Frage an Steffen Eitner von Georg W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Die Kindertagesstätten in der ehemaligen DDR werden häufig hinsichtlich der Tatsache ihres Vorhandenseins gegenüber den auch heute noch vielen fehlenden Krippenplätzen, Kindergartenganztagsplätzen und Hortplätzen vor allem in den alten Bundesländern gelobt.
Trifft es tatsächlich zu, dass in der ehemaligen DDR für alle Kinder Kitaplätze vorhanden waren?
Und gab es darüberhinaus auch besondere Qualitätsmerkmale hinsichtlich Bildungsqualität dieser Einrichtungen, Qualifikation des pädagogischen Personals, Beschäftigungssituation und Entlohnung der Erzieherinnen, Hilfestellungen für Eltern, Zufriedenheit der Kinder usw., die es Wert sind, hervorgehoben zu werden?
Und was ist ganz und gar nicht vorbildhaft gelaufen in den Kindertagesstätten der ehemaligen DDR? Immerhin ist eine Kita ein Ort in dem eine staatliche Institution Einblick in die private Institution Familie erhält. Besonders in einer Diktatur läuft eine solche Institution Gefahr, von staatlicher Seite aus missbraucht zu werden, um Informationen über seine Bürger zu sammeln, die letzlich staatlicher Repression dienen.
Fand ein solcher Missbrauch im großen Umfange in den Kitas statt, oder waren von solchem Missbrauch eher die Schulen oder andere Institutionen betroffen?
Trifft es aus Ihrer Sicht zu, was hin und wieder behauptet wird, dass es die Kitas nur deshalb gab, um die Menschen besser kontrollieren zu können, weil sie gleichzeitig zur Berufstätigkeit gezwungen wurden, wo sie dem staatlichen bzw. dem Zugriff von Staatspartei und Staatsgewerkschaft ausgesetzt waren?
Sehr geehrter Herr Weil,
die DDR hat eine Entwicklung über Jahrzehnte genommen. Auf der einen Seite gab es offiziell einen humanistischen Anspruch, auf der anderen Seite die realen Bedingungen, später als "real existierender Sozialismus" bezeichnet. Aus meiner eigenen Erfahrung waren Kindergartenplätze weitgehend vorhanden, Wartezeiten entstanden bei Krippenplätzen. Der Schulhort im Anschluß an die Unterrichtsstunden konnte bis zur vierten Klasse besucht werden.
Weil der ideologische Anspruch hoch war, wurde die Ausbildung der Erzieher ernst genommen, sie waren fest in das Organisationssystem integriert. Ziel war, die Heranwachsenden zu Bürgern der DDR zu erziehen, oft altersgemäß, manchmal im Kindergarten wenigstens inhaltlich mit dem Malen von 1.-Mai-Fähnchen überfordert.
Zum Thema Mißbrauch. Er findet zu allen Zeiten an vielen Orten statt. Der Unterschied ist, ob er individuell oder organisiert stattfindet. Jetzt muß ich nochmal den "hohen Anspruch" bemühen. Sicher fühlten sich viele Verantwortliche im Recht, wenn sie der Sache wegen die Grenzen des privaten Bereichs überschritten. Diese Fälle gab es und neben der individuellen Schuld spielt immer auch das System eine Rolle. Das entschuldigt keine persönlich begangene Handlung. Während Kleinkinder noch leichter "in der Reihe" gingen, hatten es Schüler schwerer. Die Möglichkeiten, einen Druck auszuüben ist natürlich bei Heranwachsenden mit klarerer Lebensplanung intensiver.
Ein Zwang zur Berufstätigkeit wurde praktisch nicht empfunden. Die Vollbeschäftigung war nach Krieg und zu leistenden Reparationen einfach eine Notwendigkeit. Sie führte zu einer zügigen Einrichtung besonders von Kindergartenplätzen. Zudem war es sicher aus Sicht der Mächtigen praktisch, die Menschen auf diese Weise zu kontrollieren. Die Ideologie verlangte, daß der Mensch im Mittelpunkt steht. Das war tatsächlich die offizielle Sichtweise, mit all den Folgen. An den Menschen wurde "herumgeformt". Beide Aspekte sind also real, die Bewältigung der anstehenden Arbeit als auch die intensivere Kontrolle.
Wir können froh über die heutigen Chancen der Schüler sein. Manche Leistungseinschränkungen werden heute überhaupt erst erkannt. Unterstützung wird damit erst möglich.
St. Eitner