Frage an Sven Haller von Waltraud G. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Haller,
seit Jahren schneiden unsere Schülerinnen und Schüler schlecht in den so genannten PISA-Tests ab. Als Lehrerin kann ich Ihnen versichern, dass dies ganz bestimmt nicht an den Lehrkräften liegt. Zugegeben wird es immer schwarze Schafe geben, aber der überwiegende Teil der Lehrerschaft in Sachsen-Anhalt ist engagiert.
Allerdings müssen wir feststellen, dass bei Schülerinnen und Schülern zunehmend offener Unwillen zum Lernen oder zumindest eine unbestimmte Demotivation im Unterricht zu erkennen ist.
Welche Ideen haben Sie, um diesem, zugegeben schwer fassbarem Problem zu begegnen?
Mit freundlichen Grüßen
Waltraud Geser, seit 27 Jahren Lehrerin
Sehr geehrte Frau Geser,
vielen Dank für Interesse und Ihre Fragen. Mit Ihrer Frage sprechen Sie eines meiner Kernanliegen an, denn Bildung ist die Basis für jeden Menschen in unserem Land für ein erfülltes Leben und sozialer Teilhabe. Ziel muss es sein, die Bildungsqualität in unserem Bundesland zu steigern und allen Menschen von Beginn an individuelle Lernwege zu ermöglichen und somit gerechte Bildungschancen für jeden zu schaffen. Dafür brauchen wir alle und alles - nur kein ständiges Herumdoktern an Strukturen, wie dies GEW, SPD und Linkspartei im mehr oder minder großem Einklang immer wieder fordern. Gerade dieses Herumdoktern an den Schulstrukturen demotiviert und entmutig insbesondere die Schüler, da sie nicht wissen worauf sie sich einstellen müssen. Verlässlichkeit ist gefragt und diese kommt dann allen Beteiligten angefangen bei Schülern und Lehren, Eltern und nicht zuletzt auch der heimischen Wirtschaft zugute. Darüberhinaus brauchen wir ein Bewusstsein einer Bildungsgesellschaft, in der jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten gefördert und gefordert wird und in dem sich jeder seiner individuellen Verantwortung gegenüber sich selbst, seiner Familie und der Gesellschaft bewusst ist. Wir müssen auf Inhalte und Kompetenzen und deren Vermittlung setzen und nicht auf die Vorgabe restriktiver Strukturen, die z.B. die hochselektive alte EOS aus DDR-Zeiten wieder auferstehen lassen. Strukturen dürfen auch nicht sakrosankt sein, wie dies die CDU meint, sondern müssen flexibel auf die sich verändernde Gesellschaft reagieren und sich stets weiterentwickeln können.
Die Bildungspolitik von GEW, Linkspartei und SPD denkt alles in Strukturen, sieht Bildungsziele vom Ergebnis her, definiert Bildungsqualität durch Absenkung der Bildungsstandards und Erhöhung der Abschlussquoten gymnasialer Bildungswege. Das ist der falsche Weg: Wir müssen die Bildungsbiografie jedes einzelnen Kindes sehen, dessen Potentiale erkannt und die kompetent begleitet und gefördert werden muss.
Wir brauchen eine "Kultur der Anstrengung", in der für Kinder und Jugendliche Leistungsanreize geschaffen werden. Ihnen muss vermittelt werden, warum es sich lohnt, sich Wissen anzueignen und Methoden zu beherrschen, dieses Wissen kompetent einzusetzen. Jede Reform im Bildungswesen muss mit großer Behutsamkeit und im größtmöglichen Konsens mit Eltern, Schülern, Lehrkräften und Schulträgern entwickelt werden. Bildungsprozesse brauchen Zeit - eher Jahrzehnte oder Generationen, nicht Legislaturperioden. Sie brauchen Mitwirkung aller Akteure in und um unsere Bildungseinrichtungen, auch kritische Begleitung, aber keine ständige Revision via Konvent oder Koalitionsvertrag. Deshalb sollten wir uns um eine erweiterte Entscheidungsfreiheit vor Ort kümmern und die differenzierte, begabungsgerechte Schulstruktur weiterzuentwickeln. Nicht auf dem Verordnungswege von oben: Der Weg führt über mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort über eine eigenverantwortliche Schule mit mehr Personal- und Finanzhoheit zu einer den örtlichen Gegebenheiten entsprechenden Schulstruktur.
Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Sven Haller