Frage an Stephan Schleuter von Günther D. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Schleuter,
was werden Sie tun, um die Vorschläge des UN-Bevöllmächtigten Munoz in die Tat umzusetzen, der beklagt hat, dass in Deutschland keine Chancengleichheit im Schulwesen bestehe - unter anderem, weil die Zuteilung zu weiterführenden Schulen bereits im vierten Schuljahr erfolgt (bei einer nachgewiesenen Fehlerquote von 40 Prozent, Iglu-Studie)?
Immerhin ist außer dem bayerischen kein Bildungssystem in Deutschland ungerechter als das in Baden-Würrtemberg.
Wie werden Sie versuchen, die ideologische Blockade des CDU-Kultusministers Rau vor Gesamtschulen zu lösen?
Damit auch Kinder aus sozial schlechter gestellten Haushalten eine Chance erhalten?
Mir scheint dieses Thema insbesondere mit Blick auf die Angestrebte Föderalismusreform eine zentrale Frage dieses Wahlkampfes zu sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Günther Damm
Hallo und guten Abend Herr Damm,
zunächst einmal meinen Dank an Sie für Ihr gezeigtes Interesse an der Bildungspolitik hier im Land Baden Württemberg.
Gerne nehme ich wie folgt Stellung hierzu:
Die ideologische Blockade des CDU-Kultusministers Rau vor Gesamtschulen, wie Sie so nett formulieren, werden wir sicher aktuell nicht lösen können bzw. ernsthaft klären können.
Wir von der WASG müssen daher zunächst einmal die Wähler auf unsere Seite bringen, die dann durch ihr Stimmverhalten bei der Landtagswahl das bisherige Denken eventuell ablösen hilft.
Aber konkret zu Ihrwer Frage, wie auch Kinder aus sozial schlechter gestellten Haushalten eine Chance erhalten können.
Für uns von der WASG ist das Thema Bildungspolitik eines der zentralen Themen für eine zukunftsfähige Gesellschaft.
Ich zitiere hier gerne aus unserem Programm:
“ Bildung ist eine gesellschaftliche Grundaufgabe, die von allen finanziert werden muss. Sie muss für alle frei zugänglich sein und der allseitigen Entwicklung des Einzelnen und der Gesellschaft dienen".
Die Schieflage, in der sich Deutschland, respektive Baden Württemberg als das Land der Dichter und Denker heute befindet, auch international attestiert durch die verschiedenen Studien wie Pisa etc.,ist ein Skandal erster Güte und gehört deutlichst an den Pranger gestellt.
Daher fordert die WASG einen Landesentwicklungsplan Bildung.
Die WASG fordert darin einen völligen Neubeginn in der Bildungspolitik,
der von den Kinderkrippen, Kindergärten und Grundschulen ausgehen und die sozialen Unterschiede in den Familien ausgleichen muss.
Die frühkindliche Erziehung muss eine völlig neue Position im Bereich Bildung erhalten. Für das Kind sind Erzieher/innen die wichtigsten Personen nach den Eltern.
Diagnose und gezielte Förderung – wie zum Beispiel Sprachförderung für Migrant/innenkinder – verlangen eine Verbesserung von Ausbildung und Status bei Erzieherinnen und eine Begrenzung der Gruppengröße. Der Besuch des Kindergartens muss kostenlos und für die zwei Vorschuljahre verpflichtend sein.
Von der Grundschule an muss in Erziehung und Bildung ein Zusammenwirken von Lehrkräften, Sozialarbeitern und Psychologen praktiziert werden, wie dies in den skandinavischen Ländern seit langem erfolgreich praktiziert wird.
Dazu gehört auch die Kooperation mit Lehrkräften von Sonderschulen und die Verbesserung der Integration von ImmigrantInnen, Behinderter in Regelschulen.
Wir fordern daher:
-Eingangsdiagnosen an den Schulen und daraus abgeleitete individuelle Förderpläne
-Regelmäßige Elterngespräche ersetzen in den ersten vier Jahren die Ziffernnoten
-Förderunterricht in Lesen, Rechnen und Schreiben, auch als Mittel zur Integration, ausgewiesen in der Stundentafel
Jede Schule muss in Zusammenarbeit mit Lehrern, Sozialpädagogen, Psychologen, Schülern und Eltern ein für das Umfeld der Schule stimmiges pädagogisches Konzept erstellen.
Notwendige Übungen zur Vertiefung des Lernstoffes sollen in den Unterricht integriert und nicht in Form von Hausaufgaben erstellt werden, um die Benachteiligung der Kinder, denen zu Hause nicht geholfen werden kann, zu verringern.
Da Bildung eben auch Zukunftsvorsorge ist, muss die Lernmittelfreiheit in BW wieder konsequent hergestellt werden.
Ebenso sind Schüler von Fahrtkosten zur Schule zu befreien.
Und als letzte grundlegende Forderung sei hier angemerkt, das wir auf Schärfste gegen einen weiteren angekündigten Stellenabbau im öff. Dienst protestieren. Die Wähler sollten die Programme vielleicht nochmals eingehend studieren , denn auch von SPD und Grüne kann WählerInnen wie folgt zu diesem Thema lesen:
In der Broschüre „Argumente 2006“, herausgegeben von der Landtagsfraktion der SPD im November 2005 ist folgendes unter dem Stichwort Haushaltskonsolidierung zu finden:
- Abbau von 10.000 Stellen beim Land bis 2014
- davon 3.000 Lehrerstellen
Oder von den Grünen ist folgendes zu lesen: In ihrem Landtagswahlprogramm (S. 80/81) wird unter dem Stichwort "Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik" und Bürokratieabbau gefordert. (Zitat): „Wir müssen in den nächsten Jahren die laufenden Ausgaben des Landes für Personal- und Sachkosten um 10% reduzieren. In den nächsten Jahren werden viele MitarbeiterInnen des Landes in den Ruhestand verabschiedet, so dass die Zahl der bisher weit über 200.000 Personalstellen um 10% reduziert werden kann, ohne dass es zu Entlassungen kommt.“
Traurig aber wahr! So´n bißchen wie bei der Mehrwertsteuer - der eine verspricht keine Erhöhung, der andere nur eine 2%-ige und zusammen an der regierung werden 3% draus - Adam Riese würde sich im Grabe umdrehen.
Abschließend sei angemerkt, dass für all die aufgezählten Aspekte unseres Programms die Finanzgrundlagen für Bildung neu positioniert werden müssen.
Im Vergleich zu 1985 haben wir ca. 2,5% Anteil des BIP (Bildungsausgaben 6,5% in 1985 und heute 4,0%) verloren.
Wir setzen uns daher dafür ein, dass mit einer neu einzuführenden Vermögenssteuer in BW hier die richtigen Signale gesetzt werden können.
Alles Gute und ein schönes Wochenende!
Mit freundlichen Grüssen
Stephan Schleuter