Portrait von Stephan Eisel
Stephan Eisel
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Stephan Eisel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Rolf V. •

Frage an Stephan Eisel von Rolf V. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Dr. Eisel,

heute wurde in der Welt Online unter dem Titel „Islamisten nutzen die Schwäche der Demokratien“ ein Interview mit Bernhard Lewis veröffentlich in welchem dieser äußert, dass die Polygamie in Europa zwar nicht erlaubt sei, diese jedoch in einigen europäischen Ländern geduldet wird, wenn sie bei muslimischen Familien bereits vor der Einwanderung nach Europa bestand. Dies mit allen Folgen für die Sozialleistungen.

ich bitte um Mitteilung ob dies in Deutschland auch so ist, sodass ggfs. mit einer Zahlung, in die Krankenversicherung zwei Ehefrauen und deren Kinder mitversichert sind? Sollte dies der Fall sein, so bitte ich um Erläuterung wie man dies gegenüber den deutschen Beitragzahlern vertreten kann, da dies letztendlich zu einer Überstrapazierung unseres Krankenversicherungssystems usw. führen muss, da dieses nicht auf diese Situation angelegt ist.

Mit freundlichem Gruß

Portrait von Stephan Eisel
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Völsgen,
vielen Dank für Ihre Frage vom 24. Juli 2008.
Der von Ihnen erwähnte Artikel "Islamisten nutzen die Schwäche der Demokratien" ist mir bekannt und zu Ihrer Frage kann ich Ihnen folgendes mitteilen.

Was das Thema "Zweitfrauen" betrifft, so gilt, dass sie nach heute geltendem Recht keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland haben, dies wurde auch durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg am 24. Januar 2006 bestätigt. Das Urteil wurde damit begründet dass der islamischen Mehrehe die Schützwürdigkeit fehle. Der im Grundgesetz verankerte Schutz der familiären Lebensgemeinschaft führt nicht automatisch zu einem Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis. Die Mehrehe sei zudem dem europäischen Kulturkreis fremd und widerspreche der im Grundgesetz festgelegten gleichberechtigten Stellung von Mann und Frau. In der 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gab es zu dem Thema bereits eine Anfrage der Abgeordneten Rita Pawelski (CDU/CSU) an die damalige Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk. In dieser Anfrage wurde danach gefragt, wie die damalige Bundesregierung die rechtliche Möglichkeit der ordnungsgemäßen, beitragsfreien Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung von in polygamer Ehe lebenden Zweit- und Drittfrauen, beurteilt und inwiefern dies dem Verbot der Mehrehe (§ 1306 BGB) in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Die Antwort lautete, dass die "rechtliche Möglichkeit" - der § 34 des Ersten Buches Sozialgesetz - wurde durch das Gesetz vom 25. Juli 1986 in das Sozialgesetz eingefügt. Die gesetzliche Krankenversicherung wenden das geltende Recht eigenverantwortlich an. Die Spitzenverbände der Krankenkassen vertreten ganz überwiegend die Auffassung, dass eine Familienversicherung für Frauen aus Vielehen zulässig ist, wenn die Vielehe wirksam im Ausland geschlossen wurde, nach dem Heimatrecht der betroffenen Personen zulässig war und durch gegenseitige Unterhaltspflichten geprägt ist. Eine restriktive Auslegung der rechtlichen Regelungen wird jedoch für sachgerecht gehalten. Nach § 34 SGB I kann eine nach dem Recht des Herkunftsstaates gültige Ehe nur dann berücksichtigt werden, wenn sie einer Ehe im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches entspricht. Die in manchen ausländischen Rechtsordnungen mögliche Zweit-, Dritt- oder Viertehe hat im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches keine Entsprechung. Eine bereits bestehende Ehe ist vielmehr nach deutschem Zivilrecht, § 1306 BGB, ein Ausschlusstatbestand für eine weitere Eheschließung.

Mit dieser unsicheren Rechtslage gab sich die CDU/CSU Fraktion nicht zufrieden und gab letztlich den Anstoß zu einem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums an die Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenkassen, des Inhalts, die Gesetze, welche die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Vielehen regelten, künftig restriktiv auszulegen. Auch eine Arbeitsgruppe der Spitzenverbände der Krankenkassen und des Justizministeriums hatte sich für diese neue Handhabung ausgesprochen.

Auszugehen sei zur Begründung dieser restriktiven Auslegung von § 34 Sozialgesetzbuch I, wonach eben grade eine nach dem Recht des Herkunftsstaates gültige Ehe nur dann einbezogen werden könne, wenn sie einer Ehe im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches entspreche. Eben dies ist im Falle der Mehrehen jedoch nicht der Fall. Nach dieser Auffassung muss sich die Leistung einer Familienversicherung auf diejenige Ehefrau beschränken, mit der die Ehe zuerst geschlossen wurde.

Dies bedeutet konkret, dass seit April 2005 Zweit- und Mehrfrauen aus einer polygamen Ehe eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr familienversichert werden können und darauf verwiesen werden, sich privaten Versicherungsschutz zu suchen.

Was Rentenansprüche betrifft, so gilt- und dies ist auch in Urteilen des Bundessozialgericht bestätigt worden -, dass wenn ein mit mehreren Frauen verheirateter Mann stirbt, so wird eine in Deutschland erworbene Rente zu gleichen Anteilen auf die Ehefrauen aufgeteilt. Die Dauer der Ehe spielt bei der Verteilung keine Rolle.

Ich kann Ihnen versichern, dass ich die Berücksichtigung von Zweit- und Drittfrauen bei Versicherungsangelegenheiten sehr kritisch sehe. Eine Anerkennung einer Zweitehe ist für mich gleichzeitig auch eine Anerkennung fremder Ehegebräuche, die aber im völligen Gegensatz zu unserem Rechtssystem und zu unserer christlich-abendländischen Lebensform stehen. Meines Erachtens darf das, was in Deutschland verboten und nicht verfassungsrechtlich geschützt ist und mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft wird, nicht auf Umwegen zu einer Anerkennung führen.

Ich hoffe, Ihre Frage ausreichend beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Stephan Eisel, MdB
-Für Bonn im Bundestag-