Frage an Thorsten Frei von Klaus Strasser, Dr. m. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Frei,
TTIP, PTIP und CETA sind Vertäge die die europäschen Staaten - die Regierungen aber auch jeden einzelen Bürger - direkt betreffen. Der Bieleferlder Rechtsprofessor Andres Fisahn wird eine Verfassungsklage gegen CETA einreichen. Er ist - wie ein großer Teil der Bevölkerung - der Meinung, dass durch Schiedsgerichte eine Nebenverfassung mit Nebengerichtsbarkeit entsteht.Wie in mehreren Fernsehsendungen in ARTE, ZDF und ARD wird auch hier immer auf die Gefahr einer Dominanz der US-amerikanischen Wirtschaft bei gleichzeitigem Abbau sozialer und ökologischer Gesetzgebungen in Europa hingewiesen. Sehr deutlich berschreibt Dirk Müller in seinem Buch SHOWDOWN- der Kampf um Europa und unser Geld - die Gefahren eines solchen Abkommens. Die USA haben mit PTIP und TTIP eine den Erdkreis umspannende Freihandelszone mit Schiedsgerichten, die den US-amerikanischen Firmen erlaubt sich über jede nationale Gesetze in Schiedsgerichtsverfahren hinwegzusetzen.
Ist dies mit unserer Demokratie zu vereinbaren? Wie ist Ihr Abstimmungsverhalten im Bundestag?
Mit freundlichen Grüßen von der Baar!
Klaus Strasser
Sehr geehrter Herr Dr. Strasser,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema TTIP und CETA. Sie greifen damit ein Thema auf, das den Bundestag wie auch die Menschen in unserem Land derzeit sehr stark beschäftigt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass jeder Verhandlungspartner versucht, das Beste für seine Seite herauszuholen. Folglich wäre es blauäugig zu glauben, dass die USA nicht versuchen, ihre Ziele zu ihrem Vorteil durchzusetzen. Ebenso blauäugig wäre es aber auch, zu glauben, dass die EU als weitaus größerer Binnenmarkt sich die Konditionen aus Washington diktieren lässt. Wir haben eigene Ziele und eigene gute Argumente. Beides gilt es in einen Kompromiss zu überführen, der am Ende für beide Seiten gut ist. Nur so funktionieren derlei Verhandlungen.
Ich bin davon überzeugt, dass unsere europäischen Verhandlungsführer die Interessen Europas und seiner Bürgerinnen und Bürger vollumfänglich wahrnehmen. Darüber hinaus ist TTIP ein sog. gemischtes Abkommen, für dessen Ratifizierung die Zustimmung des Bundestages erforderlich ist. Folglich haben natürlich auch die Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestags ein wachsames Auge, wenn es um unsere ureigenen deutschen Interessen und Rechte geht. Im Zuge der parlamentarischen Verfahren finden entsprechende Anhörungen und Expertengespräche statt, so dass man meines Erachtens mit Fug und Recht behaupten kann, dass die demokratischen Prinzipien wie bei üblichen Gesetzgebungsprozessen greifen.
Ich bin auch überzeugt, dass TTIP wie auch die vielen anderen Freihandelsabkommen, die Deutschland bereits geschlossen hat, gut und ursächlich für unseren heutigen Wohlstand als Handelsnation sind. Vor diesem Hintergrund begrüße ich die Verhandlungen über Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA und werde mich auch dafür einsetzen, dass wir zu einem sehr guten Abschluss kommen. Die Abkommen sind ein zentraler Bestandteil einer strategischen, zukunftsorientierten transatlantischen Agenda. TTIP und CETA bieten uns die Chance, auch im 21. Jahrhundert die Welthandelsordnung in unserem Sinne zu gestalten und damit die Möglichkeit, die vielmals kritisierten Ausuferungen der Globalisierung mit Regeln zu versehen. Deshalb werde ich im Bundestag auch für das Abkommen stimmen, sofern es eine tragfähige Einigung gibt.
Ich gehe aber auch davon aus, dass es genügend Menschen gibt, die grundsätzlich globalisierungs- oder amerikakritisch eingestellt sind und womöglich auch den Rechtsweg bestreiten werden. Auch dies ist in unserer Demokratie zum Glück normal und kein ungewöhnlicher Prozess. Ich mache mir ganz ehrlich gesagt aber auch keine Sorgen, dass das Vorhaben gekippt werden könnte.
In Ihrem Schreiben sprechen Sie auch die Schiedsgerichtsverfahren an. In der Tat müssen wir in diesem Bereich genau schauen, wie die Verhandlungen enden. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gilt ganz klar, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Allerdings sind Investitionsschutzabkommen auch kein Teufelszeug, wie es von den TTIP-Gegner vielfach dargestellt wird. Vielmehr stellen sie sicher, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Denn eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Das heißt also, dass es beim Schiedsverfahren im Wesentlichen um Schlichtung und gegebenenfalls um Schadenersatz, nicht um das Aushebeln von Gesetzen geht. Der Bundestag wird weiter die Möglichkeit haben, Gesetze zum Schutz der Allgemeinheit zu erlassen. Das ist uns ein ganz wesentlicher Punkt. Hinsichtlich der Ausgestaltung solcher Schiedsgerichte werden wir noch einmal intensiv beraten müssen. Ich bin mir aber sicher, dass wir auch in diesem Bereich zu einer guten Lösung kommen werden. Das Entstehen einer „Nebenverfassung“, wie Sie es ausdrücken, sehe und befürchte ich nicht.
Abschließend möchte ich vor Schnellschlüssen und zu viel Hysterie warnen. Wir müssen jetzt die weiteren Verhandlungen abwarten und am Ende das Ergebnis sachlich bewerten. Deutschland, davon bin ich überzeugt, wird letztlich von TTIP profitieren.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Frei