Frage an Timo Smieszek von Marcus N. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Smieszek,
Flugverbot über dem Zentrum von Berlin ist doch ein typischer, völlig populistischer und sinnloser Akt. Er impliziert die merkwürdige Vorstellung, dass ein Terrorist sich durch ein unsichtbares Verbotsschild abschrecken lässt.
Als könnte man durch Halteverbote vor Banken in den Innenstädten Banküberfälle verhindern?
Ähnlich groteske und nur aktionistische Vollzüge häufen sich derzeit bei denSport- und Privatfliegern, die sich neuerdings einer wirklich totalen "freiwilligen" Zuverlässigkeitsuntersuchung (§7 LuftSiG) unterziehen müssen, bei der sämtliche Geheimdienste der Welt (auch die alte Stasiakten!) und selbst der Arbeitgeber einbezogen werden.
Als würde sich irgendein Terrorist vorher dieser Untersuchung stellen! Dieser könnte ganz einfach vom Ausland einfliegen oder einen Lastwagen nehmen, der viel mehr Sprengstoff tragen kann als jedes Leichtflugzeug. Alles bewirkt nur den gläsernen Bürger und eine Menge unsinniger Bürokratie und die Stasi wäre stolz darauf gewesen, hätte sie schon diese Möglichkeiten gehabt. Auch eine künftige radikale Regierung findet solche "Notstandgesetze" bereits vor! Eine schreckliche Vorstellung, dass wir vielleicht denen schon jetzt in die Hand arbeiten!
Mit denselben Argumenten kann auch jeder Führerscheinbesitzer "durchleuchtet" werden und auch jeder Rucksackträger und dies ist sogar noch besser begründbar, da bisher jede Menge Autobomben in den Innenstädten explodiert sind. Es war aber noch niemals ein Sportpilot darunter!!
Sind Sie der Meinung, dass hier das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist?
Sind Sie der Meinung, dass so die Würde des Menschen unangetastet bleibt, wenn solche willkürliche Schnüffelei über die Minderheit der Sportflieger kommt.
Wissen Sie, dass die Sportflieger dies "freiwillig" unter Androhung von Lizenzverlust beantragen müssen?
Sind unsere führenden Regierungsvertreter inzwischen nicht mehr beeinflusst von psychisch Kranken (Motorseglerpilot über Frankfurt) und Selbstmördern (Absturz neben dem Reichttag), als von normalen Bürgern (Sportpiloten), die nicht mehr gehört werden?
Was ist eine freiheitliche Demokratie noch wert, wenn sie so mit ihren Minderheiten umgeht?
Freiheit und Demokratie und Menschenwürde, werden sie dadurch geschützt, dass man sie schleichend abschafft?
Das Bundesverfassungsgericht hat vor ganz kurzer Zeit, eine solche Telefonspionage ohne jeden Verdacht als nicht verfassungskonform bezeichnet.
Es gibt aktuell keinerlei Grenze zum Ausspionieren
durch jede unkontrollierte Bürokratenwillkür.
Was werde Sie, als unser künftiger Abgeordneter, dagegen tun?
Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung im Orwellschen Sinne?
Können Sie mir als mein Wahlkandidat diese Fragen befriedigend beantworten?
Wir würden Sie gerne auch mal zu einem kleinen Rundflug bei uns einladen, damit Sie sich persönlich davon überzeugen können, dass wir keine Terroristen sind, sondern normale Menschen, die nur um ihre freiheitliche Grundrechte fürchten.
Mit freundlichen Grüßen und in Erwartung Ihrer Antwort
Marcus Neubronner
-Segefluggruppe Wehr e.V. in der Luftsportgemeinschaft Hotzenwald-
Sehr geehrter Herr Neubronner,
ich habe mich über die von Ihnen beschriebenen Sachverhalte und deren Hintergründe kundig gemacht und möchte Ihnen gerne auf Ihre mail antworten.
In der Tat bin ich der Meinung, dass nicht alle Reaktionen auf den 11. September sinnvoll, zweckdienlich und verhältnismässig waren. Den Nutzen der von Ihnen angesprochenen Flugverbotszone über dem Regierungsviertel halte auch ich für fragwürdig.
Datenschutz und Freiheitsrechte sind wichtige Grundpfeiler einer demokratischen Ordnung. Ihr Schutz ist für mich und für die Partei, die ich vertrete, ein wichtiges Anliegen. Deshalb begrüsse ich auch ausdrücklich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches den sogenannten „Lauschangriff“ eingeschränkt hat. Gleichsam besteht in der Bevölkerung ein starker Wunsch nach Sicherheit und es ist die Verantwortung eines jeden Staates seine Bevölkerung vor Gefahren zu schützen. In der Praxis besteht zwischen diesen beiden wichtigen Zielen zuweilen ein Konflikt – so in dem von Ihnen beschriebenen Fall, so auch bei anderen Fragen.
Aus diesem Grund kann ich diese Frage auch nicht mit einem klaren schwarz-weiss / ja-nein Schema beantworten.
Ich denke Sie werden mir zustimmen, dass Kleinflugzeuge ein Gefährdungspotential darstellen können. Selbstverständlich können Anschläge auch mit PKW, LKW und durch Fussgänger ausgeübt werden. Nichtsdestotrotz ist der mögliche Schaden, der mit einem Flugzeug angerichtet werden kann, bedeutend grösser als bei den anderen Möglichkeiten (z. B. leichteres Eindringen in sicherheitsrelevante Zonen wie Chemieanlagen).
Analog hierzu ist etwa das Gefährdungspotential von Schusswaffen grösser als das von Messern. Aus diesem Grund werden Sportschützen, Jäger und Berufsgruppen, die Waffen tragen, ebenso streng kontrolliert.
Ich habe mich eine Weile mit wissenschaftlicher Risikoforschung beschäftigt und weiss, dass nicht nur relevant ist, ob ein bestimmtes Schadensereignis (z. B. Rucksackattentäter wie in London) realisiert wurde. Vielmehr muss man auch darauf schauen, wie gross der mögliche Schaden eines Ereignisses ist – unabhängig davon, ob es schon eingetreten ist oder nicht.
Aus diesen Gründen halte ich es schon für richtig, dass auch im Bereich der Sportfliegerei genau hingesehen wird wer dort was macht. Ich bin Ihrer Meinung, dass Zuverlässigkeits-prüfungen kein Allheilmittel gegen Bedrohungen sind, aber auf sie völlig und in jeder Form zu verzichten wäre leichtfertig.
Piloten sind nicht die einzigen Betroffenen. Zuverlässigkeitsüberprüfungen gab es bereits vor Inkrafttreten des Luftsicherheitsgesetzes für Personen, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiteten (z.B. Kernkraftwerke). Diejenigen Personen, die in beruflichem Zusammenhang regelmäßig in den sicherheits-relevanten Bereichen der Verkehrsflughäfen tätig waren, z.B. Personal der Flughafen-betreiber und Luftfahrt-unternehmen, sowie die Mitarbeiter der Flugsicherung, die einen Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs haben, müssen sich einer regelmäßigen Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Auch Hobbypiloten haben Zutritt zu den relevanten Sicherheitsbereichen und sind deshalb in die Überprüfung einzubeziehen.
Ich – und auch die Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN in Berlin – teile aber Ihre Auffassung, dass die Regelungen im Luftsicherheitsgesetz zu bürokratisch und nicht vermittelbar sind. In den Verhandlungen hatte sich meine Fraktion dafür eingesetzt, die Zuverlässigkeitsüberprüfung wie in der EU-Verordnung vorgesehen, nur alle 5 Jahre zu wiederholen. Eine jährliche Überprüfung ist übertrieben und steht für die Betroffenen in keinem Verhältnis. Auch in der Frage des Datenschutzes ist den Hinweisen der jeweiligen Datenschutzbeauftragten für die Ausgestaltung solcher Sicherheitsregeln ein hohes Gewicht beizumessen.
Wir werden uns hier erneut für erträgliche und vermittelbare Regelungen einsetzen. Durch die vorgezogene Bundestagswahl wurden die Verhandlungen hierüber allerdings unterbrochen.
Ich als Direktkandidat und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN als Partei stehen für Bürgerrechte ein. Trotzdem kann ich Ihnen nicht versprechen, dass wir in schwierigen Abwägungsfragen nicht auch Einschränkungen in diesem Bereich hinnehmen, wenn der Gewinn an Sicherheit überzeugend ist und diese Einschränkungen aufwiegt.
Versprechen kann ich Ihnen hingegen, dass wir diese Fragen weitaus kritischer beurteilen als weite Teile in CDU und SPD. So wurden weite Teile der von Ihnen kritisierten Regelungen recht einhellig auf den jeweiligen Innenministerkonferenzen (bestehend aus den 17 Innenministern von CDU und SPD) behandelt.
Ich möchte mich auch dafür einsetzen, dass auf den biometrischen Reisepässen keine missbrauchsanfälligen Daten gespeichert werden und dass etwa bei der Visa-Vergabe ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen Sicherheitsinteressen und Reisefreiheit gefunden wird.
Ich hoffe Ihnen mit dieser Antwort gedient zu haben und wünsche Ihnen bei Ihrem wirklich begeisternden Sport (was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann) trotz mancher Widrigkeiten viel Freude.
Mit freundlichen Grüssen
Timo Smieszek