Frage an Thomas Dörflinger von Tomhild M. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Dörflinger,
was halten sie von dem von Herrn Kirchhof vorgeschlagenen Steuerkonzept?
Halten sie es für sinnvoll, den ehemaligen renommierten Bundesverfassungsrichter, aber politisch neutralen Kirchhof in das "Kompetenzteam" von angela merkel aufzunehmen?
Halten sie eine Steuererhöhung trotz schwacher Binnenkonjunktur für sinnvoll?
Wenn ja, um wie viel Prozent sollte sie ihres Erachtens erhöht werden. Um die derzeit diskutierten 2 % oder um die im Wahlprogramm der cdu/csu angekündigten 4%?
Wie wollen sie das Demographieproblem in deutschland lösen?
Die Bundesregierung hat in ihrem 7ten Familenbericht auf diese Misstände hingewiesen. Halten sie die Einführung einer nationalen Familienkasse nach französischem Vorbild für sinnvoll?
Wie ist ihre Meinung zum Thema "Eu-Beitritt der Türkei"? Favourisieren sie, wie angie merkel, ebenfalls die priviligierte Partnerschaft?
Deutschland hat zu viele Subventionen und investiert zu wenig in Bildung. Stimmen Sie dieser These zu? Welche Subventionen würden sie persönlich zuerst streichen/kürzen wollen? - wenn sich das Kirchhofkonzept tatsächlich durchsetzen sollte, ist diese Frage wohl schon beantwortet.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Metzger,
für Ihre Anfrage zum Thema "Steuern", die mir über kandidatenwatch.de zuging, danke ich Ihnen herzlich. Ich will absatzweise zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen.
Die Vorarbeiten von Prof. Kirchhof, die schon einige Jahre zurückliegen, waren die Basis, aus der Friedrich Merz (CDU) und Hermann-Otto Solms (FDP) neben anderen ihre Vorstellungen entwickelten. Kirchhof selbst entwickelte bekanntermaßen seine Konzeption einer "flat-tax". Ich persönlich halte den im Wahlprogramm der Union vorgeschlagenen Tarif, der auf den Vorstellungen von Merz/Falthauser fußt, für den aussichtsreichsten. Die Vorschläge von Paul Kirchhof gehen noch darüber hinaus und verstehen sich quasi als Fortentwicklung des Konzepts der Union.
Es macht den Charme des Kompetenzteams aus, daß es nicht nur aus Politikern besteht. Die Tatsache, daß ein Wissenschaftler anders, vielleicht kreativer, sicher aber unkonventioneller als ein Politiker denkt, kann sowohl dem Kompetenzteam als auch der Politik generell nur gut tun. Insofern ist Prof. Kirchhof eine außerordentliche Bereicherung des Teams von Angela Merkel; dies gilt auch für den Fall, daß die Union nach dem 18. September Regierungsverantwortung tragen sollte und Kirchhof Mitglied des Kabinetts würde.
Da die Mittel aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Senkung der Lohnzusatzkosten verwendet wird (Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung), findet gleichzeitig mit der Steuererhöhung auch eine Kompensation auf der Ausgabenseite für Arbeitnehmer und Unternehmer statt. Insofern halte ich diesen Ansatz für vertretbar. Die lahmende Binnenkonjunktur resultiert, sowohl beim Verbraucher als auch bei der Unternehmerschaft, in erster Linie aus dem verlorengegangenen Vertrauen in die Politik. Dafür spricht auch die Tatsache, daß die Sparquote in Deutschland noch nie so hoch war wie derzeit. Wenn Politik das tut, was sie vor der Wahl ankündigt, stärkt dies das Vertrauen und liefert so auch einen Beitrag zur Stabilisierung der Binnenkonjunktur.
Im Regierungsprogramm der Union wird angekündigt, die Mehrwertsteuer werde um zwei Punkte erhöht. Dies gilt.
Zum Thema "Demographie" ließen sich ganze Bücher schreiben. Ich selbst war in den vorangegangene Wahlperiode Mitglied der Enquete-Kommission "Demograpischer Wandel". Daher nenne ich nur zwei wichtige von vielen Stichworten in diesem Zusammenhang. Wir müssen die Möglichkeiten zur Vereinbarung von Familienarbeit und Erwerbsarbeit im Interesse junger Eltern verbessern. Dabei ist wichtig, daß die Politik auf die unterschiedlichen Gegebenheiten in Ballungszentren und Ländlichen Räumen Rücksicht nimmt und nicht einseitig auf Ganztagesbetreuungseinrichtungen setzt, sondern den Einsatz von Tageseltern als gleichwertig und gleichrangig begreift. Gleichzeitig muß aber der Gefahr entgegengewirkt werden, daß Kinder mit einem materiellen Risiko bzw. dem materiellen Abstieg verbunden sind. Hier will die Union mit einem personenbezogenen Freibetrag von 8.000 Euro in der Steuerreform ansetzen, der viele Familien aus der Steuerpflicht entläßt bzw. diese deutlich entlastet. In diesem Zusammenhang ist die Auswirkung auf das Kindergeld zu prüfen, damit Geringverdiener ebenfalls eine Entlastung erfahren. Hierzu gehört auch, daß der Staat die Leistung von Familien für die Fortentwicklung und den Fortbestand der Gesellschaft in der Weise honoriert, als er den Beitrag in der Gesetzlichen Rentenversicherung (Kinderbonus) familienfreundlich ausgestaltet. Familienfreundliche Arbeitszeiten, eine gezielte familienpolitische Offensive in den Kommunen und die Schaffung eines gesellschaftspolitischen Klimas, das die Leistungen von Familien (nicht nur finanziell) anerkennt, sind weitere Themenfelder, die ich nur stichwortartig nenne.
Die Einrichtung einer Familienkasse findet meine Unterstützung, da so Leistungen gebündelt, transparenter und leichter erreichbar für Familien gemacht werden können. Idealerweise müßte diese Familienkasse entweder bei der Gemeinde oder beim Landkreis angesiedelt werden, damit die Niedrigschwelligkeit des Angebots gewährleistet ist.
Wenn noch vor wenigen Monaten eine Demonstration von Frauen in einer großen türkischen Stadt durch die Sicherheitskräfte brutal niedergeknüppelt worden ist, zeigt dies m. E. deutlich, daß die Türkei die für den Beitritt notwendigen so genannten Kopenhagener Kriterien hinsichtlich der Menschenrechte nicht erfüllt. Durch den Beitritt von zehn neuen Staaten zum 01.05.2004 ist die EU, hier teile ich die Auffassung von Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt, auf absehbare Zeit nicht in der Lage, weitere Staaten aufzunehmen. Ansonsten droht die finanzielle und organisatorische Überforderung der EU. Der Ansatz der privilegierten Partnerschaft trägt diesen Umständen Rechnung und berücksichtigt gleichzeitig die wichtigen sicherheitspolitische Aufgabe, die die Türkei in der NATO wahrnimmt.
Ich teile die Auffassung von Paul Kirchhof, daß der Staat sich genau überlegen muß, für was er Geld in die Hand nimmt und für was nicht. Insofern ist mir jeder Ansatz genehm, der auf einen Abbau der Subventionen drängt - freilich nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern, wie dies Bundesminister Eichel mehrfach versucht hat.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben, stehe Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung und sende Ihnen herzliche Grüße!
Thomas Dörflinger, MdB