Sven Haller
FDP
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Frage von Heinz M. •

Frage an Sven Haller von Heinz M. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Haller,

Sie kandidieren zwar in unserer Landeshauptstadt, dennoch wären Sie auch - bei erfolgreicher Wahl - ein recht junger Abgeordneter für die Bürgerinnen und Bürger im so genannten ländlichen Raum. Welche Konzepte und Ideen vertreten Sie um den ländlichen Raum auch und gerade für junge Menschen attraktiver zu gestalten?

Mit freundlichen Grüßen
Heinz Meiowski

Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Heinz Meiowski,
 
Sachsen-Anhalt als Flächenland steht vor großen Herausforderungen und hier spielt der ländliche Raum eine entscheide Rolle. Dabei ist uns bewusst, dass es mit unserem Land nur voran gehen kann, wenn neben Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau insbesondere der ländliche Raum gestärkt wird. Hierbei sind neben einer guten Infrastruktur, Voraussetzungen zu schaffen, die der jungen Generation eine Perspektive in unserem Sachsen-Anhalt geben.
 
Zur Erreichung dieses Ziels darf die Politik allerdings nicht in Beliebigkeit verfallen. Vielmehr muss es eine gezielte Konzentration auf die jeweiligen Stärken geben. Das bedeutet, dass die Städte mit den ihnen eigenen Vorteilen agieren - hohe Siedlungsdichte, leistungsfähiger ÖPNV, dichtes Netz an kulturellen, gastronomischen, Bildungs-, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Demgegenüber steht der ländliche Raum mit Naturnähe, Ruhe und Abgeschiedenheit, aber auch dörflicher Gemeinschaft. Hier ist Platz und Gelegenheit, durch Liberalisierungen Freiräume zu schaffen. Dies müssen die klar abgrenzbaren Alternativen sein, zwischen denen jeder Bürger unter Berücksichtigung seiner individuellen Vorlieben sowie seines privaten und beruflichen Umfelds frei wählen können muss.

Die Stärkung des ländlichen Raums und die Erarbeitung von Lösungen für lokalspezifische Probleme lassen sich nur unter Einbeziehung der lokalen Akteure, d.h. der Menschen vor Ort, realisieren. Dazu gehört allen voran eine auskömmliche finanzielle Ausstattung, die durch ein aufgabenbezogenes und transparentes Finanzausgleichsgesetz herbeigeführt wird. Dazu gehört aber auch die Übertragung von Zuständigkeiten im eigenen Wirkungskreis. Von höheren Verwaltungsebenen aufoktroyierte Maßnahmen werden nur in den seltensten Fällen zu einer vernünftigen und praktikablen Lösung für dörfliche Probleme führen. Die kommunale Selbstverwaltung ist deshalb die geeignete Form, angemessene Lösungen für kommunale Probleme herbeizuführen. Da sie sich bewährt hat, sollten die rechtlichen Grundlagen für eine Ausweitung geschaffen werden. So sollen die Kommunen das Recht bekommen, über die Einrichtung, Zusammenlegung oder Schließung von Schulen selbst zu entscheiden. Die Kreise erhielten dann die Zuständigkeit für die Sekundarschulen und die Gymnasien, die Gemeinden für die Grundschulen. Somit wäre es zukünftig möglich, unbürokratisch sogenannte Zwergschulen im Ort einzurichten oder auch über Kreisgrenzen hinweg Schulen zusammenzulegen.

Es wird weiterhin entscheidend darauf ankommen, inwiefern der Staat ehrenamtliches Engagement und kommunale Sonderwege zulässt, wenn es darum geht, die nicht mehr zu leistende staatliche Daseinsvorsorge zu ersetzen. Unerlässlich ist dabei die Erhaltung und Unterstützung privater Initiativen. Das Ehrenamt als Bestandteil einer aktiven Bürgergesellschaft verdient besondere Förderung, weil ehrenamtliches Engagement in vielen Bereichen effizienter seine Aufgabe erfüllt als der Staat und in der Lage ist, fehlende staatliche Strukturen zu ergänzen oder ersetzen. Deshalb muss u.a. auf kommunaler und Landesebene der Ehrenamtspass eingeführt werden, mit dem die Tätigkeit der Ehrenamtlichen gewürdigt und Vergünstigungen gewährt werden. Durch Stärkung des Ehrenamtes werden Gestaltungsspielräume gewonnen, mit denen im Sinne der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ein Ausgleich staatlicher Defizite möglich ist.

Im Bereich des ÖPNV sind flexible und kreative Lösungen gefragt. Wohl ist es ureigene Aufgabe des Staates, im Sinne der Sicherstellung von Mobilität eine Infrastruktur vorzuhalten, die die Erreichbarkeit eines jeden Dorfes gewährleistet. Diskutieren muss man jedoch zumindest die Frage, inwieweit der Staat auch zwangsläufig verpflichtet ist, Mobilität überall zu garantieren, indem er ein ÖPNV-Netz vorhält, das selbst bei dramatischer Unterauslastung peripher gelegene und dünn besiedelte Dörfer bei hoher Taktfrequenz integriert. Im Sinne der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse muss der Staat vielmehr zulassen, dass die Menschen in Eigenverantwortung die Mobilitätsbedürfnisse ihrer Kommune befriedigen. Das langfristige Ziel besteht darin, die wegen mangelnder Auslastung wegfallenden Verbindungen im ÖPNV zu ersetzen. Dies können die typischen Fahrgemeinschaften gewährleisten; genauso können sich auch lokale Vereine entsprechend engagieren. Ebenso sind der bedarfsorientierte Einsatz von Kleinbussen und Großtaxis, Taxiverbünde sowie die Ersetzung von Linienverkehren durch Punkt-zu-Punkt-Verbindungen mit Hilfe von Rufbussen oder Anrufsammeltaxis denkbar. Unter Verantwortung der Gemeinden stehende Bürgerbusse mit ehrenamtlichen Kräften sind verstärkt einzusetzen; hier können auch aus dem Berufsleben Ausgeschiedene eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe finden.

Gleiches gilt auch für die Energieversorgung. Der autarken Selbstversorgung einzelner Bewohner oder ganzer Gemeinden durch erneuerbare Energien jedweder Form dürfen keine Steine in den Weg gelegt werden. Auch auf den Anschluss an die Wasserversorgung bzw. die Abwasserentsorgung ist diese Argumentation anwendbar. Wer sich bewusst in peripheren Regionen abseits der gewachsenen Siedlungsstrukturen niederlässt, kann nicht erwarten, auf Kosten der Gemeinschaft in sämtliche Versorgungsnetze eingebunden zu werden. Vielmehr muss der Staat in Respekt vor der persönlichen Entscheidung des Einzelnen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Kommune eine individuelle Lösung zulässt.
 
Mit einer Politik die dieser Vorstellung folgt, sind wir in der Lage den Bürgern und insbesondere der jungen Generation ein lebens- und liebenswertes Umfeld zu schaffen, die Abwanderung zu stoppen und Perspektiven zu ermöglichen. Dieses Ziel kann allerdings nur gemeinsam mit allen Akteuren, jung und alt, Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie Bürger und Verwaltung erreicht werden. Ich kann nur jeden ermutigen, sich einzubringen und die Herausforderungen mit anzupacken.
 
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Ihr Sven Haller