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Thomas Händel
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Frage von Luber M. •

Frage an Thomas Händel von Luber M. bezüglich Wirtschaft

Seit einigen Wochen sollen nach Herrn Junker auf dem Wege der Einbringung in Europa-Anleihen nun auch Deutsche Staatsanleihen zur Finanzierung der Schuldanstaaten herangezogen werden. Daß die Betriebsrenten und die private Altersversorgung von ein paar Millionen älterer deutscher Bürger von der Stabilität dieser Anleihen abhängen, kümmert die landfremden Oligarchen in Brüssel und Luxenburg recht wenig.
Wird sich die Linke der Frage annehmen, oder werden Sie erst dann Ihre Stimme erheben, wenn einmal die Hartz4 Empfänger von dieser Politik betroffen sind?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Max Luber,

Vielen Dank für Ihre Frage. Zur Beantwortung möchte ich gern etwas weiter ausholen.

Irland ist unter den europäischen „Rettungsschirm“ geschlüpft. Dies wird weitreichende Folgen auch für die Sozialsysteme in Irland haben. Die irische Regierung hat schon angekündigt, diese drastisch zusammenzustreichen. Einmal mehr kann man die Folgen verfehlter neoliberaler Wirtschafts- und Finanzpolitik besichtigen. Der Fehler, einen Binnenmarkt geschaffen zu haben, ohne auch die Wirtschafts- und Fiskalpolitiken untereinander abzustimmen, rächt sich auf dramatische Weise. Die Deregulierung der Finanzmärkte, Steuerdumping und fehlende Grenzen für und strikte Kontrollen der Spekulanten sind die Stichworte dabei.

In Griechenland und Irland bezahlen die Menschen die Zeche für ein Europa auf dem falschen Gleis. Portugal und Spanien sind davon nicht mehr weit entfernt. Europäische Kommission und die europäischen Regierungschefs verdoppeln nun die Geschwindigkeit in die falsche Richtung. Harte monetäre Sanktionen gegen ohnehin schon überschuldete Staaten gleichen einem „brutalst möglichen“ Strafvollzug.

Die beschlossene Austeritäts-Politik kürzt Lohn- und Sozialeinkommen. Die Kürzungen bei gesellschaftlich notwendigen Aufgaben zur sog. Haushaltskonsolidierung schwächt die schwache Binnennachfrage noch weiter. Staatliche Investitionen in Infrastruktur werden zurückgefahren. Stattdessen wird weiter privatisiert. Schwache Binnennachfrage mindert darüber hinaus das Steueraufkommen, Privatisierung demokratische wirtschaftliche Einflussmöglichkeit und gefährdet die öffentliche Daseinsvorsorge. Private Investitionen unterbleiben wegen geringerer Nachfrage und neue Sparorgien folgen zwangsläufig - wieder zu Lasten der Menschen. Weitere monetäre Strafaktionen der EU verschärfen das alles zusätzlich. Vermögende und Banken bleiben ungeschoren, Spekulanten dürften jubeln.

Was wäre zu tun? Zunächst müsste die EU den in Not geratenen Mitgliedern den Druck der Spekulanten nehmen, z. B. mit dem Kauf von griechischen Staatsanleihen zu einem vertretbaren Zinssatz durch die EZB. Das allerdings verbietet der Lissabonvertrag. Dieses „Bail-out“-Verbot weg, damit Hilfen anderer Mitgliedsstaaten möglich werden - genau jene europäische Solidarität, die von den Menschen eigentlich mit dem Projekt Europa verbunden wurde.

Element für eine „Economic Governance“ wäre eine Europäische Risiko- und Entwicklungsbank, die Anleihen der Mitgliedsstaaten kauft und zu günstigen Konditionen Kredite an diese ausreicht. Zusätzliche Euro-Bonds - europäische Staatsanleihen - könnten den Druck zusätzlich erheblich reduzieren. Nicht Defizitsünder, sondern jene Länder, die durch massives Lohn- und Sozialdumping ihre „Wettbewerbsfähigkeit“ zu Lasten der Anderen ausgebaut haben, müssen sanktioniert werden. Dies betrifft insbesondere die Bundesrepublik Deutschland. Ein konditionierter EU-Entwicklungsfond, gespeist aus einem Teil der Handelsbilanz-Überschüsse wäre ein Korrekturinstrument.

Es muss das ‚Scharfrichterschwert’ des Stabilitäts- und Wachstumspakts revidiert und durch einen Pakt für wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und soziale Sicherheit ersetzt werden. Eine Verpflichtung von EZB und EU auf sozialen Fortschritt - im Lissabon-Vertrag bisher reine Rhetorik - wäre dringend nötig.

Es muss in der EU künftig um die Menschen gehen. Hier klaffen arm und reich immer weiter auseinander. Selbst in der Krise wurden die privaten Vermögen noch vergrößert. Die gerechte Verteilung dieses Reichtums ist eine Zukunftsfrage. Um diese mit sozial gerechter Umverteilung zu beantworten bedarf es jedoch politischer Mehrheiten, die derzeit fehlen. Lieber reitet man weiter ein totes Pferd.

Ich begrüße deshalb den Vorstoß des Chefs der Eurogruppe,Jean-Claude Juncker. Ihre Sorgen bezüglich der Versorgungssysteme sind ernst zu nehmen, steigen jedoch um ein vielfaches, sollte der Euro tatsächlich durch Spekulationen auf den Finanzmärkten fallen. Dabei ausschließlich auf deutsche Rentner zu schauen ist in dieser Frage schlicht zu kurz gegriffen. Die Rentnerinnen und Rentner, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den anderen Mitgliedsstaaten dürfen eben auch nicht der deutschen aggressiven Außenhandelspolitik zum Opfer fallen. Alternativen sind aufgezeigt, jetzt ist es an den Regierungschef der EU, dass von Ihnen skizzierte Szenario zu verhindern und den europäischen Zug wieder auf das richtige Gleis zu stellen.

Mit solidarischen Grüßen

Ihr Thomas Händel