Frage an Thomas Oppermann von Tom B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Oppermann,
ich nehme mit meiner recht prinzipiell gehaltenen Frage Bezug auf Ihren Auftritt bei "Maybrit Illner" am 18.10.2012. Nach Ihrer Meinung zum Schlagwort Reichtum befragt, antworteten Sie, gegen Reichtum sei im Prinzip nichts einzuwenden.
Wie Sie selbst noch anmerkten, ist Reichtum in den seltensten Fällen ausschließlich auf eigene Arbeit zurückzuführen, sondern bedeutet oft einen Lohnverzicht von abhängig Beschäftigten zugunsten der Unternehmer oder ähnliche Mechanismen.
In einem System begrenzter Ressourcen und begrenzen materiellen Wohlstandes impliziert Reichtum an der einen Stelle immer Verzicht an anderer Stelle. Das mag aufgrund komplexer Effekte nicht unbedingt 1:1 aufrechenbar sein, auch positive Effekte von Reichtum auf Investitionen etc. sind zu diskutieren. Jedoch bleibt der Grundmechanismus in der Qualität bestehen.
Dies lässt sich an der Vermögensverteilung der privaten Haushalte einerseits, andererseits am Verhältnis des Reichtums auf der Seite der privaten Haushalte gegenüber der öffentlichen Armut in Form von Staatsschulden zeigen.
Um zur Frage zu kommen:
Halten Sie angesichts der dramatischen Verteilungssituation in Deutschland, des bisweilen geradezu obszönen Anwachsens bestimmter Vermögen auf Kosten der Allgemeinheit, einen kritischeren Umgang mit dem Begriff "Reichtum" für sinnvoll, um das Bewusstsein für die gesellschaftlichen Implikationen zu stärken, die Reichtum mit sich bringen kann?
Teilen Sie die Position, dass Reichtum für eine Gesellschaft und Volkswirtschaft zu einem eklatanten Problem werden kann, und dass ihm beispielsweise keine zu große Armut gegenüberstehen dürfe? Oder vertreten Sie und ihre Partei eine andere, grundsätzliche Position?
Ich bin sicher, die verkürzten Antworten, die Talkshows fordern, lassen die Darlegung differenzierten Problembewusstseins nicht immer zu. Daher erhoffe ich mir mit dieser Frage eine Erweiterung der Aussagen.
mit freundlichen Grüßen
Tom Berthold
Sehr geehrter Herr Berthold,
ich gebe Ihnen recht: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft zu weit auseinander. Unten wird zu wenig verdient, oben wird zu wenig versteuert. Es ist unsere Aufgabe, das Verhältnis zwischen Freiheit, Gleichheit und Solidarität wieder ins Lot zu bringen. Wenn Einkommen aus Arbeit und Vermögen auseinanderdriften, schwindet der soziale Zusammenhalt.
In einer sozialen Marktwirtschaft können wir es auf Dauer nicht akzeptieren, dass die reichsten zehn Prozent der Deutschen über mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens verfügen, der unteren Hälfte der Haushalte gerade mal ein Prozent bleibt. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung liefert noch weitere ernüchternde Zahlen: Während das Nettovermögen des deutschen Staates zwischen Anfang 1992 und Anfang 2012 um über 800 Milliarden Euro zurückging, hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte von knapp 4,6 auf rund 10 Billionen Euro mehr als verdoppelt.
Deshalb müssen wir ein Bündnis zwischen den Starken und den Schwachen schmieden. Wir brauchen Gemeinwohlorientierung statt Laissez faire und der Ellbogenfreiheit des Stärkeren. Auch unter den schwierigeren Rahmenbedingungen einer globalisierten Welt ist es unsere Aufgabe, unsere Vorstellungen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu verteidigen und Aufstiegschancen zu ermöglichen.
Ausführlich beschäftigen sich Wissenschaftler und Politiker mit den von Ihnen aufgeworfenen Fragen in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“, die seit 2011 unter dem Vorsitz meiner Kollegin Daniela Kolbe an Konzepten arbeitet und noch vor der Bundestagswahl einen Abschlussbericht vorlegen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann