Frage an Thorsten Frei von Tino P. bezüglich Umwelt
Der Bürgerrat Demokratie war ein Erfolg. Auch Bundestagspräsident Schäuble hat das Verfahren gelobt und dem Bundestag geraten, sich der Ergebnisse anzunehmen. Außerdem sieht auch er einen Bedarf nach solchen ergänzenden Verfahren im Allgemeinen. Diese könnten helfen, politische Maßnahmen auf eine größere gesellschaftliche Akzeptanz zu stützen. Wäre es nicht der nächste logische Schritt, das gesellschaftlich drängendste Thema der letzten Zeit, die Klimakrise, mit einem solchen Verfahren anzugehen?
Würden Sie einen Klimabürgerrat in Deutschland unterstützen?
Sehr geehrter Herr Pfaff,
vielen Dank für Ihre Mail und die damit verbundenen Fragen. Auch ich war bei der Veranstaltung als Diskussionsteilnehmer dabei, als Wolfgang Schäuble das Bürgergutachten des Vereins Mehr Demokratie e.V. im vergangenen Herbst in Berlin öffentlich entgegengenommen hat. Grundsätzlich teile ich die Auffassung, dass die Expertise von Bürgern in Form von sog. "Bürgerräten" unter bestimmten Rahmenbedingungen demokratische Prozesse ergänzen können. Das unterstreichen auch viele praktische Erfahrungen im In- und Ausland. Klar ist aber auch, dass an der Idee nicht nur positive Aspekte geknüpft sind, sondern auch Nachteile bestehen. Ganz zentral für mich ist, dass solchen Bürgerräten durch ihre zufällige temporäre Berufung jegliche demokratische Legitimation fehlt und die Teilnehmer im Gegensatz zu demokratisch gewählten Politikern faktisch auch nicht in Verantwortung genommen werden können, wenn etwas grundsätzlich schief gelaufen ist.
Dennoch wäre es einen Versuch wert, das in Deutschland bewährte Modell der repräsentativen Demokratie auf Bundesebene mit deliberativen Elementen anzureichern. Entscheidend ist die Frage, wie dies geschehen könnte. Diese Fragen müssten politisch beantwortet werden. Am einfachsten ginge dies ganz sicher im Rahmen einer Koalitionsvereinbarung, in der genau geregelt ist, wie oft, zu welchen Themen und an welcher Stelle im Gesetzgebungsprozess das Instrument zum Einsatz kommen könnte.
Aus meiner Sicht sollte ein solcher Bürgerrat nicht zu oft eingesetzt werden, da damit eine Entwertung einhergehen könnte. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass damit vor allem zu den großen gesellschaftlichen Fragestellungen wie die Sozialversicherungssysteme, Steuern oder die Klimapolitik die Stimme der Bürgerschaft gehört werden sollte. Entscheidend ist und bleibt für mich jedoch, dass die gewählten Volksvertreter und die von ihnen getragene Regierung weiterhin die Gestaltungshoheit besitzen, disruptive Entwicklungsimpulse setzen und für diese auch in Verantwortung genommen werden können. Das Parlament darf nicht an das Bürgergutachten gebunden sein müssen. Es wäre aber zumindest denkbar, dass es im Gesetzgebungsprozess verpflichtet wird, zu Vorschlägen der Bürgerräte Stellung zu nehmen und Ablehnungen zu begründen.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Frei