Frage an Thomas Domres von Petra D. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Domres,
ich beziehe ALG II. ALG II ist ein sehr unangenehmes Thema für Politiker, weiß ich, trotzdem möchte ich Ihnen meine Frage stellen.
Der Landkreis Prignitz hat mit Wirkung vom 01.07.2008 Richtlinien für "Angemessene Unterkunftskosten" in Kraft gesetzt. In meinem Fall wären das pro m² Wohnraum bei einem 1-Personen-Haushalt ( 50 m² - Wohnraum ): 4,35 € Mietkosten ( Kaltmiete ), 1,10 € Betriebskosten, 1,25 € Heizkosten, macht insgesamt 335,00 € angemessene Unterkunftskosten. Gleichzeitig wurden lt. Richtlinie diese 335,00 € auch als max. Höchstgrenzen festgelegt. Der Gesetzgeber und auch rechtskräftige Urteile des Obersten Sozialgerichts haben bis heute bei einigen Kostenarten festgelegt bzw. beschlossen, was in welcher Form angerechnet werden muß, betrifft u. a. Kaltwasserkosten und Höhe der Heizkosten. Kaltwasserkosten müssen beispielsweise, wenn sie nicht Bestandteil der Nebenkosten im Mietvertrag sind und separat gezahlt werden, zusätzlich bei den Betriebskosten berücksichtigt werden und Heizkosten dürfen nach neuester Rechtssprechung auch nicht mehr nach Belieben gekürzt werden. Hier in Wittenberge bedeutet das in der Praxis, daß tatsächlich bei einer 50 m²-Wohnung mehr als die festgelegten 62,50 € Heizkosten und mehr als 55,00 € Betriebskosten übernommen werden. Im Gegenzug werden aber nicht mehr 217,50 € Kaltmiete ( 50 m² x 4,35 € ) anerkannt. Dieser Betrag wird ausgeglichen. Die Kaltmiete wird von der ARGE einfach auf einen niedrigeren Satz als 4,35 €/m² reduziert, weil der Landkreis eine Höchstgrenze von 335,00 € festgelegt hat, die nicht überschritten werden darf. Recht und Gesetz wurden durch diesen Beschluß einfach ausgehebelt. Angesichts der bestehenden Gesetze und aktuellen Rechtssprechung halte ich den Beschluß und die Anwendung dieser Richtlinie des Landkreises Prignitz von 2008 für rechtswidrig, und ich möchte gern wissen, ob Sie gegen so eine Willkür vorgehen bzw. was Sie dagegen unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen
Petra Dahnke
Sehr geehrte Frau Dahlke,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Wie Sie sicher wissen, hat DIE LINKE von Anfang an Hartz IV abgelehnt und spricht sich auch im Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2009 für die Abschaffung von Hartz IV aus.
Ich selbst habe Protestaktionen organisiert sowie unterstützt und habe viel Kontakt mit Menschen, die von Hartz IV betroffen sind. Ihre Lebensumstände sind mir sehr bekannt und in etlichen Einzelfällen konnte ich in Zusammenarbeit mit dem Landkreis und mit der ARGE auch an Problemlösungen mitarbeiten. Dieses Thema ist mit Sicherheit für jene Politikerinnen und Politiker ein unangenehmes Thema, die für diese Entwicklung verantwortlich sind. Ich wünschte mir, sie würden endlich erkennen, dass dieses Gesetz inhaltlich falsch, handwerklich schlecht gemacht und politisch unverantwortlich ist.
Die Richtlinie selbst war mir in diesen Einzelheiten so bisher nicht bekannt. Deshalb habe ich mir die Richtlinie besorgt und mit einem Mitarbeiter der Kreisverwaltung darüber gesprochen.
Zunächst: die Kommunen sind verpflichtet dieses Gesetz umzusetzen. Die kommunalen Träger legen in Ausübung ihrer kommunalen Selbstverwaltung fest, welche Kosten für Unterkunft und Heizung in dem jeweiligen Landkreis bzw. der jeweiligen kreisfreien Stadt als angemessen zu bewerten sind. Das kann sehr unterschiedlich sein. Diese Festlegungen stellen Richtwerte dar, die im Einzelfall aber eine abweichende Bemessung der Leistungen für Unterkunft und Heizung zulassen, so dass ggf. auch Kosten berücksichtigt werden können, die den festgelegten Richtwert übersteigen.
Der Durchschnittswert der Kosten der Unterkunft im Land Brandenburg liegt bei 260 Euro. Somit liegt der im Landkreis Prignitz festgesetzte Höchstbetrag deutlich über den Landesdurchschnitt. In Berlin beispielsweise liegt die Höchstgrenze für eine Person bei 378,00 Euro.
„Nach der Rechtsprechung zur insoweit vergleichbaren Regelung zur Übernahme angemessener Wohnkosten im Sozialhilferecht ist bei der Bestimmung der angemessenen Preise je m² auf die Höhe der im unteren Bereich für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfesuchenden marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen. Hilfestellungen können hierfür die örtlichen Mietspiegel bzw. repräsentative Auswertungen des örtlichen Wohnungsmarktes bieten. Der genannte Maßstab ist geeignet, die örtlich angemessenen Wohnkosten hinreichend zu bestimmen.“ So antwortete die Landesregierung auf eine Anfrage meiner Fraktion im Landtag Brandenburg. Im Landkreis wird ausdrücklich der gesamte Wohnungsmarkt für die Erhebung betrachtet.
Der Höchstbetrag lt. Richtlinie wurde und wird unter Zuhilfenahme mehrerer Datenquellen erhoben. So z.B. aus Erhebungen aus dem öffentlichen und privaten Wohnungsmarkt und der Auswertung von Anträgen der Hilfeempfänger. Ebenso werden regelmäßig die Ämter, Städte und Gemeinden, die Wohnungsträger, die Wohngeldstelle sowie die ARGE und das Grundsicherungsamt befragt.
In dem Gespräch mit dem Mitarbeiter wurde mir erläutert, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Gesamtmiete die Gesamtmietkosten, nicht aber die Bestandteile (Kaltmiete, Betriebskosten, Heizkosten) einzeln zu betrachten sind.
Weiterhin teilte mir der Mitarbeiter mit, dass, wenn die Wohnungsgröße die angemessene Quadratmeterzahl übersteigt, die Kaltmiete, die Betriebskosten oder die Heizkosten über dem jeweiligen vorgegebenen Richtwert liegt, der Wohnraum dennoch als angemessen gilt, wenn die Gesamtmiete nicht überschritten wird.
Sehr geehrte Frau Dahlke,
ich meine, dass jeder Fall einzeln betrachtet und gelöst werden muss. Wenn Sie möchten, unterstütze ich Sie bei der Lösung Ihres konkreten Problems. Eine Rechtswidrigkeit dieser Richtlinie wurde bisher von keinem Gericht festgestellt. Ebenso hat die Rechtsaufsicht diese Richtlinie bestätigt. Die Richtlinie selbst regelt die Durchführung des § 22 SGB II (Hartz IV) und SGB XII „Kosten der Unterkunft“, also die Umsetzung des Gesetzes Sie fragen: „was Sie dagegen unternehmen?“ Ich werde mich weiter für die Abschaffung von Hartz IV einsetzen und mich zugleich für die Ausschöpfung aller Ermessensspielräume im Landkreis stark machen.
Thomas Domres