortungsvoll und mit Bedacht weiter entwickeln.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Tobias Thalhammer
Sehr geehrter Herr Ächter,
vielen Dank für Ihr Interesse an meiner politischen Arbeit. Geren beantworte ich Ihre Frage zu den verbesserten Rahmenbedingungen der direkten Demokratie.
Die FDP-Fraktion und auch meine Person stehen voll und ganz zur direkten Demokratie und den plebiszitären Elementen in der Bayerischen Verfassung. Wir unterstützen auch jede sinnvolle Änderung zur Stärkung der direkten Demokratie. Allerdings hätte die Umsetzung der Vorschläge von SPD und Grünen, die Sie in Ihrer Anfrage ansprechen, in meinen Augen keine Verbesserung, sondern eher eine Verschlechterung zur Folge gehabt. Die Vorschläge waren äußerst problematisch und hätten dem Instrument des Volksentscheids in keinster Weise geholfen. Man muss genau überlegen, welche Stellschrauben man in diesem Bereich verändern will.
Nun komme ich zu den Vorschlägen von SPD und Grünen im Einzelnen. In den beiden Gesetzentwürfen wird eine Absenkung des Quorums bei Volksbegehren von 10 auf 5 Prozent gefordert. Da allerdings bei einem anschließenden Volksentscheid kein Quorum mehr vorgeschrieben ist, halte ich besondere Hürden für ein Volksbegehren für erforderlich. Es sollten nur solche Volksbegehren zur Abstimmung kommen, die auch von einem entsprechend großen Rückhalt in der Bevölkerung haben. Die Messlatte kann nicht sein, dass es jedes Anliegen schafft, sondern dass es für jedes Anliege möglich ist, es zu schaffen. Dass das Quorum von 10 Prozent machbar ist, hat das jüngste Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren deutlich gezeigt.
Der zweite Punkt, der von den beiden Oppositionsparteien gefordert wurde, ist eine Verlängerung der Eintragungsfristen von 14 Tagen auf einen Monat. Die FDP-Fraktion und ich halten eine derartige Verlängerung zwar nicht für bedenklich, aber auch nicht für erforderlich. Die zwei Wochen sind nur der Endspurt eines Volksbegehrens. In den Wochen und Monaten vorher hat der Initiator ausreichend Gelegenheit für seine Sache zu werben. Daher ist die Eintragungsfrist nicht so entscheidend für dessen Erfolg.
Die Zulässigkeit von haushaltswirksamen Volksentscheiden halte ich wiederum für sehr bedenklich. Es geht gar nicht darum, dass ich den Bürgern die notwendige Reife nicht zutraue, sondern vielmehr darum, dass der Haushalt als Gesamtpaket geschnürt wird. Es werden dabei vielfältige Einzelinteressen gegeneinander abgewogen und einzelne Probleme gerade nicht punktuell gelöst. Davon würde man sich mit haushaltswirksamen Volksentscheiden verabschieden. Dabei sehe ich schon die Gefahr, dass Bürgerinnen und Bürger einen einzelnen Punkt, aber nicht das Gesamtkonzept des Haushalts sehen. Zudem ist das Parlament am besten geeignet einen ausgewogenen Mix zwischen den Interessen der Bürger sowie den Einnahmen und Ausgaben des Staates hinzubekommen.
Der letzte Punkt, die Zulässigkeit von freien Unterschriftenlisten, ist meiner Ansicht nach ebenfalls ziemlich problematisch. Ich kann mir gedanklich gut vorstellen, wie diese Listen in bierseliger Stimmung in Bierzelten herumgereicht werden mit der Bitte, unterschreibe doch mal. Ich stelle mir vor, wie sozialer Druck aufgebaut wird, wenn der nette Kollege, den man nicht enttäuschen will, kommt und sagt, das wäre mir ein wichtiges Anliegen. Ich stelle mir vor, wie ein lästiger Besucher kommt, den man nicht los wird, und man sagt, dann unterschreibe ich eben, damit ich Ruhe habe. All das ist dem Anliegen einer starken direkten Demokratie nicht nur nicht nützlich, sondern abträglich. Es ist eben etwas anderes, eine bewusste politische Entscheidung zu treffen, als so nebenbei eine Unterschriftenliste abzuhaken. Wer Interesse an einer Sache hat, wird auch den Weg ins Rathaus finden.
Ich hoffe ich konnte Ihnen differenziert zeigen, dass meine Ablehnung des Gesetzesentwurfs „Verbesserte Rahmenbedingungen für Volksbegehren“ in keinster Weise bedeutet, dass mir die Meinung der Bürger nicht wichtig ist. Ganz im Gegenteil, ich wünsche mir eine aktive Bürgergesellschaft.
Viele Grüße
Tobias Thalhammer