Sehr geehrter Herr Wölken ich würde gern wissen, was Sie u. Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode konkret an Maßnahmen und Forschungsgeldern für an LongCovid und ME/CFS Erkrankte planen?
Laut der WHO sind in Europa allein 36 Millionen Menschen von LongCovid betroffen - dies ist ein Problem, das wirklich alle angeht, nicht nur einzelne Abgeordnete im Bereich Gesundheit!
Die Auswirkungen sind massiv- für Betroffene lebenszerstörend, für Länder wirtschaftsgefährdend und aufgrund der Untätigkeit der Politik in den letzten Jahren auch demokratiegefährdend.
Die einzelnen Mitgliedsstaaten sind mit der Thematik heillos überfordert und machen wenig bis gar nichts, um diese Katastrophe in den Griff zu kriegen.
Was können wir als Betroffene von der EU und unseren Abgeordneten erwarten?
Ich weiß, dass viele von uns unsere Wahlentscheidung ausschließlich von diesem Thema abhängig machen werden und würde mich darum über eine aussagekräftige Antwort freuen, die nicht die Zuständigkeit an andere abschiebt.
Vielen Dank und beste Grüße
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Zunächst gilt, dass gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die Union die Politiken der Mitgliedsstaaten in diesem Bereich lediglich ergänzt. Die EU klärt dabei nicht nur über Gesundheitsgefahren auf, sondern ist bspw. auch für die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von menschlichen Krankheiten und die Bekämpfung von schweren und seltenen Krankheiten, die weit verbreitet sind, zuständig. Allerdings dürfen Vorgaben in diesen Bereichen nicht bindend sein.
Seitens der Kommission erwarten wir eine Studie die dazu beitragen soll, Erkrankungen im Zusammenhang mit hoher Belastung zu ermitteln, die wie ME/CFS noch nicht ausreichend erforscht sind. Weiterhin fordert das Parlament, dass Forschungsprioritäten festgelegt werden, um den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten besser gerecht zu werden. Ferner hat die EU im Rahmen früherer Rahmenprogramme für Forschung und Innovation mehrere Projekte wie beispielsweise „Help4ME“, „DISCOvERIE“, „VirA“ oder „EUROMENE COST-Maßnahme“ im Zusammenhang mit MF/CSE unterstützt. Diese Bemühungen werden im Rahmen des Horizon Europe Forschungsprogramm der Union, explizit des Cluster Gesundheit, fortgeführt, so dass weitere Projekte im Bereich der ME/CFS Forschung finanziell unterstützt werden.
Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) überwacht derzeit die wissenschaftliche und graue Literatur zum Zustand nach COVID-19 mit dem Ziel, den Abschnitt zu den klinischen Merkmalen seines Online-Krankheitshintergrunds, zur Hilfestellung von u.a. medizinischem Fachpersonal, zu COVID-19 regelmäßig zu aktualisieren.
Das ECDC wirft auch einen allgemeinen Blick auf die aktuelle Literatur und verfolgt die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufmerksam, um eine klinische Falldefinition für Post-COVID-19-Zustände zu entwickeln.
In Bezug auf die Forschung wurde das Projekt ORCHESTRA im Rahmen von Horizont 2020 finanziert. ORCHESTRA versucht Kohortendaten aus ganz Europa und darüber hinaus zu bündeln, um die mittel- und langfristigen Auswirkungen von COVID-19-Infektionen zu messen. Darüber hinaus wurden im Jahr 2021 neue Projekte mit 40 Mio. EUR im Rahmen des HERA-Inkubatoraufrufs finanziert. Diese Projekte werden Patientengruppen verfolgen, um das Risiko sowie die Schutzfaktoren im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion in verschiedenen Bevölkerungsgruppen besser zu verstehen. Insgesamt wurden finanzielle Mittel in Höhe von 66 Millionen Euro in die verschiedenen Forschungsprojekte investiert.
Die Arzneimittelstrategie für die Union zielt weiterhin darauf ab, ungedeckten medizinischen Bedarf von Patientinnen und Patienten zu decken. Hier wird vor allem die Entwicklung von Arzneimitteln im Fokus stehen für die es keine oder keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt.
Mit der Initiative „Innovative Gesundheit“ (IHI) - eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP) zwischen der EU und der europäischen Biowissenschaftenindustrie, soll Gesundheitsforschung und -innovation in greifbare Vorteile für Patientinnen und Patienten und die Gesellschaft umgesetzt und sichergestellt werden, so dass die Union an der Spitze der interdisziplinären, nachhaltigen und patientenorientierten Gesundheitsforschung bleibt.
Die Europäische Kommission hat zudem eine Expertengruppe zu Long-COVID ins Leben gerufen, um nationale Expertenzentren zusammenzubringen, die über Möglichkeiten zur Stärkung der Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene gegen Long-COVID beraten. Das Netzwerk bietet eine Plattform für den Austausch nationaler Erfahrungen mit der Diagnose, Behandlung und dem Management von Long-COVID und wird auch Informationen über die Situation in verschiedenen EU-Ländern sammeln. Erste Ergebnisse werden noch in diesem Jahr erwartet.
Für die kommende Legislaturperiode wird es eine der Prioritäten sein, das Thema Long-COVID innerhalb des zukünftigen EU-Forschungsprogramms zu integrieren.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort aufzeigen konnte, dass die EU aktiv die Forschung und Innovation im Bereich von ME/CFS, sowie Post-Covid unterstützt und auch weiterhin vorantreibt, um so betroffenen Patientinnen und Patienten zu helfen.
Mit freundlichen Grüßen
Tiemo Wölken