Frage an Thomas Mandl von Lars W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Mandl
wie stehen Sie zur Haushaltsabgabe und welche Neuregelung würden Sie vorschlagen, wenn diese für verfassungwiedrig erklärt wird?
Mit freundlichen Grüßen
Lars Witte
Sehr geehrter Herr Witte,
vielen Dank für Ihre Frage, die bei näherem Hinsehen ziemlich komplex ist. Hier der Versuch einer trotzdem einfachen Antwort.
1. Ich bin absoluter Befürworter des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks (ÖRR). Schon ein flüchtiger Blick auf die privaten Sender und ihre Programme, machen meine Haltung vielleicht plausibel. In meinen Augen tragen die Privatsender maßgeblich zur konsumistischen Verdummung der Bevölkerung bei. Insofern ist ein Privatisierung des ZDF, wie von Teilen der Piraten vorgeschlagen, für mich kein gangbarer Weg, da die Qualität des Programmangebots mit Sicherheit leiden würde. Die ÖRR sollten dagegen attraktives "Leitmedium" für die Information der Bürgerinnen und Bürger sein, das sich nicht den Gesetzen des Marktes unterordnen muss und daher - bei aller Kritik im Detail - in der Gesamtschau eine objektive Berichterstattung gewährleistet.
2. Die Finanzierung des ÖRR ist natürlich eine heikle Angelegenheit und wird immer Kritik ernten, egal welchen Weg der Finanzierung man wählen wird. Die momentan praktizierte Haushaltsabgabe hat sicher den Vorteil, dass sie verhältnismäßig einfach und transparent ist. Bedenklich ist jedoch der - auch sehr kostspielige - Datenaustausch zwischen EW-Meldeämter und GEZ, der besonderer Aufmerksamkeit und Kontrolle bedarf. Meiner Meinung nach sollten Personen, die nachweislich weder Fernseher noch Radio oder Handy nutzen, von der Haushaltsabgabe befreit sein, auch wenn sie mittelbar von der nicht zuletzt auch durch die ÖRR gesicherten offenen Gesellschaft profitieren und die Sicherstellung einer unabhängigen Berichterstattung für mich somit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Ebenso sollte die Befreiung von Behinderten und Niedrigverdienern im Detail noch nachjustiert werden.
3. Die Höhe der Finanzierung für die Öffentlichen wird natürlich immer umstritten sein. Es ist auch für mich schwer nachvollziehbar, dass eine Intendantin oder ein Intendant deutlich mehr verdient als die Bundeskanzlerin. Trotzdem brauchen die ÖRR eine ausreichende Finanzierung, damit sie ihren Auftrag leisten und ein attraktives und konkurrenzfähiges Programmangebot senden können. Ich definiere diesen Auftrag also im Sinne einer "Vollversorgung": nicht nur Nachrichten und Kultur, sondern auch anspruchsvolle Unterhaltung. Unabdingbar: Die Öffentlichen müssen ihren Bedarf wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben transparent darstellen und nachweisen. Gewinne müssen in Form niedriger Gebühren an die Verbraucher zurückgegeben werden.
4. Da die ORR keine staatlichen Einrichtungen sein sollen, vielmehr ein unabhängiges Kontrollorgan, ist meiner Meinung nach eine Finanzierung über Steuern ausgeschlossen. Inwieweit Stiftungsmodelle die Finanzierung des ÖRR finanzieren können, halte ich für problematisch, da ungewollte Abhängigkeiten entstehen würden.
5. Falls die momentane Regelung tatsächlich verfassungswidrig sein sollte, müsste man die Finanzierung des ÖRR wohl irgendwie doch an die Geräte koppeln, mit denen die Öffentlichen empfangen werden können. Das würde allerdings den Preis von Flachbildschirmen, Computern etc. deutlich erhöhen, da man die Haushaltsabgabe anteilig auf Lebensdauer und Leistung der Geräte umlegen müsste.
Thomas Mandl