Frage an Thomas Händel von Gisela W. bezüglich Senioren
Sehr geehrter Herr Händel,
"„Wenn die EU-Kommission mit ihren Vorschlägen durchkommt, macht das die freiwillige Altersversorgung für die Unternehmen um ein Vielfaches teurer. Viele werden dann keine Lust mehr haben“, sagt Klaus Stiefermann ... Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge ... "
http://www.taz.de/EU-Kommission/!90317/
Wie stehen Sie bzw. Ihre Fraktion/Partei zu den Vorschlägen der EU-Kommission, "(a)ufgrund der Erfahrungen in der Finanzkrise ...das Eigenkapital – also die Geldreserven – der Betriebsrenten erhöhen –, und zwar von zurzeit in Deutschland rund 4 auf 30 bis 40 Prozent." (ebd.)?
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Walk
Sehr geehrte Frau Walz,
Die Europäische Union hat in im Bereich Renten eigentlich keine Kompetenzen. Aber die Rentenpolitik ist eng verzahnt mit anderen Politikfeldern: bereits 2009 hat die Kommission aus Gründen der Haushaltsanierung auf die weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus gedrängt. Das sogenannte "Weißbuch Rente" der Europäischen Kommission soll nun Politikempfehlungen an die Mitgliedsstaaten geben. Aktuell beginnt im Europäischen Parlament die heiße Phase der Debatte und Abstimmungen.
Unsere Position in den anstehenden Verhandlungen wird sein: Wir wollen die erste Säule stärken und so gestalten, dass eine Lebensstandard sichernde Rente ermöglicht wird. Das bedeutet vor allem eine stetige Anpassung an die Produktivität, eine Verbreiterung der Einnahme-Basis (in Form einer solidarischen Umlage oder steuerfinanziert). Die zweite Säule nimmt auch für uns einen zentralen Platz ein, kann aber nur eine Ergänzung der ersten Säule sein und ist als solche sicher für die ArbeitnehmerInnen auszugestalten. Die 3. Säule ist Privatsache und sollte nicht durch den Gesetzgeber gefördert werden. Die Erfahrungen zeigen, dass nur 20 Prozent der EinzahlerInnen der 3. Säule, also der privaten Vorsorge, überhaupt eine Auszahlung am Ende der Laufzeit erreichen. Andere müssen aufgrund ihrer Einkommenssituation schon vorher und meistens mit großen Kapitalverlusten kündigen oder fallen Anrechnungsmodellen (z. Bsp. Hartz IV) bei Arbeitslosigkeit zum Opfer. Oder drittens sind aufgrund der Krisen des Finanzsystems des letzten Jahrzehnts und entsprechender Vertragsgestaltung die Ansprüche aus solcher Vorsorge auf einen Bruchteil der eingezahlten Kapitalsumme zusammengeschrumpft oder ganz verloren.
In der Frage des Renteneintrittsalters und der Beitragsjahre setzen wir zunächst darauf, die Beschäftigung generell zu erhöhen (was die Beiträge zu Rentenkassen erhöht und so die Renten sichert), ältere ArbeitnehmerInnen bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters in Beschäftigung zu halten und entsprechend Arbeitsplätze so zu gestalten, dass dies insbesondere in gesundheitlich belastenden Berufen auch möglich ist. Nicht zuletzt setzen wir auf geänderte Familien- und Sozialpolitik, die es den Menschen wieder ermöglicht, sich für Kinder und Familie in gesicherten Verhältnissen zu entscheiden und so die zur Sicherung der Renten notwendige Bevölkerungsentwicklung sicherzustellen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass auch bei weitestgehender Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung der Systeme eine regulative Mindeststandardisierung nowendig ist, betrachtet man die sonst in weiten Bereichen des Wirtschaftslebens bereits bestehende Harmonisierung und auch Verschränkung der Wirtschafts- und Finanzwelt in Europa. Gerade die stetig steigende Mobilität der ArbeitnehmerInnen, aber auch die in allen Ländern gleichermaßen berechtigte Forderung nach einem Schutz vor Armut im Alter begründet diese Positionierung.
Wir denken, dass Betriebsrenten- und Pensionsansprüche von Solvency II - Regelungen ausgenommen werden sollten, wenn und solange sie nicht wie Systeme der 3. Säule funktionieren und/ oder (sic!) am Kapitalmarkt agieren. Denn wenn sie dass tun, und unserer Ansicht nach betrifft das die übergroße Anzahl der Systeme der 2. Säule, sind sie im Ergebnis den selben Risiken ausgesetzt und müssen schon aus Transparenz- und Schutzgründen den selben Sicherheitsstandards unterworfen werden wie Systeme der 3. Säule.
Eine Portabilität und entsprechende Aufzeichnungsdienste auf europäischer Ebene halten wir für richtig und sinnvoll im Sinne der ArbeitnehmerInnen und werden dies in unseren Änderungsanträgen deutlich machen.
Einen ausführlichen Hintergrundbericht, unsere vollständigen Änderungsanträge zu beiden Berichten sowie Positionierungen des DGB und der österreichischen Arbeiterkammer finden Sie hier:
Ich hoffe ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Thomas Händel