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Thomas Händel
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Frage von Birgit M. •

Frage an Thomas Händel von Birgit M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Händel,

wenn ich Ihre Antwort an Herrn Luber vom 7.12.2010 richtig verstehe, stehen die Linken nicht nur für eine weitere Umverteilung in Deutschland, sondern darüber hinaus in ganz Europa - zu Lasten der deutschen arbeitenden und steuerzahlenden Bevölkerung .

Sie sind für eine EG Vertrags-Änderung und Aufhebung des "no bail out", gegen eine scharfe Haushaltskontrolle und massive Ausgabenbeschränkung in den überschuldeten Mitgliedstaaten.
Sie sind für Eurobonds!Lt. Berechnung des Ifo Instituts und lt. Aussagen des Handelsblatts würden diese Deutschland durch ein Mehr an Zinsen mindestens 22 Mrd. € pro Jahr kosten, unter Umständen bis zu 40 Mrd. €. Das sind es zwischen 6,5 und 13% des Gesamten Bundeshaushalts.
Käme eine Inanspruchnahme aus diesen Bonds hinzu, wird es für die deutschen Haushalte noch viel teurer !

Das ist ohne Sozialkürzungen und /oder Steuererhöhungen für die Mittelschicht/Arbeitnehmerhaushalte gar nicht zu machen. Das dürfte unstreitig sein. Denn die Reichensteuer allein bringt soviel nicht in die Staatskasse.
Innerhalb Deutschlands sind Sie unter anderem :
a) für Abschaffung des Splitting tarifs für Eheleute (Einkommensteilungsprinzip)
b) für Bürgerversicherung mit sehr deutlicher Ausweitung der Beitragsbemessungsgrenzen und ggf. Einbeziehung von Ersparnissen und Mieteinhamen.
c) für Mindestrente, wahrscheinlich finanziert aus der Rentenkasse der beitragszahlenden Arbeitnehmer.
d) für eine Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung von einkommenslosen Ehegatten bei der Krankenkasse
e) für deutliche Erhöhung der HartzIV Sätze

Wenn ich das alles zusammen rechne, wird mir schwarz vor den Augen.

Können Sie mir sagen, mit welchen Einkommenseinbußen netto eine Arbeitnehmerfamilie mit Brutto 4000 € Monatseinkommen bei einem Alleinverdiener zu rechnen hat, wenn Sie die Politik gestalten könnten?
Sind die Linken für die deutsche arbeitende Bevölkerung überhaupt wählbar?

Mit freundlichen Grüßen

Birgit Mohr

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Mohr,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Es freut mich, dass Sie sich mit meinen Argumenten auseinandersetzen. In Ihrer verkürzten Darstellung gehen jedoch einige Fakten verloren. Diese möchte ich der Reihe nach richtig stellen und Ihnen aufzeigen, dass durch und mit der LINKEN mitnichten die Mittelschicht, zumindest nicht der grösste Teil jener, die gemeinhin dazu gerechnet werden, einer Mehrbelastung entgegenzusehen hätten.

Es ist richtig, dass mit den von uns geforderten Massnahmen auf europäischer Ebene auf Deutschland gewisse Belastungen zukommen würden. Ob die Berechnungen des ifo-Instituts dabei stimmen oder auch nicht, lasse ich zunächst dahingestellt. Denn: Dieser Belastung geht eine Vorteilsnahme Deutschlands voraus, welches sich mit einer agressiven Lohn- und Sozialleistungspolitik einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen MS verschafft hat. Dieses Ungleichgewicht gilt es auszugleichen. National hiesse dies, auf deutliche Anhebung der Löhne und Gehälter zu dringen, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen und so die Binnennachfrage deutlich anzukurbeln. Damit wären diese Kosten mittelfristig durchaus auszugleichen.

Ihre Sorgen, die Steuer- und Abgabenbelastung für die Mehrheit der Menschen würde ins unermessliche steigen, teile ich nicht. Abgesehen davon, dass dies vor allem unter den letzten Regierungen (Rot-Grün, Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb)der Fall war (Mehrwertsteuer, Kassenbeiträge, Rentenzusatzversicherungen, Praxisgebühr, etc...), zielen unsere Politikvorschläge darauf ab, die seit Jahren anhaltende Umverteilung nach oben umzukehren und die Schere zwischen Arm und Reich wieder zu schliessen. Unseren Vorschlägen für Belastungen Besserverdienender stehen zahlreiche Entlastungen gegenüber, die vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten sollen. Vor allem erstere haben in der Vergangenheit von diversen Steuersenkungen, sogenannten Vereinfachungen und Verlagerung der Einnnahmebasis des Staates hin zu indirekten (Konsum-) Steuern proftiert.

Zu ihren einzelnen Punkten möchte ich mich in aller Kürze verhalten, empfehle Ihnen aber zur ausführlichen Lektüre unsere diesbezüglichen Veröffentlichungen auf www.die-linke.de, www.linksfraktion.de und www.dielinke-europa.de zur vertiefenden Betrachtung unserer Reformvorschläge.

Das Ehegattensplitting behindert vor allem Gleichstellungsbemühungen und ist ob der mittlerweile sehr unterschiedlichen familiären Konstellationen zutiefst ungerecht gegenüber zusammenlebenden Unverheirateten und deswegen abzuschaffen. Dies gilt ebenso für die beitragsfreie Mitversicherung der gesetzlichen Krankenkassen.

Die Bürgerversicherung basiert zwar auf einer Verbreiterung der Einnahmebasis, zugleich ist jedoch eine Senkung der Beiträge Ziel dessen, was unterm Strich keine Belastung für kleine und mittlere Einkommen bedeutet. Zuzahlungen und Praxisgebühr werden obsolet.

Auch bei der Rente sehen die Vporschläge eine Verbreiterung der Einnahmebasis vor. Zudem werden schon jetzt zu geringe Renten aus staatlichen Mittel (Steuereinnahmen!) aufgestockt, nur in einem für den Betroffenen zutiefst unwürdigen Verfahren. Deshalb treten wir für eine Mindestrente ein. Steigende Rentenbeiträge haben ihre Ursache vor allem in einer verfehlten Arbeitsmarkt- und Familienpolitik. Durch steigende Produktivität und entsprechende Lohnerhöhung sind diese Anpassungen dennoch durchaus auszugleichen. Bisher streichen diese Gewinne vor allem die Unternehmen und ihre Aktionäre ein. Erscheint ihnen das gerechter?

Die Erhöhung der HartzIV-Sätze erscheint unter den gegenwärtigen Bedingung mehr als nur angebracht. Sie fragen, welche Einkommenseinbussen Ihre Beispielfamilie zu bewältigen hätte, nicht jedoch wie man mit 345 Euro im Monat eigentlich seinen Lebensunterhalt bestreiten soll. Unter Beachtung aller Vorschläge der LINKEN (und nicht nur selektiv derjenigen, die oberflächlich betrachtet eine Belastung darstellen könnten) hätte Ihre Beispielfamilie nicht nur eine deutliche Entlastung zu erwarten, sondern könnte aufgrund geänderter Familien-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik sogar eine Stelle für die zweite, bisher nicht erwerbstätige Person der Haushaltes finden und bräuchte sich um Kinderbetreung (und deren Kosten, menschenwürdige Bezahlung und Arbeitsbedingungen deutlich weniger Sorgen machen.

Ich finde, das ist durchaus eine erstebenswerte Perspektive, betrachtet man die aktuellen Lebensumstände vieler Menschen in Deutschland und Europa. Man kann es nicht oft genug sagen, der nötige Wohlstand ist sichtbar vorhanden, unserer Meinung nach nur sehr ungerecht verteilt. Dem wollen wir entgegenwirken. Und hoffen auf Ihre Mithilfe.

Für weitere Fragen und Anregungen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung und verbleibe

mit freundlichen Grüssen

Ihr Thomas Händel